Freitag, 11. September 2020

Jäger des verlorenen Sünders

Predigt am 14. Sonntag nach Trinitatis, 13.9.2020, über Lukas 19,1-10:
 
Jesus ging in die Stadt Jericho hinein und durchwanderte sie.
Da ist ein Mann, der Zachäus hieß, ein Oberzöllner, und reich.
Der wünschte sich, Jesus zu sehen, wer er sei,
aber er konnte es nicht wegen der Menge, denn er war kleinwüchsig.
Da lief er voraus und erklomm eine Sykomore, um ihn zu sehen,
denn dort musste er vorbeikommen.
Als Jesus zu dem Ort kam, sah er hinauf und sprach zu ihm:
„Zachäus, steig schnell herab,
denn heute muss ich bei dir zu Gast sein!”
Da stieg er schleunigst herunter und nahm ihn mit Freuden auf.
Aber alle, die das sahen, wurden unwillig und sprachen:
„Bei einem sündigen Menschen ist er eingekehrt!”
Zachäus aber trat hin und sprach zum Herrn:
„Da ist die Hälfte von dem, was ich besitze, Herr.
Ich gebe sie den Armen.
Und wenn ich etwas von jemandem erpresst habe,
erstatte ich es vierfach zurück.”
Jesus aber sprach zu ihm:
„Heute ist diesem Haus Rettung zuteil geworden,
weil auch er ein Kind Abrahams ist.
Denn der Menschensohn ist gekommen,
das Verlorengegangene zu suchen und zu retten.”
 
 
Liebe Schwestern und Brüder,
 
hin und wieder kommt es vor,
dass man die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen muss.
Man benötigt z.B. ein wichtiges Dokument,
das man irgendwann irgendwo abgelegt hat -
wenn man nur wüsste, wo!
Oder man erinnert sich an eine Stelle in einem Buch -
dummerweise hat man vergessen, sie anzustreichen -,
und nun blättert man verzweifelt die Seiten durch.
 
Es gibt aber Leute, die finden auf Anhieb, was sie suchen.
Die haben nicht nur ein hervorragendes Gedächtnis,
ein durchdachtes Ablagesystem,
die haben auch Adleraugen.
Sie finden vierblättrige Kleeblätter, Münzen, Bernstein am Oststeestrand.
Sie würden auch eine Perle oder einen Schatz im Acker finden,
oder eben die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.
 
Jesus gehört zu dieser Art von Leuten.
Er ist ein Finder,
spezialisiert auf Verlorengegangenes.
Jesus ist, in Abwandlung eines Filmtitels,
Jäger des verlorenen Sünders -
nur, dass seine Jagd nicht so spannend und actiongeladen ist
wie die von Harrison Ford im Film.
Eigentlich überhaupt nicht spannend und actiongeladen.
Sünder gibt es schließlich wie Sand am Meer.
Selbst der Unbegabteste hätte keine Mühe,
einen Sünder, eine Sünderin zu finden.
Er müsste nur auf den Menschen neben sich zeigen.
Oder auf sich selbst.
Denn wir sind alle Sünder.
Das macht unser Menschsein aus:
Dass wir einander und dass wir Gott immer etwas schuldig bleiben.
Dass unser seelisches Konto nie ausgeglichen ist,
sondern wir immer auf Kredit leben -
Kredit in Form von Nachsicht, Verständnis,
Vergebung und Hilfe in jeder Weise.
 
Wenn es so lächerlich einfach ist, eine Sünderin, einen Sünder zu finden,
warum sollte Jesus dann zu den begabten Findern gehören,
die sogar eine Nadel im Heuhaufen entdecken?
Aus zweierlei Gründen:
 
Erstens macht es Zachäus Jesus nicht leicht, ihn zu finden.
Einen Menschen, der oben in einem Baum sitzt,
verborgen vom Laubwerk,
sieht man nicht so ohne weiteres -
besonders, wenn man nicht weiß, dass er da oben sitzt
und wenn man dabei noch in einer Volksmenge steht,
die einen ansieht, anlächelt, anstarrt und einen Blick erhaschen will,
sodass man eigentlich nirgendwo anders hinsehen kann.
 
