Sonntag, 18. Februar 2024

Versuchungen

Predigt am Sonntag Invokavit, 18. Februar 2024, über Matthäus 4,1-11


Liebe Schwestern und Brüder,


Versuchungen sind etwas Alltägliches.

Allzuoft erliegen wir ihnen.

Zum Beispiel, gerade in der Fastenzeit,

der zartesten Versuchung, seit es Schokolade gibt.

Wir werden rückfällig, wenn ein Sofa hinter uns steht.

Der Schlummertaste auf dem Handy,

den Neuigkeiten auf Facebook,

den kleinen Filmchen auf TikTok oder Instagram

können wir nicht widerstehen.

Wir prokrastinieren - schieben unliebsame Pflichten

oder dringende Aufgaben vor uns her,

indem wir Zeit auf dem Handy vertun - Sie kennen das.


Smartphones, so scheint es, machen es besonders schwer,

der Versuchung zu widerstehen:

Durch das Handy liegt sie nur einen Handgriff,

ein Wischen des Fingers entfernt.

Aber das ist ein Irrtum:

Der innere Schweinehund hat schon immer

jede Gelegenheit ergriffen, die sich ihm bot,

lange vor der Erfindung des Smartphones.


Versuchungen sind etwas Alltägliches.

Und sie sind lebenswichtig.

Denn wir lernen durch sie.

„Probieren geht über studieren”,

„man kann’s ja mal probieren”,

„ein Versuch schadet nicht” -

in solchen Redewendungen zeigt sich,

wie sehr die Versuchung zum Versuch Teil unseres Lebens ist.

Wer ihr nicht nachgibt, kann nichts lernen,

kann keine Erfahrungen machen.


Natürlich hätte man sich im Nachhinein

manche Erfahrung gern erspart.

Und doch muss man am eigenen Leibe erleben,

wovor Eltern und Ältere warnten.

Bevor man die Erfahrung tatsächlich machte,

erschien sie zu verlockend und ganz harmlos.

Hinterher ist man klüger

und hat hoffentlich daraus gelernt.


Von anderer Art sind die Versuchungen,

die Jesus bestehen muss.

Weder sind es Ablenkungen,

noch kann er daraus etwas lernen.

Eher das Gegenteil ist der Fall:

Diese Versuchungen sind ein Test,

wie man in der Schule mit einen Test nachweisen muss,

dass man den Stoff gelernt und verstanden hat,

oder wie erst die Fahrprüfung entscheidet,

ob man ein Auto fahren darf.


Jesus muss sich einer Überprüfung seines Glaubens unterziehen.

Dazu muss er drei Proben bestehen:

Als erstes soll er seinen Glauben demonstrieren.

Er soll zeigen, dass er Glauben besitzt, und wie viel Glauben er hat.

In der zweiten Prüfung soll Jesus seinen Glauben rechtfertigen

angesichts des eklatanten Widerspruchs,

der zwischen den Glaubensaussagen der Bibel

und unserer alltäglichen Wirklichkeit besteht.

Die letzte Prüfung soll dann erweisen,

ob Jesus bereit ist, seinen Glauben zugunsten der Macht zu verleugnen.


Auf den ersten Blick scheint es,

das sind Proben, die nur von Jesus verlangt werden können,

weil er der Sohn Gottes ist.

Darum bekommt er auch einen ganz besonders fiesen Prüfer, den Teufel.

Aber tatsächlich sind diesen Versuchungen, die Jesus bestehen muss,

alle ausgesetzt, die an Gott glauben.

Offenbar kann der Glaube auch beim Sohn Gottes in Gefahr geraten.

Darin ist er, wie es in der Epistel heißt, „versucht wie wir.”


An den Proben, denen Jesus sich stellen muss,

erkennen wir, wo unser Glaube herausgefordert wird.

Und die Antworten, die Jesus seinem Prüfer gibt,

können uns zeigen, wo unser Glaube festen Grund finden kann.


Beginnen wir also mit der ersten Prüfung:

„Wenn du der Sohn Gottes bist,

befiehl, dass diese Steine Brot werden sollen.”


Was der Teufel von Jesus verlangt, ist ein Wunder.

Ein Wunder, das die Naturgesetzte aus den Angeln hebt.

Das Wunder gehört irgendwie zum Glauben dazu.

Wir wissen zwar, dass Wunder nicht möglich sind.

Aber irgendwo in uns gibt es einen Rest von Aberglauben,

der sich diesem Wissen widersetzt.

Vielleicht gibt es ja doch Wunder.

Die Welt ist so groß und bunt,

wir wissen so wenig,

es könnte doch sein, dass da noch etwas anderes ist.

