Freitag, 27. April 2012

Wie neu geboren


Predigt am 3.Sonntag nach Ostern, Jubilate, 29. April 2012, über 2.Korinther 4,16-18:

Darum sind wir nicht mutlos,
sondern wenn auch unser Äußeres zugrundegeht,
wird doch unser Innerstes Tag für Tag erneuert.
Die gegenwärtige leichte Belastung durch unsere Leiden und Nöte
bewirkt nämlich für uns,
die wir uns nicht auf das Sichtbare,
sondern auf das Unsichtbare ausrichten, 
eine überwältigende, ewige Fülle der Herrlichkeit.
Denn das Sichtbare vergeht,
das Unsichtbare aber bleibt ewig.
(Eigene Übersetzung)

Liebe Gemeinde,

Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich "Euer Gnaden".

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.

(Joachim Ringelnatz) [1]
I
Wann sind Sie das letzte Mal so knallvergnügt erwacht?
Wann haben Sie sich vor Freude und Tatendurst die Hüften geklatscht,
ohne bei "Hüfte" gleich an Speckröllchen und "Hüftgold" zu denken?
Wann haben Sie zuletzt ungeheuren Appetit nach Leben verspürt?

Wer am Morgen so gut gelaunt ist wie Joachim Ringelnatz,
der dieses Gedicht geschrieben hat,
macht sich unbeliebt.
Besonders an einem Montagmorgen -
der kommende Montag bildet als "Rolltag"
da allerdings eine Ausnahme.

Zum guten Morgen-Ton gehört eine miesepetrige Stimmung,
weil man früh aufstehen und zur Arbeit muss;
gehört das Schimpfen über den Berufsverkehr
oder den überfüllten Bus,
das Lästern über Chef und Kollegin,
die man gleich wieder einen halben Tag lang ertragen muss.

Zum guten Morgen-Ton gehört für Kinder und Jugendliche
die Unlust auf die Schule,
für Senioren das Jammern über Schlaflosigkeit in der Nacht,
über Schmerzen und Beschwerden beim Aufstehen.
Niemand aber würde es wagen,
von seiner guten Morgenlaune zu erzählen -
man würde es sich mit allen verderben
oder als weltfremder Spinner dastehen.

Aber - Hand auf's Herz:
Eigentlich spricht Ringelnatz mit seinem Gedicht
einen Wunschtraum aus, den viele teilen können:
Dass man den Morgen nicht fürchten muss,
weil man schon vorher weiß, was er an Beschwerden, Ärger,
Langeweile oder Belastungen bringt,
sondern den neuen Tag fröhlich begrüßen kann.
Dass man gut gelaunt und hüftenklatschend aus dem Bett springt
und sich ungeduldig darauf freut,
was dieser Tag an Überraschungen parat hält.
Kinder erleben das manchmal am Wochenende,
oder in den großen Ferien.
Aber für Erwachsene hat diese Erfahrung Seltenheitswert.
Manche machen sie noch, wenn sie frisch verliebt sind,
am Geburtstag, oder beim Aufbruch zum lang ersehnten Urlaub.
Die meisten aber erleben das Aufstehen als ein Muss,
als einen Zwang oder eine Qual,
und selbst wenn sie sich doch ein bisschen darüber freuen,
würden sie das niemals zugeben.

II
Warum fällt es so schwer, knallvergnügt zu erwachen
und sich hüftenklatschend in den neuen Tag zu werfen?
Was lähmt uns, was zieht uns so herunter,
dass wir bleischwer und missmutig den Tag in Angriff nehmen
wie eine quälende, ungeliebte Arbeit, der man nicht entgehen,
eine lästige Pflicht, der man sich nicht entziehen kann?

Es wird wohl die Erfahrung zu vieler bleierner Tage sein,
die man im Laufe des Lebens angesammelt hat.
Es wird das berufliche Einerlei sein,
das einem wenig Abwechslung bietet:
wenig Erfüllung durch die Arbeit,
fehlende Anerkennung durch Vorgesetzte oder Kollegen,
keine Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten.
Es werden die Sorgen und Probleme,
die Schmerzen und Schwierigkeiten sein,
die sich pünktlich mit dem Aufwachen wieder zurückmelden,
nachdem der Schlaf sie für ein paar Stunden ausgeblendet hatte.

Es wird die Last und Verantwortung dieses neuen Tages sein,
der wieder nur ein Alltag ist,
die man nicht los wird, die einem niemand abnimmt,
sondern die man wieder selber schultern muss,
um sie auch durch diesen Tag zu schleppen
wie Sysiphos, ohne irgendwo anzukommen,
ohne Aussicht, die Last der Verantwortung
irgendwann absetzen und los werden zu können.

