Samstag, 30. Januar 2021

Ein Teil von Gottes Geschichte

Gedanken zum Predigttext für den letzten Sonntag nach Epiphanias, 31.1.2021, 2.Petrus 1,16-19


„Wir sind nicht kunstvoll angelegten Geschichten gefolgt,
als wir euch die Macht und die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus offenbarten.”
(2.Petrus 1,16)

Wir leben in Geschichten. Auch wenn wir uns zu alt für Märchen fühlen oder keine Romane mögen, weil darin alles erfunden ist, sind wir dennoch umgeben von Geschichten und erzählen sie uns ständig selbst, unsere Lebensgeschichte.
Denn unwillkürlich verknüpfen wir die Ereignisse, die wir erleben, mit unserem Leben. Wir beobachten ihren Einfluss auf uns, suchen nach Verbindungen, einem Sinn, einem roten Faden: Warum passiert das, warum gerade jetzt, warum ausgerechnet mir? Bei der Suche nach einer Erklärung für das Geschehene können Details bedeutsam werden, ein Datum, eine Zahl, ein Gegenstand. Bei dem Versuch, das Erlebte mit unserem jetzigen Leben in Verbindung zu bringen, schreiben wir Geschichte: Unsere Lebensgeschichte. Und bei dem Versuch, zu verstehen, warum geschehen ist, was geschehen ist, erzählen wir uns unsere Lebensgeschichte. Denn wir sehen unser Leben ja nicht als eine Abfolge von Zufällen, sondern möchten darin einen Plan, einen roten Faden, einen Sinn und ein Ziel erkennen.
Das Leben kann man auch deshalb nur als Geschichte erzählen, weil wir nicht von außen auf unser Leben schauen können. Wir sehen die Welt nun einmal mit unseren Augen, aus unserer ganz eigenen Perspektive. Sobald eine zweite Person ins Spiel kommt, kommt auch eine zweite Sichtweise ins Spiel.
Auch der Glaube wird in Form von Geschichten erzählt. Lebensgeschichten, Glaubensgeschichten.
In der Geschichte von der Verklärung Jesu, die an diesem Sonntag das Evangelium ist (Matthäus 17,1-9), sagt Gott über Jesus: „Das ist mein geliebter Sohn, den ich gern habe.” Mit diesem Satz bekennt sich Gott zu Jesus. Durch ihn wird Jesus zu dem, als den wir ihn kennen und bekennen. Mit diesem Satz wird Jesus Teil der Geschichte Gottes mit uns Menschen, mehr noch: Als Gottes Sohn wird er zum Mitautor dieser Geschichte. Durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung kommt zu der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, dem „Alten Testament”, ein weiterer Abschnitt dazu: das „Neue Testament”. In diesem neuen Abschnitt der Geschichte Gottes mit den Menschen spielen auch wir eine Rolle. Denn erst in der Beziehung zu Jesus entfaltet sich unsere Lebens- und Glaubensgeschichte. Seine Auferstehung ist das Ereignis, das unserem Leben eine Zukunft und einen Sinn gibt, weil wir durch unsere Verbindung zu Jesus daran Anteil bekommen. Mit unserer Lebens- und Glaubensgeschichte sind wir ein Teil der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wir sind Gottes Kinder. Und damit gilt auch uns:

„Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn.
Ich habe dich gern.”

Samstag, 23. Januar 2021

Aus Liebe

 Gedanken zum Predigttext für den 3. Sonntag nach Epiphanias, 24.1.2021, Rut 1,1-19a

„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.”

Dieses Versprechen, das Rut ihrer Schwiegermutter gibt, ist der wohl beliebteste und bekannteste aller Trausprüche. Kein Wunder, denn was ist eine Ehe, wenn nicht das Versprechen, ein Leben lang beieinander zu bleiben und alle Wege gemeinsam zu gehen. Nicht unbedingt die Wege zum Bäcker, zur Arbeit oder zur Ärztin, sondern den Lebensweg.