Da ist es doch nicht verkehrt,

dreimal auf Holz zu klopfen, um Leitern einen Bogen zu machen

oder seinen Teller leer zu essen, damit morgen die Sonne scheint.

Vielleicht hilft es ja, vor der Klassenarbeit zu beten,

um eine schlechte Zensur zu verhindern.

Vielleicht rechnet Gott einem das Gute an,

das man getan hat - oder zumindest tun wollte -,

und man kann von ihm einen Gefallen einfordern,

weil man etwas gut hat bei ihm.


Die stille Hoffnung auf ein Wunder,

darauf, dass es für mich eine Ausnahme von der Regel gibt,

ist eine Seite des Aberglaubens.

Die andere Seite ist das Gefühl, seinen Glauben

darstellen und rechtfertigen zu müssen.

Es reicht nicht, im stillen Kämmerlein zu beten;

man sollte seinen Glauben öffentlich zeigen,

damit andere sehen, dass man gläubig ist.

Als Pastor sollte ich deshalb vielleicht ein Kreuz tragen,

ein Kollarhemd oder einen Lutherrock,

damit man sieht, dass ich ein geistliches Amt bekleide.


Hinter der Versuchung, seinen Glauben derart zur Schau zu stellen,

steht die Angst, der eigene Glaube könnte nicht genügen;

er könnte zu klein sein, er könnte nicht ausreichen.

Jesus begegnet dieser Angst mit dem Hinweis auf das Wort Gottes.

Dieser Hinweis besagt:

Nicht ich bin es, der oder die glaubt.

Glaube ist keine persönliche Leistung,

keine Fähigkeit, die man erwerben, üben und steigern kann.

Glaube kommt von Gott, durch sein Wort.

Jede und jeder bekommt den Glauben von Gott geschenkt;

niemand bekommt zu wenig, niemand mehr als die anderen.

Ein Pastor hat nicht mehr Glauben als eine Konfirmandin,

eine regelmäßige Kirchgängerin nicht mehr als ein Weihnachtschrist.


Die zweite Probe lautet:

„Wenn du der Sohn Gottes bist,

spring vom Dach des Tempels!”


Der Glaube sieht sich von der Wirklichkeit herausgefordert.

Skeptiker und Gegnerinnen des Glaubens verlangen Beweise,

dass es Gott wirklich gibt.

Der Sprung von der Tempelzinne wäre ein Beweis,

der jeden Zweifler zum Schweigen brächte.

Und, wenn wir ehrlich sind,

manchmal hätten wir auch gern so einen Beweis.

Nämlich dann, wenn wir nicht erleben,

was der Psalm verspricht:

„Gott hat seinen Engeln befohlen,

dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.”

Wo sind sie, die Engel, wenn man sie braucht?

Diese Frage lässt sich noch steigern:

Warum passiert das ausgerechnet mir?

Warum lässt Gott das zu?


Die Versuchung besteht darin,

auf diese Frage eine Antwort zu geben.

Wer es versucht, maßt sich an zu wissen, was allein Gott weiß -

oder es sogar besser zu wissen als Gott.

Man darf - man muss sogar manchmal -

Gott dieses WARUM ins Gesicht schleudern.

Dann kann man die Erfahrung machen,

dass Gott den Schmerz, den Zorn aushält,

der ihm entgegen geschleudert wird.

Gott lässt uns nicht fallen, wenn wir auf ihn wütend sind,

wenn wir nach dem Warum fragen.

Gott teilt unsere Wut über die Ungerechtigkeit des Lebens und der Welt,

über die Gemeinheit und Bosheit unserer Mitmenschen.

Gott begegnet unserem Schmerz mit Mitgefühl,

unserem Zorn mit Liebe.

Und gibt trotzdem keine Antwort auf unsere Frage nach dem Warum.


Es gibt eine Grenze zwischen Gott und Mensch,

zwischen Schöpfer und Geschöpf.

Manchmal ist es kaum auszuhalten,

dass wir nur kleine Partikel im Strom des Lebens sind

und nicht Gebieter über das Leben.

Wenn Jesus sagt: „Du sollst Gott nicht versuchen”, ist das kein Trost.

Sondern ein Hinweis auf die Grenze,

die uns gezogen ist und die wir so gern überschreiten würden.

Wir wären manchmal gern mehr, als wir sind.

Wir würden manchmal gern Gott spielen.

Wir stellen Gott auf die Probe mit unserem Warum.

Aber Gott lässt sich nicht provozieren.

Gott hält uns stand.