Dieses Wissen, das man schon beim Aufwachen hat,
dass jeder neue Tag doch wieder nur ein gebrauchter ist, ein Alltag,
das nimmt einem die Freude am Aufstehen,
das lässt einen neidisch und missmutig auf all jene schauen,
die pfeifend oder summend, mit einem Strahlen im Gesicht
ihren Tag beginnen.
Warum können wir das nicht?

III
"Darum sind wir nicht mutlos,
sondern wenn auch unser Äußeres zugrundegeht,
wird doch unser Innerstes Tag für Tag erneuert",
schreibt Paulus.
Er kennt das Geheimnis innerer Erneuerung.
Er weiß, wie man jeden neuen Tag als Geschenk erlebt,
auf das man sich knallvergnügt freuen,
dem man hüftenklatschend entgegenfiebern kann.

Wenn es einem wirklich mal gut geht,
dann sagt man manchmal,
man fühle sich "wie neu geboren".
So muss man sich wahrscheinlich die innere Erneuerung vorstellen,
von der Paulus spricht.
Dieses Gefühl setzt uns auf die Spur,
die Paulus für uns gelegt hat: auf die Spur der Auferstehung.
Paulus macht das an anderer Stelle deutlich,
im 6. Kapitel des Römerbriefes.
Da spricht er davon,
dass die Taufe uns mit dem Tod Jesu am Kreuz verbindet.
Früher, als man bei der Taufe noch ganz untergetaucht wurde,
ist das deutlicher zu spüren gewesen als heute,
wo die Täuflinge nur noch mit Wasser berührt werden:
Das Untertauchen ist ein symbolisches Ertrinken.
Der Mensch, wie er war, stirbt
und ein neuer Mensch steht aus dem Taufbecken auf.
Paulus sagt das so:
"Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Jesus Christus getauft sind,
die sind in seinen Tod getauft?
So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod,
damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten,
auch wir in einem neuen Leben wandeln sollen."

Die Auferstehung Jesu, die wir an Ostern gefeiert haben,
ist kein Märchen aus alten Zeiten.
Sie hat mit uns und mit unserem Leben hier und heute zu tun.
Deshalb feiern wir Sonntag für Sonntag Gottesdienst:
Sonntag ist der Tag der Auferstehung,
jede Woche erinnern wir uns daran.

IV
Wie kann die Auferstehung Jesu
etwas mit unserem Leben zu tun haben?
Auferstehung - die geschieht, wenn überhaupt,
nach dem Tod; sie ist eine Hoffnung, die wir haben,
dass mit dem Tod nicht alles aus ist, mehr nicht.
Mit unserem Alltag hat das nichts zu tun.
Und schon gar nicht hat sie die Kraft,
uns ein vergnügtes Erwachen zu bescheren.

Paulus ist da anderer Meinung, wenn er schreibt:
"Die gegenwärtige leichte Belastung durch unsere Leiden und Nöte
bewirkt nämlich für uns,
die wir uns nicht auf das Sichtbare,
sondern auf das Unsichtbare ausrichten, 
eine überwältigende, ewige Fülle der Herrlichkeit."

Auch Paulus kennt Leiden und Nöte.
Aber sie belasten ihn nur leicht.
Nicht, weil er sie nicht ernst nähme
oder ihm bisher nichts Schlimmes zugestoßen wäre -
das Gegenteil ist der Fall.
Sondern weil er etwas anderes hat,
das ihn so erfüllt, das so viel Gewicht hat,
dass Leiden und Nöte dagegen tatsächlich nicht ins Gewicht fallen.

Wir kennen das.
Was nimmt eine schwangere Frau auf sich
mit den anstrengenden Wochen und Monaten der Schwangerschaft,
mit den Schmerzen der Geburt.
Die Aussicht auf das Kind, das überwältigende Glück, wenn es da ist,
lassen alle Schmerzen vergessen.
Wie neu geboren ...
Und trotzdem sind die Belastungen durch die Schwangerschaft da,
trotzdem sind die Schmerzen da.
Und sie sind sehr real; eine Frau muss sie aushalten.
Durch die Aussicht auf das Kind werden die Schmerzen
zwar nicht erträglich, aber tragbar.
Das erwartete Kind hat mehr Gewicht
als die Last der Schwangerschaft und der Geburt.

V
So ist es mit der Auferstehung.
Und zwar nicht die Auferstehung am Ende der Zeiten,
die Auferstehung der Toten.
Sondern die Auferstehung aus der Taufe,
die uns mit Jesus verbindet
und die wir Sonntag für Sonntag feiern.
Die tägliche Auferstehung.
Jeden Tag werden wir neu - nicht äußerlich, da altern wir,
aber innerlich.
Wir werden neu geboren,
weil das neue Leben der Auferstehung
mit der Auferstehung Jesu schon angebrochen ist.
Für uns ist es nur eine Möglichkeit, aber eine sehr reale.
Wir wissen schon jetzt, wer wir einmal sein werden.
Wir wissen schon jetzt, dass unser Leben gut geht.
Dass wir es geschafft haben werden
und dass nichts schief gehen kann - egal, was kommt.
Die Auferstehung wartet auf uns;
sie ist mit Jesu Auferstehung schon Wirklichkeit
und steht als große, offene Tür am Ende unseres Lebens.
Wir werden nicht in ein schwarzes Loch fallen,
sondern in ein unbeschreibliches Licht gehen.
Dieses Licht überstrahlt alle Dunkelheiten.
Natürlich werden wir weiterhin Fehler machen.
Natürlich werden wir weiterhin leiden,
Angst empfinden und Schmerz und Trauer.
Aber das alles wird unserem Leben nichts anhaben können,
all das wird uns und unser Leben nicht zerstören. [2]