Zweitens handelt es sich bei Zachäus um einen ganz besonderen Sünder.
Damit meine ich nicht die Schwere seiner Schuld.
Natürlich ist Erpressung ein schlimmes Verbrechen,
das jemanden zu einem besonders schweren Fall macht -
eher ein Fall für die Polizei als für den Beichtstuhl.
Doch ich möchte wetten,
dass in der Volksmenge, die Jesus umgibt,
einige waren, die Vergleichbares auf dem Kerbholz hatten.
 
Wenn es also nicht die Größe und Schwere der Schuld ist,
warum wendet sich Jesus dann Zachäus zu?
Die Reaktion der Menge gibt die Antwort:
„Bei einem sündigen Menschen ist er eingekehrt!”
 
Wir sind allzumal Sünder.
Das wussten auch die Zeitgenossen Jesu in Jericho,
oder hätten es wissen können,
wenn sie ein wenig in sich gegangen wären.
 
Aber wie das so ist:
Unter Sünderinnen und Sündern  
sind einige immer noch ein bisschen sündiger als die anderen.
Man hält es schwer aus,
dieses Wissen um die eigenen Fehler, das eigene Ungenügen.
Darum sucht man nach Sündenböcken,
die schlechter sind als man selbst,
damit man auf sie herabsehen
und sich selbst besser fühlen kann.
 
Solche „besonderen” Sünder werden aus der Gemeinde ausgegrenzt
oder sogar ausgeschlossen.
Darum wird Zachäus in dieser Geschichte auch als kleinwüchsig beschrieben:
Ein kleiner Mann, der durch seinen Reichtum ein Gernegroß sein möchte -
wie lächerlich, und wie peinlich!
Über so einen kann man sich lustig machen,
so einen kann man verachten.
 
Jetzt wissen wir, was Jesus an Zachäus gefunden
und warum er gerade ihn gefunden hat:
Jesus sucht Zachäus,
weil der die Gemeinde verloren hat,
und bietet ihm seine Gemeinschaft an.
 
Jesus, der Jäger des verlorenen Sünders,
findet auf Anhieb die, die ihren Platz in der Gemeinde verloren haben -
neben Zachäus und anderen Zöllnern
auch Prostituierte, Ehebrecherinnen und Ehebrecher,
Menschen von zweifelhaftem Ruf.
Ihnen, mit denen anständige Menschen nichts zu tun haben wollen
und vor denen man schon die Kinder warnt,
ihnen bietet Jesus seine Gemeinschaft an.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
Die Gemeinde, die wir im Glaubensbekenntnis „Gemeinschaft der Heiligen” nennen,
bestand - jedenfalls in ihren Anfängen bei Jesus - aus Menschen,
die alles andere als Heilige waren!
 
Jesus sammelt moralisch Verwerfliche,
vielleicht sogar verbrecherische Menschen um sich.
Und, das ist eigentlich noch schockierender,
er verurteilt sie nicht!
Er heißt allerdings auch nicht gut, was sie tun.
Einer Ehebrecherin sagt er:
„Sündige von nun an nicht mehr” (Johannes 8,11).
 
Bei Zachäus können wir beobachten,
was das mit diesen Menschen macht:
Sie ändern etwas.
Sie ändern sich.
Sie kehren um,
Zachäus z.B. wendet sich von einem Leben ab,
das auf Bereicherung ausgerichtet war.
 
Für diesen gewaltigen Schritt braucht es einen scheinbar nur winzigen Anstoß:
Das Angebot einer Gemeinschaft ohne Vorbedingungen.
Jesus sagt nicht: „Ich komme zu dir, wenn du dein Leben änderst
und deine Schuld begleichst.”
Sondern er sagt: „Heute muss ich bei dir zu Gast sein!”
Jesus bietet dem Sünder Zachäus seine Gemeinschaft an,
das ändert ihn,
das macht ihn fähig zur Gemeinschaft mit anderen.
 
Jesus gibt dem, mit dem die anderen nichts zu tun haben wollen,
Gelegenheit, es mit ihm zu tun zu bekommen -
und dabei zu erleben,
dass er nicht verachtet, gerichtet und verurteilt wird,
sondern angesehen als der, der er ist:
ein kleiner, einsamer Mann.
Und angesehen wird auf das, was er sein könnte:
ein großzügiger, gerechter Mensch.
Und unter dem liebevollen Blick,
durch die Annahme und das Verständnis Jesu
wird er zu dem Menschen,
der er die ganze Zeit hätte sein können.
 