Liebevoll, freundlich, aber unerbittlich

weist er uns unseren Platz im Leben:

als Geschöpfe, nicht als Schöpfer.


„Das will ich dir alles geben,

wenn du mich anbetest.”


Die dritte und größte Versuchung für den Glauben ist die Macht.

Auch Macht ist etwas Notwendiges und Alltägliches.

Sie ist überall, wir alle üben sie täglich über einander aus.

Dieser Gottesdienst zum Beispiel zwingt Sie dazu,

auf Ihrem Platz zu sitzen und mir zuzuhören.

Sie haben sich dem freiwillig unterworfen,

trotzdem ist es ein Zwang,

den der Ablauf des Gottesdienstes erfordert.

Sie ordnen sich dem Gottesdienst unter -

und ich tue es auch.

Auch ich bin gezwungen, der Liturgie zu folgen

und das zu tun, was Sie von mir als Pastor erwarten.


Neben dieser Macht, die unser Miteinander bestimmt,

gibt es die Macht, die jemand ergreift,

um über andere zu herrschen

und seinen oder ihren Willen durchzusetzen.

Es ist die Macht der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer,

die für Kinder Verantwortung übernehmen,

bis sie selbst entscheiden können.

Es ist die Macht der Ärztin, die eine Operation durchführt,

oder der Polizei, die Ordnung und Sicherheit gewährleistet.


Macht kann auch missbraucht werden.

Dazu missbraucht, sich über andere zu erheben,

sich an anderen zu bereichern,

sie auszunutzen oder zu quälen.

Diesem Machtmissbrauch steht der Glaube entgegen.

Der Glaube fragt nach Gottes Willen

und unterwirft sich damit Gottes Macht,

der uns nicht ausnutzen und nicht schaden will,

sondern Gutes für uns und alle Menschen im Sinn hat.

Darum antwortet Jesus:

„Du sollst Gott allein anbeten und dienen.”


In diesem Satz ist zusammengefasst, was Glauben bedeutet

und worin ein Leben im Glauben besteht:

Gott Herr sein lassen.

Wenn Sie jetzt denken: Nichts leichter als das!,

denken Sie bitte noch einmal nach.

Nichts ist schwerer, als sich fremder Macht zu unterwerfen.

Denn damit gibt man ja seine Freiheit auf.

Wir wissen noch, wie es als Kind war

und warum wir unbedingt erwachsen werden wollten.


Wenn wir Gott nicht nur „Vater” nennen,

sondern auch akzeptieren, dass wir seine Kinder sind

und Gott wie ein guter Vater, eine gute Mutter für uns ist,

dann bedeutet das:

wir sind als Erwachsene wieder Kinder geworden.

Gottes Kinder.

Der Theologe Friedrich Schleiermacher hat diese Einsicht

das „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit” genannt.

Dieses Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott,

das ist der Glaube.

In dieser schlechthinnigen Abhängigkeit liegt,

so wiedersinnig das klingt, uns´ere Freiheit begründet.

Denn Gott macht uns ja nicht zu Sklaven,

sondern befreit uns von allem,

was Macht über uns beansprucht.

Wir werden frei, selbst zu entscheiden;

wir sind frei, auch Nein zu sagen.


Versuchungen sind etwas Alltägliches.

Auch der Glaube lebt von Versuch und Irrtum.

Nie sind wir wirklich frei von Aberglauben.

Nie können wir uns darauf beschränken,

dass Gott Gott ist und wir „nur” Menschen sind.

Und nie können wir Gott wirklich Herr sein lassen.


Gott erwartet nichts anderes von uns.

Gott weiß ja, wie wir sind, und dass wir nicht anders können.

Seine Geduld mit uns speist sich aus seiner Liebe zu uns,

und die ist unergründlich und unerschöpflich.

Wenn wir diese Geduld Gottes erfahren, glauben wir.

Dann gelingt es uns, Gott Herr sein zu lassen.

Dann sind wir frei.

Sonntag, 4. Februar 2024

man weiß nicht wie

Predigt am 2.Sonntag der Passionszeit, Sexagesimae, über Markus 4,26-29

Liebe Schwestern und Brüder,


„wie war zu Köln es doch vordem

mit Heinzelmännchen so bequem!

Denn, war man faul, man legte sich

hin auf die Bank und pflegte sich:

Da kamen bei Nacht, ehe man’s gedacht,

die Männlein und schwärmten

und klappten und lärmten

und rupften und zupften

und hüpften und trabten

und putzten und schabten.

Und eh ein Faulpelz noch erwacht,

war all sein Tagewerk bereits gemacht!”


An die Heinzelmännchen erinnert das Gleichnis,

das Jesus im Evangelium erzählt.