Unser Leben hat ein Happy End.
Und jeder Tag unseres Lebens hat ein Happy End.
An jedem Morgen erleben wir die Auferstehung beim Aufstehen,
weil wir das, was gestern war, hinter uns lassen können
und es an diesem Morgen neu und anders versuchen können.
Wir können und dürfen heute andere Menschen sein,
als wir gestern waren,
können und dürfen anders von uns und anderen denken,
uns und andere mit neuen Augen sehen.
Wir können, dürfen und sollen uns wie neu geboren fühlen.
So wird jeder neue Tag zum Sonntag,
zu einem Tag, der Schönes, Erlebnisse,
Abenteuer und Freude für uns bereit hält,
auch wenn es kein Geburtstag und Urlaubstag,
sondern nur ein Alltag ist.

Wir lassen uns keine gebrauchten Tage mehr andrehen! [3]
Wir fühlen uns wie neu geboren,
jeden Tag steigt unser Appetit
aufs Leben.
Amen.

____________
Anmerkungen:

[1] Joachim Ringelnatz, Und auf einmal steht es neben dir. Gesammelte Gedichte, Berlin 1950, S. 405.
[2] Die Idee für die Predigt verdanke ich dem Kommentar von Rudolf Bultmann zur Stelle, in:
Rudolf Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, KEK Sonderband, Göttingen 1976, 112ff.
Besonders: Das Leben "i s t  also nur im Prozeß, im Werden - wenn dieses nicht fälschlich als 'Entwicklung' nach Analogie des pflanzlich-animalischen Lebens verstanden wird. Nämlich nicht als ein stetes Weiterkommen auf Grund des schon Erreichten, sondern aus dem stets unsichtbar Zukünftigen. ... Es ist das Stets-Neuwerden im Bestehen der Begegnungen des Schicksals, das diesen Voraus-Sein ... vermöge der Kraft, sie zu verstehen ..." (a.a.O., S. 128).
[3] Die Redewendung "einen gebrauchten Tag angedreht bekommen" stammt von Ulla Meinecke, aus ihrem Lied "Beiß rein". Der Refrain des Liedes lautet:
"ein neuer Tag, 'ne Chance wie ein neues Schulheft 
auf dem nur ihr Name draufsteht 
- doch wenn sie abends sauer in ihr Bett geht, denkt sie 
'ausgerechnet mir haben sie wieder'n gebrauchten Tag angedreht' "

Sonntag, 15. April 2012

Désinvolture - Konfirmationspredigt


Predigt zur Konfirmation am Sonntag Quasimodogeniti, 15. April 2012 in der Klosterkirche Riddagshausen über Matthäus 12,1–8.

Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden,

I
Ihr habt schon viele Geschenke bekommen und bekommt heute noch mehr, auf die Ihr Euch wahrscheinlich schon freut. Ich möchte Euch heute auch etwas schenken. Ich habe aber kein Päckchen dabei und leider auch keinen Briefumschlag, sondern nur diese Zettel hier. Was ich Euch schenken möchte, ist deshalb ein Wort. Ein Wort, das Ihr wahrscheinlich noch nicht kennt und das selbst Eure Eltern und Familien noch nicht gehört haben könnten.

Ich kann mir vorstellen, dass die Aussicht, ein Wort geschenkt zu bekommen, nicht besonders prickelnd ist. Ich wäre wahrscheinlich auch enttäuscht, wenn mir jemand zum Geburtstag sagen würde: “Guck mal, ich hab’ dir ein Wort mitgebracht, das will ich dir schenken - freust du dich?” Und dann ist es vielleicht sogar ein Wort, das ich schon kenne, und ich kann’s nicht umtauschen ...

Andererseits kann ein richtiges Wort zur richtigen Zeit richtig gut tun und ungeheuer viel bewirken. Fragt mal Eure Eltern in einer stillen Stunde, wie das war, als sie sich verliebt haben. Oder wer wem den Heiratsantrag gemacht hat, wie er das angestellt, und was er dabei gesagt hat.