Der Lebensweg - das klingt so geradlinig und überschaubar. Man hat ein Ziel vor Augen, wenn man sich auf den Weg macht, und weiß meistens, was einen unterwegs erwarten wird. Doch ein Lebensweg verläuft selten gerade, sondern in vielen Kurven, manchmal auch Umwegen. Wir sehen immer nur ein kurzes Stück voraus, und ob wir das Ziel, das wir uns stecken, wirklich erreichen, wissen wir nicht. Corona hat uns schmerzhaft bewusst werden lassen, wie leicht unsere Pläne durchkreuzt, Wege versperrt werden können, sodass das Ziel in weite Ferne rückt.

Als Rut ihrer Schwiegermutter dieses Versprechen gibt, sind ihre Pläne durch einen Schicksalsschlag durchkreuzt, ihr bisheriger Lebensweg versperrt worden. Ihr Mann ist gestorben, und ihre Schwiegermutter, die als Fremde im Land lebt und nun außer ihren beiden Schwiegertöchtern keine Angehörigen mehr hat, möchte in ihre alte Heimat zurückkehren. Wie soll Ruts Weg nun weitergehen? Ihre Schwägerin hat sich entschieden, zu ihrer Familie zurückzukehren. Das könnte Rut auch tun. Aber sie folgt ihrer Schwiegermutter in ein fremdes Land. Warum tut sie das? Doch wohl aus Liebe - deshalb sind ihre Worte ein so beliebter Trauspruch geworden. Sie lässt sich von der Liebe leiten, lässt die Liebe über ihr Leben bestimmen.

Auch wir stehen immer wieder einmal wie Rut vor Entscheidungen, die wir treffen müssen, weil unser Lebensweg von jemandem oder von etwas durchkreuzt wurde. Nur selten sind es so tiefgreifende, das Leben verändernde Entscheidungen, wie Rut sie trifft. Meistens ist das, was, oder die Person, die uns in die Quere kommt, nur eine kurze Störung unseres Weges - jemand möchte, dass wir ihr etwas vom Einkaufen mitbringen, oder etwas für ihn erledigen. Wir halten jemandem die Tür auf, geben eine Auskunft oder wechseln einen Geldschein. Manchmal werden wir auch stärker in Anspruch genommen: Wenn uns jemand um Hilfe bittet, wenn wir uns Zeit nehmen für einen anderen Menschen. Meistens tun wir das gern. Aber manchmal durchkreuzt es auch unsere Pläne, kommt ungelegen. Hin und wieder erleben auch wir einen so tiefen Einschnitt in unser Leben, wie Rut ihn durchmacht. Das passiert immer dann, wenn wir für das Leben eines anderen Menschen Verantwortung übernehmen. Wenn wir uns verlieben. Wenn wir Mutter oder Vater werden. Wenn wir einen Menschen pflegen oder in seinem Sterben begleiten. Die Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen, trifft man selten nach reiflicher Überlegung, und oft weiß man nicht, worauf man sich da eingelassen hat. Man entscheidet „aus dem Bauch heraus”. Aus Liebe.

Die Liebe ist ein Geschenk und eine Kraft Gottes. Jesus hat aus dieser Liebe gelebt, und er ist gestorben, um die Macht der Liebe über Hass, Gewalt und sogar den Tod zu erweisen. Sein Heiliger Geist weckt in uns die Fähigkeit, zu lieben. Der Heilige Geist verführt uns dazu, auf unser Herz zu hören und uns von der Liebe leiten zu lassen. Manchmal führt das dazu, dass wir den geplanten Weg unseres Lebens verlassen, eine Kurve oder sogar einen Umweg gehen. Aber wir werden dabei so beschenkt, dass wir am Ende reicher sind, als wir es waren, als wir aufbrachen. 

So ergeht es auch Rut. Nachdem sie anfangs für ihre Schwiegermutter und sich die liegengebliebenen Ähren vom Acker aufsammeln muss, um überhaupt etwas zu Essen zu haben, verliebt sich bald Boas in sie, ein Verwandter ihrer Schwiegermutter. Er heiratet sie, und Rut wird die Urgroßmutter von König David.

Samstag, 16. Januar 2021

von der Mutter lernen

Gedanken zum Predigttext für den 2. Sonntag nach Epiphanias, 17.1.2021, Johannes 2,1-11

„Als der Wein ausging, spricht Maria, seine Mutter, zu Jesus: Sie haben keinen Wein mehr.”