Wie niemand diese hilfreichen Wesen je zu Gesicht bekam,

so geht es auch dem Sämann: „Er weiß nicht wie.”

Er weiß nicht, wie es vor sich geht,

dass der Same keimt und wächst.


So geht es uns heute auch noch.

Natürlich weiß man heute,

welche biochemischen Vorgänge dazu führen,

dass der Samen keimt und daraus eine Pflanze wächst.

Man weiß, wieviel Wärme, Feuchtigkeit und Nährstoffe

dazu nötig sind,

und wie der Code der DNA die Entwicklung

und das Wachstum der Pflanze steuert.

Doch auch wir staunen noch darüber,

dass aus einem Samen eine Sonnenblume wächst,

eine Mohrrübe, ein Radieschen oder eine große Fichte.


Es geschieht ohne unser Zutun, von selbst.

Wenn der Boden bereitet ist,

Feuchtigkeit und Temperatur stimmen,

dann wird aus dem Samenkorn von selbst eine Pflanze.

Doch damit ein Saatkorn so automatisch heranwächst,

müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Und die erfüllen sich nicht von selbst.

Es ist nicht so, wie es im Evangelium heißt,

dass man hingeht und aufs Geratewohl Samen auswirft,

und am Ende den Weizen ernten kann.

Schön wär’s!


Bevor man säen kann, muss der Boden bereitet sein.

Er muss tiefgründig gelockert und gut gedüngt sein.

Es darf nichts anderes darauf wachsen,

wenn die Weizenkörner eine Chance haben sollen.

Auch nach der Aussaat kann man nicht einfach

die Hände in den Schoß legen und schlafen,

wie es der Mensch im Gleichnis macht.

Was an Wildkräutern neben dem Weizen aufwächst,

muss gejätet werden, damit es das Getreide nicht erstickt.

Pilze, Schädlinge müssen bekämpft werden;

bei Trockenheit muss man für Wasser sorgen.

Und selbst die Ernte kann einem noch verhagelt werden.


Von nichts kommt nichts - das lehrt uns die Erfahrung.

Das Geschirr spült sich nicht von selbst,

die Wäsche wäscht, trocknet, bügelt sich nicht von allein.

Auch der Müll trägt sich nicht selbst hinaus.

Und wenn man darauf wartet,

dass vielleicht ein Familienmitglied sieht,

dass Wäsche aus der Maschine genommen

und aufgehängt werden müsste,

dass der Müll fast überquillt

und wirklich kein Teller mehr in die Spülmaschine geht,

wartet man oft vergebens.

Da sehnt man sich schon mal ein Heinzelmännchen herbei.


Manchmal scheint eines dagewesen zu sein.

Da hat jemand die Wäsche gebügelt.

Hat den Kühlschrank gefüllt,

die Wohnung aufgeräumt und gesaugt

oder die Hauswoche erledigt

und auch noch Blumen auf den Tisch gestellt.

Das sind sehr besondere Momente,

gerade weil man nicht damit gerechnet hat.

Sie machen oft mehr Freude als ein Blumenstrauß, Pralinen

oder ein Gutschein zu Muttertag.


Doch so viel Freude diese Erfahrungen auch machen -

die Regel sind sie leider nicht.


Oft hätte man es dann doch auch besser selbst gemacht:

Wenn jemand ein rotes T-Shirt mit der weißen,

oder den geliebten Wollpulli mit der Kochwäsche gewaschen hat.

Weil man viel mehr Geschirr in die Spülmaschine bekommt,

wenn man sie selbst einräumt,

und weil es dann auch wirklich sauber wird.

Weil niemand so gut, so gründlich, so schnell

putzt, bügelt, aufräumt,

einkauft, kocht oder spült wie man selbst.


Wie schade.

Denn es wäre ja auch denkbar,

dass man einfach zu schnell war für die anderen.

Sie hätten es auch gemacht - nur, da war schon alles fertig.


Es wäre auch denkbar,

dass man die anderen entmutigt,

wenn man wegen des eingelaufenen Pullis eine Szene macht

oder triumphierend vorführt,

wie viel mehr Geschirr in die Maschine passt,

wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt.


Es wäre auch denkbar, dass andere sich mehr beteiligen würden,

wenn sie es so tun dürften, wie sie es vermögen

und es nicht genauso machen müssten wie man selbst.


Damit etwas von selbst geschehen kann,

muss man es auch geschehen lassen.

Man kann alles für die Aussaat Nötige tun;

dass das Weizenkorn keimt und wächst,

kann man nicht erzwingen.