Wir sind nicht Jesus.
Die Wenigsten von uns haben die Gabe,
Dinge auf Anhieb zu finden
oder gar Jäger*innen des verlorenen Sünders zu sein.
Aber wenn wir in uns gehen
und ehrlich zu uns sind,
dann haben viele von uns diesen liebevollen Blick Jesu schon auf sich gespürt.
Diese Einladung in seine Gemeinschaft
auch und gerade dann,
wenn andere einen vielleicht nicht dabei haben wollten.
 
Mit dieser Erfahrung können wir wissen und nachempfinden,
wie andere sich in einer solchen Lage fühlen.
Wie die sich fühlen, hinter deren Rücken man redet - auch wir reden.
Wie die sich fühlen, auf die man mit dem Finger zeigt - auch wir zeigen.
Wie die sich fühlen, die man nicht dabei haben möchte.
Vielleicht hilft uns dieses Einfühlen in andere,
etwas warmherziger, etwas herzlicher zu ihnen zu sein.
Etwas weniger selbstgerecht, und etwas weniger herablassend.
Vielleicht hilft es uns auch,
die Türen unseres Herzens,
die Türen unserer Kirche
und vielleicht sogar die Türen unseres Hauses
auch für sie zu öffnen.
 
Amen.

Samstag, 5. September 2020

Der Diakon, der macht das schon!

Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis, 6. September 2020, über Apostelgeschichte 6,1-7:
 
In jenen Tagen, als die Zahl der Jünger zugenommen hatte,
kam bei den Griechen in der jerusalemer Gemeinde  
Unmut auf gegen die Hebräer,
weil man ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersah.
Da riefen die zwölf Apostel die Menge der Jünger zusammen und sprachen:
Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen,
um für die Mahlzeiten zu sorgen.
Daher, liebe Geschwister, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um,
die einen guten Ruf haben, voller Geist und Weisheit sind.
Die werden wir zu diesem Dienst bestellen.
Wir aber werden uns dem Gebet und dem Dienst am Wort widmen.
Die Rede fand Anklang bei allen aus der Menge,
und sie wählten
Stephanus, einen Mann, erfüllt von Glauben und heiligem Geist,
Philippus und Prochorus,
Nikanor, Timon und Parmenas
und Nikolaus, den Konvertiten aus Antiochien.
Sie führten sie vor die Apostel
und nachdem sie gebetet hatten,
legten sie ihnen die Hände auf.
Und das Wort Gottes wuchs
und die Zahl der Jünger in Jerusalem nahm sehr zu.
Auch eine große Zahl an Priestern hing dem Glauben an.
 
 
Liebe Schwestern und Brüder,
 
„der Diakon, der macht das schon!” -
dieser Spruch beschreibt die Situation
so mancher Diakoninnen und Diakone,
Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen:
Sie sind oft Mädchen für Alles,
übernehmen hin und wieder auch Aufgaben,
zu denen andere keine Zeit
oder schlicht keine Lust haben.
 
„Der Diakon, der macht das schon!”.
Dieser Spruch hat seinen Ursprung im heuten Predigttext.
Nicht wortwörtlich, aber dem Sinn nach:
Die Apostel segnen sieben Diakone eine,
die ihnen abnehmen sollen,
was sie selbst nicht tun wollen, aber
„der Diakon, der macht das schon!”
 
Auf den ersten Blick mag es scheinen,
als wollten sich die Apostel vor einer ungeliebten Aufgabe drücken.
Man könnte es jedoch auch so sehen,
dass die Apostel das Problem nicht allein lösen wollen
und daher den Ball an die Gemeinde zurück spielen:
Die Gemeinde soll selbst Verantwortung übernehmen,
in diesem Fall für die gerechte Versorgung der Witwen.
Dazu müssen sich Menschen finden,
die dazu bereit und in der Lage sind,
sich des Problems anzunehmen:
Das Amt der Diakonin/ des Diakons wird erfunden.
Es ist das erste und damit älteste Amt der christlichen Gemeinde,
noch vor dem des Priesters und des Bischofs.
 