Aber man muss ja gar nicht über solche für Euch und Eure Eltern vielleicht zu persönlichen Dinge sprechen. Euer Name ist zum Beispiel so ein mächtiges Wort. Er gehört zu Euch, Ihr seid damit ansprechbar. Und eines Tages wird jemand, den Ihr liebt, ihn auf ganz einzigartige, einmalige Weise sagen. So, wie Eure Eltern das jetzt schon tun - auch, wenn Ihr’s meistens nicht bemerkt, weil es jeden Tag gefühlte hundert Mal passiert und nicht immer nur im freundlichen Ton. Die Art, wie Eure Eltern Euren Namen aussprechen, werdet Ihr nie vergessen. Der Klang Eures Namens aus dem Mund Eurer Mutter, Eures Vaters wird Euch begleiten, auch, wenn Ihr einmal von zuhause ausgezogen seid.

Mächtige Worte sind auch Lob und Kritik. Man kann einen Menschen mit Worten aufbauen, indem man ihm zeigt, wie stolz man auf ihn ist, wie gern man ihn hat; indem man wahrnimmt, was er leistet, und seine Arbeit schätzt.

Und man kann einen Menschen klein machen und zerstören, indem man ständig etwas an ihm auszusetzen hat, indem man ihn herunterputzt, abwertet, verächtlich macht und sich weigert, ihn und das, was er getan hat, anzuerkennen.

II
Das Wort, das ich Euch heute schenken möchte, wird Euch jetzt noch nicht viel nützen - allenfalls kann man damit angeben, dass man ein Wort kennt, das die meisten noch nie gehört haben. Aber ich hoffe, dass es in Zukunft für Euch wichtig wird.

Das Wort heißt Désinvolture [1].

Es stammt aus dem Französischen, wie man hört. Seine Bedeutung erhielt es von dem Schriftsteller Ernst Jünger [2] - ein ziemlich umstrittener Schriftsteller der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Das sagt Euch jetzt nichts, und es ist auch nicht wichtig. Aber mit “Coolness” und “Coolsein” könnt Ihr etwas anfangen. Désinvolture ist so etwas ähnliches. Was genau es ist, erklärt eine Geschichte aus dem Matthäusevangelium, die ich Euch vorlesen möchte:

Jesus ging am Sabbat durch ein Kornfeld. Seine Jünger waren hungrig und fingen an, Körner aus den Ähren zu puhlen und zu essen. Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu ihm: Sieh mal, was deine Jünger tun! Das ist am Sabbat nicht erlaubt! Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht in der Bibel gelesen, was David tat, als er und seine Gefährten Hunger hatten? Wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die Schaubrote aßen, die doch weder er noch seine Gefährten essen durften, sondern nur die Priester? Wenn ihr aber wüsstet, was das heißt (Hosea 6,6): “Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer”, dann hättet ihr die Unschuldigen nicht verurteilt.

Was soll an dieser Geschichte cool sein? Der Landwirt, dem das Kornfeld gehörte, wird es ziemlich uncool gefunden haben, dass Jesus und seine Jünger ihm das Getreide zertrampelten. Aber es ist schon beeindruckend, wie Jesus seine Jünger verteidigt, die sich nicht an die Regel gehalten haben, dass man am Sabbat nicht arbeiten darf. Das Gebot, den Sabbat zu halten, steht in der Bibel. Jesus aber setzt sich über dieses Gebot hinweg, er bricht es, weil seine Jünger Hunger haben. Satt werden ist wichtiger als Sabbat halten. Jesus tut das auch nicht heimlich, sondern vor den Augen der Pharisäer, vor Leuten, die es mit dem Gesetz sehr genau nehmen und die später mit für seine Verurteilung und Kreuzigung sorgen. Ich finde das schon ziemlich cool.

III
Ich hoffe, damit mache ich mich nicht bei Euren Eltern unbeliebt. Denn ich sage ja irgendwie: Es ist cool, Regeln zu brechen. Aber das habt Ihr sicher schon selbst herausgefunden. In Eurem Alter beginnt man, auszutesten, wie weit man gehen kann, und wo die Grenze ist. Was passiert, wenn ich, statt wie vereinbart um Zehn, erst um Elf Uhr nachts nach Hause komme? Kann ich auf diese Weise vielleicht ein bisschen Zeit schinden, oder fange ich mir Ärger - und ein Ausgehverbot - ein? Auch im Freundeskreis ist es cool, Grenzen zu überschreiten - heimlich eine Zigarette zu rauchen, oder an der Ampel nicht auf Grün zu warten, sondern bei Rot zu gehen, wenn die Straße frei ist.

Aber spätestens hier merkt man, dass Coolsein nicht gleich Coolsein ist. Es gibt auch eine ziemlich dumme und gefährliche Coolness - dann nämlich, wenn man nicht weiß, was man tut, wenn man die Folgen nicht bedenkt, wenn man sich selbst überschätzt und Regeln bricht, ohne zu wissen, warum. Die tödlichen Unfälle an Bahnübergängen sind ein Beispiel dafür, dass man sich manchmal besser an Regeln und Verbote hält, wenn einem sein Leben lieb ist.