Man kann auch sein Wachstum nicht beschleunigen,

indem man am Halm zieht.


Man kann sich entscheiden, alles selbst zu machen -

oder andere machen lassen.

Dann aber muss man aushalten können,

dass sie es nicht dann tun, wann man will

und nicht so, wie man selbst es machen würde.


Jesus erzählt von der Saat,

die von selbst keimt, wächst und reift

und vom Menschen, der nicht weiß, wie es geschieht,

und meint damit das Reich Gottes.

Das Reich Gottes, von dem der Dichter Kurt Marti singt:


„Der Himmel, der ist,

ist nicht der Himmel, der kommt,

wenn einst Himmel und Erde vergehen.


Der Himmel, der kommt,

das ist der kommende Herr,

wenn die Herren der Erde gegangen.


Der Himmel, der kommt,

das ist die Welt ohne Leid,

wo Gewalttat und Elend besiegt sind.


Der Himmel, der kommt,

das ist die fröhliche Stadt

und der Gott mit dem Antlitz des Menschen.”


Es steht noch aus, das Reich Gottes,

es steht uns erst noch bevor.

Erst müssen Himmel und Erde vergehen,

müssen die Herren dieser Welt gegangen sein.

Wir werden es wohl nicht erleben.


Doch weil es uns sicher erwartet,

bildet das Reich Gottes den Maßstab,

an dem wir messen, was ist

und an dem wir erkennen, was nicht gut ist;

was nicht so ist, wie es sein sollte oder sein könnte.

Das Reich Gottes ermutigt uns dazu,

etwas zu verändern - uns zu ändern, wie Kurt Marti sagt:


„Der Himmel, der kommt,

grüßt schon die Erde, die ist,

wenn die Liebe das Leben verändert.”


Immer wieder haben Menschen,

die mit ihren Lebensumständen unzufrieden waren

oder mit dem Leiden anderer Mitgefühl hatten,

versucht, etwas zu verändern.

Manchmal geschah und geschieht es im Kleinen

durch Taten der Nächstenliebe,

durch Widerstand und Widerspruch,

durch einen Neuanfang, eine neue Idee.

Und manchmal gab es eine Revolution,

die ein ganzes Land umstürzte.


Man kann wohl sagen,

dass Veränderungen zum Leben dazugehören,

sogar das Leben ausmachen:

Wie man das Kopfkissen so lange zurechtrückt,

bis man bequem darauf liegen kann,

versuchen wir, uns das Leben zurechtzurücken,

bis wir damit zufrieden sind.

Und auch hier macht man die Erfahrung:

Von nichts kommt nichts.

Wenn man will, dass sich etwas ändert,

kann man nicht warten, dass es jemand anders tut:

Man muss schon selbst Hand anlegen.


So ist es mit dem Reich Gottes nicht.

Das Reich Gottes kommt ohne unser Zutun.

Wir können es nicht beschleunigen,

wir können es nicht herbeizwingen.

Von selbst wächst es heran, wir wissen nicht, wie.

Wir sehen nichts davon.

Das bedeutet aber nicht, dass es nicht nahe ist.

Vielleicht trennt nur eine Haut, dünn wie Papier,

Gottes Zukunft von unserer Gegenwart.

Eine Haut, die wir nicht zerreißen können,

hinter der wir aber schemenhaft ahnen,

was uns die Bibel verheißt.


Gottes Zukunft, sein Reich

der Gerechtigkeit und des Friedens

beeinflusst unsere Gegenwart und verändert sie.

Gott beeinflusst und verändert uns durch die Liebe:


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern annimmt,

macht uns fähig zu ertragen, dass andere anders sind:

anders handeln, anderes wichtig finden als man selbst.

Die Liebe lässt uns erkennen,

dass unser Maßstab nicht der einzige und allein richtige ist.

So, wie es andere tun, kann es auch gehen,

kann es auch richtig sein.


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern vergibt,

macht uns fähig, zu ertragen, wenn wir enttäuscht werden,

weil wir etwas von anderen erwarten,

was sie uns nicht geben können oder geben wollen.

Die Liebe vertraut, dass sie sich ändern können

und dass wir uns ändern können.

Sie gibt Gelegenheit zu Klärung oder Widerspruch,

um gemeinsam die Gegenwart zu gestalten.


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern ermächtigt,

macht uns fähig, nicht alles selbst machen,

nicht alles kontrollieren und in der Hand behalten zu müssen.

Die Liebe kann andere machen lassen.

Sie kann Gott machen lassen.

Sie hat Geduld zu warten,

bis etwas von selbst wächst und reift und Frucht bringt,

auch ohne Heinzelmännchen.