Mit diesem neuen Amt des Diakons wird eine Arbeitsteilung eingeführt:
Die Diakone kümmern sich um die Versorgung,
die Apostel um das Wort Gottes.
Aber was sagt das Wort Gottes?
„Schafft den Waisen Recht,
führt der Witwen Sache!”
, sagt es (Jesaja 1,17).
Wo man die Bibel auch aufschlägt,
überall springt einem die Aufforderung geradezu entgegen,
sich der Schwachen und der Fremden,
der Unterdrückten und der Rechtlosen anzunehmen
und für sie Partei zu ergreifen,
weil Gott sich an ihre Seite stellt.
 
Die Versorgung der Witwen ist also AUCH Dienst am Wort Gottes,
weil sie das Wort beim Wort nimmt
und zur Tat werden lässt.
Es gibt keine Rangfolge der Dienste,
kein Dienst in der Gemeinde ist wichtiger oder besser.
Jede und jeder bemüht sich an seinem und ihrem Ort und Aufgabenbereich,
dass das Wort zur Tat wird.
Damit ist es auch nicht Sache nur Einzelner,
sondern Sache der ganzen Gemeinde,
das Wort zur Tat werden zu lassen.
 
Die Witwen werden also von den Diakonen versorgt,
das Problem, und damit die Ursache für den Unmut der Griechen,
ist gelöst - oder?
Bei genauerem Hinsehen ist zwar die Versorgung sichergestellt,
das Problem aber besteht weiter:
Das Problem der Unterscheidung zwischen „denen” und „uns”,
zwischen Einheimischen und Zugezogenen,
zwischen denen, die sich schon lange und gut kennen,
und denen, die neu dazugekommen sind.
 
Aus dieser Unterscheidung wurde ein Unterschied,
als es um die Versorgung der Witwen ging:
Die Einheimischen wurden bedacht,
die Zugezogenen übergangen.
Für die Fremden fühlte sich niemand von den Einheimischen
zuständig oder verantwortlich.
Das machte die Fremden verständlicherweise unglücklich
und ungehalten. Sie murrten,
und dieses Murren konnte man bald nicht mehr ignorieren.
Man musste etwas tun - aber was?
 
Bemerkenswert ist, dass die Apostel nicht von oben herab entschieden.
Sie hätten es tun können.
Sie hatten die Vollmacht dazu gehabt.
Schließlich waren sie Weggefährten Jesu,
handelten in seinem Namen und in seinem Auftrag.
Aber sie tun es nicht,
sondern berufen eine Gemeindeversammlung ein.
Die Gemeinde soll sich mit dem Problem befassen,
das im Grunde IHR Problem ist.
Von den Aposteln kommt nur der Lösungsvorschlag, Diakone einzusetzen,
damit jemand aus der Gemeinde die Verantwortung übernimmt
und die Last der Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird.
 
Die Gemeinde geht auf diesen Vorschlag ein.
Sie wählt aus ihrer Mitte sieben Diakone.
Aber es ist auffällig,
dass alle Sieben griechische Namen tragen.
Da ist kein Einheimischer dabei.
Die Einheimischen haben sich zurückgehalten
und den Fremden die Lösung des Problems überlassen.
 
Lukas erzählt diese Lösung des Konfliktes,
die Einsetzung der sieben griechischen Diakone,
als Erfolgsgeschichte:
Nach ihrer Einsetzung wächst die Jerusalemer Gemeinde stark,
sogar Priester des Tempels schließen sich ihr an.
Wenn eine Gemeinde selbst Verantwortung übernimmt,
wenn Gemeindeglieder Initiative entwickeln
und nicht darauf warten, dass ein Amtsträger etwas tut,
wird die Gemeinde lebendig
und anziehend für andere -
sogar für andere Amtsträger wie die Priester.
Dann kann sie wachsen,
und die Gute Nachricht breitet sich aus
in Wort und Tat.
 
Aber trotz dieses glücklichen Ausgangs
ist es doch auch eine traurige Geschichte.
Das Problem der Versorgung der Witwen wurde zwar gelöst,
aber der Konflikt schwelt weiter,
weil es nicht gelang,
die Unterscheidung aufzuheben
zwischen Einheimischen und Fremden.
Der Unterschied besteht weiter:
Hier die Hebräer, da die Griechen.
 