Aber wie erkennt man die Grenze? Woher soll man wissen, welche Regeln man brechen darf, ja, vielleicht sogar brechen muss, und welche man besser einhält? Jesus hat einen Maßstab dafür gegeben: “Wenn ihr aber wüsstet, was das heißt: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer”.

IV
Der Maßstab für das Brechen von Regeln ist die Barmherzigkeit. Auch so ein komisches, unbekanntes Wort wie Désinvolture. Aus Barmherzigkeit darf man, muss man manchmal Regeln brechen. Ein Krankenwagen zum Beispiel, der einen Patienten mit Blaulicht ins Krankenhaus bringt, braucht sich nicht an rote Ampeln zu halten und darf sich die Vorfahrt nehmen - was sonst streng verboten ist -, um der Barmherzigkeit willen: Um ein Menschenleben zu retten. Die Jünger Jesu durften am Sabbat “arbeiten”, weil sie Hunger hatten; Jesus hatte Mitleid mit ihnen. Jesus hat Menschen am Sabbat geheilt - aus Barmherzigkeit.

Hinter dem altertümlichen Wort “Barmherzigkeit” steckt - die Liebe. Denn das Wort “Barmherzig” kommt vom warmen Herzen - ein Herz, das von der Liebe warm ist, oder sogar vor Liebe glüht. Der Liebe wegen darf man Regeln brechen.

Liebe? Aber die ist doch sowas von uncool! Liebe und Coolness haben doch nichts miteinander zu tun! Wenn man mit Liebe nur Schlagermusik und die Herz-Schmerz-Filme aus dem Vorabendprogramm verbindet, dann habt Ihr recht: Die sind ziemlich uncool. Aber Ihr werdet bald entdecken - wenn Ihr’s
nicht schon längst herausgefunden habt -, dass Liebe etwas sehr Cooles sein kann.

Richtig cool wird die Liebe nicht nur dann, wenn man sich in einen anderen Menschen unsterblich verliebt. Cool ist die Liebe auch in Form der Barmherzigkeit, wenn sie Menschen gilt, die andere für uncool halten. Wenn man sich stark macht für Schwächere; wenn man auf Außenseiter zugeht und sie nicht in der Ecke stehen lässt, oder wenn man Regeln bricht, um anderen zu helfen. Damals, im sogenannten “Dritten Reich”, wäre solche Coolness bitter nötig gewesen. Da hätte es Menschen jüdischen Glaubens geholfen, wenn sich ihre Nachbarn und Freunde hinter sie gestellt hätten. Aber es waren nicht viele so cool sich zu trauen, barmherzig zu sein; sich an die Seite derer zu stellen, die von anderen ausgegrenzt und zu “Untermenschen” erklärt wurden; Regeln zu brechen, um Menschenleben zu retten.

V
Désinvolture ist keine Sache für einen allein. Wer nur für sich selbst cool sein will oder von anderen für cool gehalten werden will, der ist kalt, aber nicht cool. Wahre Désinvolture erfordert Barmherzigkeit und Mut. Es geht nämlich nicht darum, einfach nur Regeln zu brechen. Es geht darum, wann und wie man sie bricht. Und für wen.

Regeln sind notwendig. Es ist gut, dass es sie gibt. Sie sollten nicht ohne Not gebrochen werden, denn sie haben meistens einen guten Sinn; oft sind sie sogar lebenswichtig.
Wenn man aber Opfer bringen muss, um sie einzuhalten, darf und sollte man allerdings fragen, ob diese Regeln wirklich so sein müssen, wie sie sind.
Und wenn andere durch diese Regeln zu Opfern werden, dann sollte man den Mut, die Unverfrorenheit, die Chuzpe, die - Désinvolture besitzen, sie zu brechen, um den Opfern zu helfen.

Coolness ist eine tolle Sache. Aber wenn man sie trägt wie ein Kleidungsstück, wenn man meint, es sei cool, kaltherzig anderen gegenüber zu sein, irrt man sich. Das ist nicht cool, das ist nur gemein. Wahre Coolness, wahre Désinvolture wendet sich barmherzig den Mitmenschen zu ohne Angst, sich dabei einen Zacken aus der Krone zu brechen. Jesus konnte das. Er war eben richtig cool.

Ich wünsche Euch, dass Ihr Freude daran habt, Eure Grenzen kennen zu lernen und auszuprobieren, und dass Ihr die Désinvolture besitzt, die Jesus hatte, weil Ihr den Unterschied kennt. Den Unterschied zwischen Kälte und Coolness, der darin besteht, dass Gott Wohlgefallen hat an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.
Amen.