Ein typischer Mutter-Satz, der das Offensichtliche feststellt und damit, ohne es auszusprechen, einen Auftrag verbindet. Eine Mutter sagt nicht: Bring doch bitte mal den Müll raus! Sie sagt: Der Mülleimer quillt schon wieder über. Sie sagt nicht: Räum bitte dein Zimmer auf!, sondern: Hier sieht's aus wie in einem Schweinestall. Oder sie sagt eben: Sie haben keinen Wein mehr, meint aber: Kümmere dich um den Wein.

Warum machen Mütter so etwas? Warum können sie nicht gerade heraus sagen, was sie von einem wollen? Wenn ich eine Vermutung anstellen sollte, würde ich sagen: Sie tun es, damit wir lernen, Verantwortung zu übernehmen. Das können Mütter nämlich von Natur aus, spätestens mit der Geburt ihres Kindes. Als würde ein Schalter umgelegt, übernehmen sie Verantwortung für dieses Menschenkind und fühlen sich auch dann noch verantwortlich, wenn aus dem Kind eine Frau oder ein Mann geworden ist. Zu diesem Verantwortungsgefühl gehört, zu sehen, was getan werden muss, und das Nötige zu tun.

Es kann Mütter zur Verzweiflung treiben, dass ihre Töchter und Söhne nicht sehen, wie schmutzig der Fußboden und wie voll die Spülmaschine ist, dass die Wäsche zusammengelegt oder das Waschbecken geputzt werden muss. Weil wir Töchter und Söhne es nicht von selbst bemerken, bringen unsere Mütter uns bei, hinzusehen, indem sie uns auf das Offensichtliche hinweisen: Die Milch ist alle. Der Papierkorb ist voll. Oder: Sie haben keinen Wein mehr.

Jesus reagiert auf diesen Hinweis seiner Mutter wie alle Söhne und Töchter, die genau wissen, was ihre Mutter meint und vor allem, wen sie meint: Er wird patzig. Aber er tut, worum ihn seine Mutter bittet: Er übernimmt die Verantwortung dafür, dass die Hochzeitsfeier weitergehen kann. Und schießt dabei sogar über das Ziel hinaus: Der Wein, den er beschafft, ist viel besser.

Das Übernehmen von Verantwortung wird sein Markenzeichen werden. Er übernimmt Verantwortung für Kranke, indem er sie heilt, und für Menschen am Rand der Gesellschaft, indem er sich ihnen zuwendet. Bei seiner Verhaftung sorgt er dafür, dass seinen Jüngern nichts geschieht: „Sucht ihr mich, so lasst diese gehen”, sagt er (Johannes 18,8). und mit seinem Tod am Kreuz übernimmt er die Verantwortung für uns alle. Er nimmt unser Versagen, unser Nichtstun, unsere Schuld auf sich, damit sie uns und unser Verhältnis zu anderen nicht mehr belasten. Wir werden frei von Schuld. Wir werden von Jesus davon befreit, ständig um uns selbst zu kreisen, weil wir uns Sorgen machen um unser Ansehen, unser Auskommen, unseren Ruf. Jesus übernimmt für uns die Verantwortung. Wie es unsere Mütter für uns taten, gibt er uns damit ein Fundament, auf dem man stehen und aufbauen kann: So viel Liebe, dass sie ein Leben lang reicht. Und das Zutrauen, dass wir es schaffen können. Verantwortung ist uns zumutbar. So können wir von uns selbst absehen und hinsehen. Sehen, was getan werden muss, und das Nötige tun. Verantwortung übernehmen. Verantwortung für die Menschen, die wir lieben. Verantwortung für Menschen, die oft und gern übersehen werden. Verantwortung für das Wohlergehen dieser Erde und derer, die darauf leben.

Samstag, 9. Januar 2021

einzigartig

Gedanken zum Predigttext am 1.Sonntag nach Epiphanias, 10.1.2020, über Römer 12,1-8:

Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.