Die Folge davon war,
dass sich parallel zur jüdischen Gemeinde
eine griechischsprachige Gemeinde entwickelte.
Nicht nur in Jerusalem,
sondern bald auch an anderen Orten.
Eine griechische Gemeinde,
die immer weniger mit der jüdischen gemein
und bald nichts mehr mit ihr zu tun hatte.
Schließlich kam es zum Bruch zwischen Christen und Juden -
mit den bekannten, schrecklichen Folgen.
 
Hätte die jerusalemer Gemeinde anders entscheiden,
hätte sie anders handeln sollen?
In der Gemeinde sind wir wie Geschwister in einer Familie.
Wir nennen uns Schwestern und Brüder,
und wir sind es auch,
weil Gott unser Vater ist
und Jesus unser Bruder wurde.
 
In der Gemeinde sind wir Geschwister.
Auch unter Geschwistern kommt es zum Streit,
man ist nicht immer einer Meinung.
Aber eines gibt es nicht,
trotz aller Unterschiede:
Keines der Geschwister ist liebenswerter, wichtiger, besser
oder weniger liebenswert, weniger wichtig, weniger gut als das andere.
 
Wenn aber doch ein Unterschied gemacht wird,
weil Mutter oder Vater ein Kind bevorzugen,
oder weil sich ein Geschwisterkind eine Sonderrolle herausnimmt,
gibt es Streit.
Manchmal geht der Streit so weit,
dass Geschwister nicht mehr miteinander reden,
sich nicht mehr kennen wollen.
 
Um das zu verhindern,
muss es Eltern und Geschwistern darum gehen,
KEINEN Unterschied zu machen,
die Gemeinschaft zu fördern und zu stärken.
Dazu muss man sich paradoxer Weise doch
Einzelnen mehr zuwenden als den anderen:
Damit Schwächere nicht übersehen werden und zu kurz kommen,
muss man ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken als den Stärkeren.
Auch das springt einen geradezu an,
wenn man die Bibel aufschlägt -
wenn zum Beispiel Jesus das Gleichnis vom verlorenen Schaf erzählt (Lukas 15),
oder wenn Paulus die Korinther bittet,
Rücksicht auf Schwächere zu nehmen (1.Korinther 8).
Bei diesen Geschichten wird auch deutlich,
dass Schwäche nicht nur körperliche Schwäche bedeutet.
Manchmal sind sogar die,
die ihre Meinung, ihre Position besonders lautstark vertreten,
die eigentlich Schwachen.
 
Wo es Starke und Schwache gibt, gibt es Unterschiede.
Wo Unterschiede gemacht werden, muss man fragen, warum,
BEVOR es zum Streit kommt.
Wenn der Streit da ist, genügt es nicht, ihn zu schlichten.
Man muss auch die Ursache des Streites ergünden und beseitigen.
 
„Der Diakon, der macht das schon!” -
wie gut, dass es Diakon*innen und Gemeindepädagog*innen gibt!
Wie gut auch, dass so viele in der Gemeinde
mit anpacken und Verantwortung übernehmen!
Aber die Verantwortung für die Gemeinde,
für die Gemeinschaft und die Geschwisterlichkeit,
die kann man nicht an Einzelne delegieren.
Jede und jeder muss diese Verantwortung übernehmen.
Damit eine Gemeinde tatsächlich eine Gemeinschaft wird,
in der alle gleich willkommen,
gleich viel wert und gleich wichtig - eben: Geschwister - sind,
muss jede und jeder ihren Beitrag leisten.
 
Der erste Schritt,
den jede und jeder dazu tun kann, ist,
keine Unterschiede mehr zu machen
und auch nicht mehr mitzumachen,
wenn andere Unterschiede machen wollen.
 
Und der zweite Schritt ist,
die eigenen Stärken und Gaben zu erkennen
und sich ihrer bewusst zu werden,
mit denen man sich in der Gemeinde einbringen
und mit denen man zugunsten Schwächerer
auch mal verzichten
und einen Schritt zurücktreten kann.
 
Amen.