____________
Anmerkungen:

[1] Die in der Predigt vorgenommene Füllung des Begriffs Désinvolture verdankt sich dem - im übrigen sehr empfehlenswerten - Essay von Alexander Pschera, 800 Millionen. Apologie der Sozialen Medien, Berlin (Matthes & Seitz) 2011, ISBN 978-3-88221-578-6. Dort schreibt er: "Das Netz ist eine Vorschule des Désinvolture und zugleich eine Vorschule einer neuen Form demokratischer Macht" (a.a.O., S. 62) und: "Einem Blick der Tapferkeit, der das Neue und Unübersichtliche auf sich nimmt, gibt sich das soziale Netz als Erweiterung unserer Möglichkeiten zu erkennen. Denn es öffnet spontane Zugänge zu einem noch nicht machtpolitisch verschlüsselten Leben. (...) Daher ist es nachvollziehbar, dass die unverschämte Unverbindlichkeit der sozialen Medien Widerstand erzeugt in einer theatralischen Gesellschaft, die mehr um ihre Rollen als um ihre Identität bemüht ist." (ebd., S. 63).

[2] Diese Information und eine ganz wesentliche Anregung zu meiner Predigt verdanke ich dem wunderbaren, überaus gelehrten und mit zahlreichen weiterführenden Literaturhinweisen gespickten Vortrag von Dirck Linck, Désinvolture und Coolness. Über Ernst Jünger, Hipsters und Hans Imhoff, den »Frosch«, Vortrag auf der Jahreskonferenz des Sonderforschungsbereichs »Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste (SFB 626), die vom 3. bis zum 5. November 2006 im Hamburger Bahnhof in Berlin zum Thema »Bewegte Erfahrungen« stattgefunden hat. Zuerst abgedruckt in Kultur & Gespenster, Ausgabe 3, Winter 2007. Netzveröffentlichung unter http://druckversion.studien-von-zeitfragen.net/Desinvolture.pap.pdf . 
Dort findet sich auch eine wunderbare Anekdote über Jünger, die ich hier gern noch zitieren möchte: "Als Ernst Jünger in den 60er Jahren die Villa Massimo besucht und vor den deutschen Jungschriftstellern sein schönes goldenes Feuerzeug herzeigt, da klauen sie ihm das. Désinvolture." (A.a.O., S. 19)

Samstag, 7. April 2012

Auferstehung - es lebe die Revolution! - Osterpredigt



Predigt am Ostersonntag, 8. April 2012, über 1.Samuel 2,1-2.6-8a:

Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn,
mein Haupt ist erhöht in dem Herrn.
Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,
denn ich freue mich deines Heils.
Es ist niemand heilig wie der Herr,
außer dir ist keiner,
und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
Der Herr tötet und macht lebendig,
führt hinab zu den Toten und wieder herauf.
Der Herr macht arm und macht reich;
er erniedrigt und erhöht.
Er hebt den Dürftigen aus dem Staub
und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setzte unter die Fürsten
und den Thron der Ehre erben lasse.


Liebe Gemeinde,

vom Tellerwäscher zum Millionär -
das ist der amerikanische Traum.
Die Aussicht, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
eine Möglichkeit zu finden, der Armut,
der Perspektivlosigkeit zu entkommen,
hat Scharen von Auswanderern angezogen.
Für viele von ihnen ist der amerikanische Traum wahr geworden.
Nicht jeder wurde ein Rockefeller,
doch die meisten Auswanderer konnten für sich
oder spätestens für ihre Kinder Dinge erreichen,
die ihnen in ihrer Heimat verwehrt gewesen wären:
Bildung. Land, das ihnen gehörte, und von dem sie leben konnten.
Die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg,
bis hin zum Amt des Präsidenten.

Der amerikanische Traum klingt
wie eine moderne Form des Lobgesangs,
den wir zu Beginn des Gottesdienstes gebetet haben:
"Er hebt den Dürftigen aus dem Staub
und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setzte unter die Fürsten
und den Thron der Ehre erben lasse."
Wer einen solchen Aufstieg erlebt hat,
den Aufstieg aus der Gosse,
aus armen, unwürdigen Verhältnissen bis nach ganz oben,
für den mag sich das wie Auferstehung anfühlen.

I
Hanna, aus deren Mund dieser Lobgesang stammt,
hat einen solchen Aufstieg,
eine Auferstehung aus Niedrigkeit und Wertlosigkeit erlebt.
Sie kam zwar nicht aus der Gosse,
sondern lebte in geeordneten Verhältnissen,
ihr Mann war wohl sogar einigermaßen wohlhabend.
Aber sie war gesellschaftlich ein Niemand.
Denn sie hatte keine Kinder.

Frauen hatten zur Zeit der Bibel
und noch über Jahrhunderte, Jahrtausende danach
keine Rechte, keine Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs,
keine Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen,
es selbst zu gestalten - sieht man von wenigen Ausnahmen ab.
Frauen schrieben selten Geschichte.
Was zu sagen war, das wurde von Männern gesagt und aufgeschrieben.
Auch die Bibel gibt überwiegend die männliche Perspektive wieder.
Die Rolle der Frau wurde in dieser Sicht der Männer
als die der Hausfrau und Mutter definiert.