Jeder Mensch ist einzigartig. Das klingt sehr schön, sehr ermutigend. Doch wenn alle Menschen einzigartig sind, ist es nichts Besonderes mehr. Wenn jede*r einzigartig ist, ist es im Grunde niemand.
Was macht einen Menschen einzigartig? Das Aussehen. Kein Mensch sieht aus wie der andere. Selbst eineiige Zwillinge unterscheiden sich voneinander. Jeder sieht anders aus als die oder der andere. Damit ist das Aussehen aber nichts wirklich Besonderes, es macht uns nicht einzigartig.
Dass man geliebt wird, macht einen Menschen einzigartig. Unter all den Menschen auf dieser Welt hat sich jemand ausgerechnet in mich verliebt, findet jemand ausgerechnet mich schön und besonders und liebenswert. Das macht mich wirklich einzigartig! Doch wir müssen im Leben leider auch die Erfahrung machen, dass eine Liebe endet oder abhanden kommt. Was wird dann aus meiner Einzigartigkeit? Und wie ist es mit denen, die noch keine Liebe gefunden, oder die einen geliebten Menschen verloren haben? Sind sie nicht auch jemand Besonderes? Die Liebe macht uns einzigartig. Aber sie ist nicht der Grund dafür, dass jede*r ein besonderer Mensch ist.
Paulus schreibt: „Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.” Unsere Gaben machen uns einzigartig. Eine kann wunderbar malen, ein anderer hat eine schöne Singstimme, eine dritte spielt ein Instrument … Wenn man’s recht bedenkt, besitzen auch andere solche Gaben. Wie leicht findet sich jemand, die besser malt, schöner singt oder ihr Instrument besser beherrscht als ich. Ich wüsste von keiner Gabe, die wirklich einzigartig ist. Ich kann nichts, was nicht auch andere tun. Nur Genies und außerordentliche Talente können tun, was niemand anderes kann. Wenn das so ist, wäre nicht jede*r einzigartig, sondern nur sehr, sehr wenige.
Paulus meint jedoch mit den „Gaben” nicht das, was wir gemeinhin unter einer „Begabung” verstehen. Gaben sind für Paulus Tätigkeiten, die wir nicht so ohne weiteres als „Gabe” bezeichnen würden, wie die Fähigkeit zu predigen, die Arbeit in einer diakonischen Einrichtung, die Betreuung von Kindern oder der Konfirmandenunterricht, Seelsorge, Gemeindeleitung, Küsterdienst, Krankenpflege … Alles Dinge, die sich in einer Gemeinde finden, die für eine Gemeinde wichtig und unentbehrlich sind. Sehr gewöhnliche, alltägliche Fähigkeiten, die weit verbreitet sind. Jede*r von uns könnte etwas davon tun, tut es, oder hat es schon einmal getan. Wie können wir durch sie zu besonderen, einzigartigen Menschen werden?
Die Antwort liegt darin, was diese Gaben miteinander verbindet: Es ist die Verkündigung. Bei Predigt oder Unterricht leuchtet das sofort ein. Aber sind Krankenpflege oder Küsterdienst Verkündigung? Wir verkündigen, erzählen von Gott nicht nur mit Worten. Im Grunde machen Worte den geringsten Teil unserer Verkündigung aus. Wer Gott ist, was Gott uns bedeutet, davon erzählen wir mit unserem Leben. Gottes Liebesbotschaft, wie die Jahreslosung „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist” (Lukas 6,36), die erfahren Menschen nicht so sehr durch Worte, sondern durch die Art, wie wir ihnen begegnen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten. Und genau das macht jede*r auf ihre und seine ganz eigene und unverwechselbare Weise. Darum muss man die Liste des Paulus auch noch verlängern: Das Musizieren zum Beispiel ist nicht nur eine Begabung, sondern auch eine Gabe der Verkündigung, die ohne Worte die Herzen erreicht. Gott hat jede und jeden von uns mit einer Gabe beschenkt. Einer Gabe, die nicht für uns selbst bestimmt ist, sondern dafür, anderen damit von Gott zu erzählen. Wie wir aus dieser Gabe Gottes leben, und wie wir Gottes Gabe an andere weitergeben: Das macht uns einzigartig, besonders und unverwechselbar. 