Hanna aber füllt diese Rolle nicht aus.
Sie kann es nicht: Sie hat keine Kinder.
Ihre Kinderlosigkeit macht sie zur Außenseiterin,
zu einem gesellschaftlichen Niemand.
In ihrem Kummer, ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Gott
und verspricht ihm, sollte sie schwanger werden,
ihren Sohn Gott zu weihen:
Er soll als Prophet im Tempel leben,
er soll sozusagen Mönch werden.

Hannas Wunsch nach einem Kind erfüllt sich.
Sie wird schwanger und bringt einen Sohn zur Welt,
Samuel nennt sie ihn, "von Gott erbeten".
Und sie hält ihr Versprechen:
Als ihr Sohn alt genug ist, bringt sie ihn zum Tempel,
damit er dort für immer bei Gott bleibt.
Dort, im Tempel, singt sie das Lied von Gott,
der arm macht und reich,
erniedrigt und erhöht,
das wir eingangs gebetet haben.

II
Wie sehr manche Menschen sich ein Kind wünschen
und darin die Erfüllung ihres Lebens erfahren,
kann man sich vorstellen.
Und man kann sich auch vorstellen,
wie es sich anfühlen muss,
wenn man etwas nicht hat, das andere haben;
wie man sich ausgegrenzt, gebrandmarkt fühlt.
Man meint, fehlerhaft, mangelhaft zu sein,
weil man nicht so ist wie alle anderen;
und die anderen meinen das meistens auch.

Hannas Geschichte könnte auch in unserer Zeit spielen.
Aber was an dieser Geschichte schwer fällt,
ist, dass Hanna ihr Kind, das sie sich so sehr ersehnte,
wieder hergibt und es sozusagen Gott schenkt.
Nach unseren heutigen moralischen Maßstäben
müsste man fragen, was Hanna ihrem Kind damit antut,
wenn sie es weggibt;
man müsste fragen, ob Hanna gar nichts an ihrem Kind liegt.
Doch unsere modernen Fragen sind Fragen,
die dieser Geschichte, die der Zeit, in der Hanna lebte, fremd sind.

Die Geschichte wird ja nicht ihres Kinderwunsches wegen,
sondern wegen des Lobgesangs der Hanna erzählt.
Um ihren Sohn Samuel geht es dann auch,
viel ausführlicher als um seine Mutter.
Aber jetzt hat zunächst einmal Hanna das Wort.
Das ist ähnlich wie später im Neuen Testament,
wo es am Anfang des Lukasevangeliums
auch zunächst nicht um den Sohn, Jesus,
sondern um seine Mutter Maria geht,
die ein ähnliches Loblied wie Hanna singt, das Magnificat,
um danach völlig hinter ihrem Sohn zu verschwinden.
Auch das Lied der Maria singt davon,
dass Gott die Mächtigen vom Thron stürzt
und die Niedrigen erhebt,
die Hungrigen mit Gütern füllt
und die Reichen leer ausgehen lässt.

III
Beide Frauen, Hanna und Maria,
singen revolutionäre Lieder,
nachdem sie Gottes Eingreifen in ihrem Leben,
nachdem sie einen gesellschaftlichen Aufstieg,
so etwas wie eine Auferstehung erfahren haben.
Sie singen von der Umkehrung der Verhältnisse -
Arme werden reich, Reiche werden arm,
Mächtige verlieren ihre Macht,
die jetzt die vorher Ohnmächtigen erhalten.
Es lebe die Revolution!
Wer hätte gedacht, dass im Christentum
solch revolutionäres Potential steckt.
Und wer hätte gedacht, dass es Frauen sind
- Frauen, die in der Gesellschaft der Männer
kein Recht, keine Stimme, nichts zu sagen haben -,
die diese Revolution in ihrem Lied besingen?

Auch die Auferstehung ist eine Revolution, eine Umwälzung.
Zunächst im wörtlichen Sinne:
Der Stein, der vor dem Grab Jesu lag, ist weggewälzt.
Ein offenes Grab - entweder gruselt's einen
bei dem Gedanken daran,
oder man erregt sich über dieses Ärgernis.
Aber das Grab ist leer.
Und das ist das eigentlich Revolutionäre.
Bis heute wird die Botschaft von der Auferstehung
zwar als befreiend empfunden -
nach der Trauer, der düsteren Stimmung des Karfreitags
kann man endlich wieder lachen und fröhlich sein.
Aber dass tatsächlich jemand, der tot war,
auferstanden und auf neue Weise lebendig geworden ist -
das ist doch wohl ein bisschen zu viel verlangt.

Genau dieses "Zuviel": Das ist das Revolutionäre.
Dass man sich nicht damit zufrieden gibt,
dass Jesus ein guter Mensch war,
der vielen geholfen und der bedenkenswerte Dinge gesagt hat,
der als gewaltloser Friedensbewegter ans Kreuz geschlagen wurde
und gestorben ist.
Sondern darauf besteht, dass Jesus lebt
- und mit ihm seine Tat und seine Botschaft.

IV
Seine Tat, das war,
stellvertretend für alle, die von anderen zu Opfern gemacht werden,
die Opferrolle anzunehmen
und sie bis zum bitteren und endgültigen Ende durchzuhalten,
bis zu seinem Tod am Kreuz.
Er hat sich selbst geopfert
und damit alle anderen Opfer überflüssig gemacht.
Wir brauchen uns nicht mehr zu opfern
- weder müssen wir uns für einen anderen Menschen aufopfern,
noch für eine Überzeugung, eine Ideologie, einen Staat.

Und wir brauchen niemanden mehr zu opfern
- ja, wir dürfen niemanden mehr opfern.
Wer das Geschehen von Karfreitag wirklich verstanden hat,
der will nicht, dass jemals wieder Menschen geopfert werden,
der findet es unerträglich,
dass es überall auf der Welt weiterhin im Stunden-
ja, im Minutentakt geschieht.

Die Botschaft, die Jesus verbreitet hat
- nicht so sehr mit Worten, sondern mit seinem Leben -,
war die unbedingte Solidarität mit allen,
die zu Opfern werden.
Die Hinwendung, besonders zu denen aus der Gosse,
zu Prostituierten, Kranken,
Kollaborateuren, äußerlich Entstellten und - Frauen.
Jesus hat das Reich Gottes unters Volk gebracht.
Er hat den Traum von einer gerechten Welt mit allen geteilt.
Das war revolutionär,
und das ist es bis heute.

Der amerikanische Traum sieht dem Traum vom Reich Gottes verblüffend ähnlich:
Jede und jeder soll die Chance haben,
etwas aus sich zu machen,
aus der Gosse aufzusteigen bis nach ganz oben.
Das ist die Freiheit, die viele meinen.
Aber es ist die Freiheit des Individuums,
die Freiheit von Einzelnen.
Je radikaler man sich diese Freiheit denkt,
desto einsamer wird man dabei.
Denn wenn man seinen Lebenstraum wirklich konsequent verwirklichen will,
verliert man mehr und mehr Menschen,
die diesen Weg nicht mitgehen können
oder die auf diesem Weg nur stören.
Am Ende ist man ganz oben, aber auch ganz allein.

Der Traum vom Reich Gottes,
den Jesus träumte
und seinen Zuhörerinnen und Zuhörern ans Herz legte,
war ein Traum von Gerechtigkeit für alle Menschen.
Keine verordnete Gerechtigkeit
wie in den totalitären Regimen unserer Zeit,
die Menschen zum besseren Leben zwingen wollten
mit Gewalt und dem Entzug ihrer Freiheit.
Sondern eine Gerechtigkeit,
die aus der Liebe zu den Opfern kommt,
aus Solidarität mit denen, die ganz unten sind.
Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen,
um uns damit ein Beispiel zu geben,
wo unser Platz ist.

V
Jesus hat in Wort und Tat
den Menschen die revolutionäre Idee
vom Reich Gottes ins Herz gepflanzt.
Durch seine Auferstehung ist es nicht bei der Idee geblieben.
Der Same, den er damals eingepflanzt hat, wächst
und ist ein riesiger Baum geworden,
unter dem die komischsten Vögel Schatten finden.
Das kleine Stückchen Sauerteig,
das Jesus damals unter die Leute warf,
ist nicht von ihren Füßen zertreten worden,
sondern hat eine ungeheure Gärung entfaltet,
die bis heute Menschen in Bewegung hält.

All das wäre nicht geschehen,
wenn Jesus nicht auferstanden wäre.
Jesus, sein Leben, seine Ideen wären längst vergessen.
Weil er lebt, lebt auch die Hoffnung auf das Reich Gottes.
Weil er lebt, ereignet sich tagtäglich die Revolution
der Auferstehung,
in der Arme reich werden
und Erniedrigte ihre Chance erhalten,
in der totgesagte länger leben, als gedacht,
und Schwachheit zur Stärke wird.

Weil Jesus lebt,
ist das alles nicht nur ein schöner Traum,
sondern eine Wirklichkeit,
die unser Leben auf den Kopf stellt -
so sehr, dass am Ende der Tod nicht mehr weiß,
wo oben und unten ist.

Am Ende wird die Wirklichkeit greifbar.
Wenn wir scheinbar den Halt verlieren
und aus dem Leben fallen,
wachen wir erst richtig auf zum wahren Leben.
Das ist Auferstehung.
Das ist Revolution.
Darum: Es lebe die Revolution!
Amen