Freitag, 1. Januar 2021

In der Kirche zuhause

 Gedanken zum 2.Sonntag nach dem Christfest, 3.1.2021, über Lukas 2,41-52


Jesus sprach zu seinen Eltern: Warum habt ihr mich gesucht? 

Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?


In einer Kirche fühle ich mich zuhause. Und das nicht, weil ich Pastor bin. Schon als Kind habe ich mich im Kirchengebäude wohl gefühlt, war die Kirche eine Seelenheimat für mich. Und ich habe von vielen Menschen gehört, denen es ähnlich geht. Menschen, die am Urlaubsort gern eine Kirche aufsuchen. Menschen, die nicht an einer Kirchentür vorbeigehen können, ohne zu prüfen, ob sie vielleicht offen ist. Menschen, für die eine Kirche ins Dorf und ins Zentrum der Stadt gehört, die sich ihren Heimatort nicht ohne Kirche vorstellen können und wollen.

Die Kirche ist das „Haus Gottes“, sagt man. Und wenn wir auch wissen, dass Gott nicht in einer Kirche wohnt, so fühlt man sich doch Gott dort ganz besonders nahe. Nicht, weil die Kirche „heilig“ ist. Die Kirche ist dieser besondere Ort, weil ihn über Generationen hinweg Menschen aufgesucht haben, um dort Gott zu begegnen und Gottesdienst zu feiern. An dem die Gebete und Lieder nachhallen, die Generationen vor uns darin gesungen und gesprochen haben. Und sie ist es, weil sie von unseren Vorfahren genau dafür gebaut wurde. Sie ist, wie eine Geige oder ein Klavier, ein Instrument für den Glauben, das wir zum Klingen bringen, wenn wir darin Gottesdienst feiern.

Jesus hat uns gezeigt, dass wir Gott „Vater“ nennen können, weil wir Gottes Kinder sind. Wir haben leibliche Eltern, und auch Gott ist für uns Vater und Mutter. Das Haus Gottes ist wie ein Elternhaus für uns. Für uns Kinder Gottes ist die Kirche ein zweites Zuhause. Sie ist unsere Seelenheimat. Ein Ort, an dem wir jederzeit willkommen sind. Ein Ort, der uns so selbstverständlich offen und zur Verfügung steht wie unser Elternhaus. Auch wenn wir in der Kirche kein eigenes Zimmer, nicht einmal einen eigenen Platz haben. Denn die Kirche bietet allen Menschen Platz, grenzt niemanden aus. Darum mag es vielleicht Stammplätze geben, aber niemand kann einen Platz für sich allein beanspruchen.

Man kann Gott auch anderswo begegnen als in der Kirche. Wo zwei oder drei in Jesu Namen zusammenkommen, da ist Gottesdienst - ob in einem Wohnzimmer, in einer Scheune oder unter freiem Himmel. Aber die Kirche ist der Ort, der eigens dafür geschaffen wurde, öffentliche, das heißt: für alle zugängliche Gottesdienste zu feiern.

Zur Zeit können wir in der Kirche nicht so zusammenkommen, wie wir es gewohnt sind. Und, so schmerzhaft es auch ist: Es zeigt uns, dass uns die Begegnung mit Gott wichtig ist, und wie sehr wir die Gemeinde vermissen und diesen Ort, der unsere Seelenheimat ist.

Für uns Christinnen und Christen ist die Kirche im Ort die Mitte, die uns immer bewusst ist. Wir sehen sie. Wir wissen, wo sie steht. Die Kirche richtet uns auf Gott aus, einfach, weil sie da ist. Vielen Menschen ist das Kirchengebäude auf diese Weise gegenwärtig - Menschen, denen wir sonntags im Gottesdienst begegnen. Darum sind wir mit ihnen verbunden, auch wenn wir sie an diesem Sonntag nicht treffen können. Wie die Speichen sich in der Nabe treffen, so laufen unsere Gedanken am Ort der Kirche zusammen, und so sind wir in Gedanken, und vielleicht auch im Gebet, untereinander und mit Gott verbunden, auch wenn wir uns im Moment nicht begegnen können.


Ihr

Pastor Güntzel Schmidt