Sonntag, 4. Februar 2024

man weiß nicht wie

Predigt am 2.Sonntag der Passionszeit, Sexagesimae, über Markus 4,26-29

Liebe Schwestern und Brüder,


„wie war zu Köln es doch vordem

mit Heinzelmännchen so bequem!

Denn, war man faul, man legte sich

hin auf die Bank und pflegte sich:

Da kamen bei Nacht, ehe man’s gedacht,

die Männlein und schwärmten

und klappten und lärmten

und rupften und zupften

und hüpften und trabten

und putzten und schabten.

Und eh ein Faulpelz noch erwacht,

war all sein Tagewerk bereits gemacht!”


An die Heinzelmännchen erinnert das Gleichnis,

das Jesus im Evangelium erzählt.

Wie niemand diese hilfreichen Wesen je zu Gesicht bekam,

so geht es auch dem Sämann: „Er weiß nicht wie.”

Er weiß nicht, wie es vor sich geht,

dass der Same keimt und wächst.


So geht es uns heute auch noch.

Natürlich weiß man heute,

welche biochemischen Vorgänge dazu führen,

dass der Samen keimt und daraus eine Pflanze wächst.

Man weiß, wieviel Wärme, Feuchtigkeit und Nährstoffe

dazu nötig sind,

und wie der Code der DNA die Entwicklung

und das Wachstum der Pflanze steuert.

Doch auch wir staunen noch darüber,

dass aus einem Samen eine Sonnenblume wächst,

eine Mohrrübe, ein Radieschen oder eine große Fichte.


Es geschieht ohne unser Zutun, von selbst.

Wenn der Boden bereitet ist,

Feuchtigkeit und Temperatur stimmen,

dann wird aus dem Samenkorn von selbst eine Pflanze.

Doch damit ein Saatkorn so automatisch heranwächst,

müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Und die erfüllen sich nicht von selbst.

Es ist nicht so, wie es im Evangelium heißt,

dass man hingeht und aufs Geratewohl Samen auswirft,

und am Ende den Weizen ernten kann.

Schön wär’s!


Bevor man säen kann, muss der Boden bereitet sein.

Er muss tiefgründig gelockert und gut gedüngt sein.

Es darf nichts anderes darauf wachsen,

wenn die Weizenkörner eine Chance haben sollen.

Auch nach der Aussaat kann man nicht einfach

die Hände in den Schoß legen und schlafen,

wie es der Mensch im Gleichnis macht.

Was an Wildkräutern neben dem Weizen aufwächst,

muss gejätet werden, damit es das Getreide nicht erstickt.

Pilze, Schädlinge müssen bekämpft werden;

bei Trockenheit muss man für Wasser sorgen.

Und selbst die Ernte kann einem noch verhagelt werden.


Von nichts kommt nichts - das lehrt uns die Erfahrung.

Das Geschirr spült sich nicht von selbst,

die Wäsche wäscht, trocknet, bügelt sich nicht von allein.

Auch der Müll trägt sich nicht selbst hinaus.

Und wenn man darauf wartet,

dass vielleicht ein Familienmitglied sieht,

dass Wäsche aus der Maschine genommen

und aufgehängt werden müsste,

dass der Müll fast überquillt

und wirklich kein Teller mehr in die Spülmaschine geht,

wartet man oft vergebens.

Da sehnt man sich schon mal ein Heinzelmännchen herbei.


Manchmal scheint eines dagewesen zu sein.

Da hat jemand die Wäsche gebügelt.

Hat den Kühlschrank gefüllt,

die Wohnung aufgeräumt und gesaugt

oder die Hauswoche erledigt

und auch noch Blumen auf den Tisch gestellt.

Das sind sehr besondere Momente,

gerade weil man nicht damit gerechnet hat.

Sie machen oft mehr Freude als ein Blumenstrauß, Pralinen

oder ein Gutschein zu Muttertag.


Doch so viel Freude diese Erfahrungen auch machen -

die Regel sind sie leider nicht.


Oft hätte man es dann doch auch besser selbst gemacht:

Wenn jemand ein rotes T-Shirt mit der weißen,

oder den geliebten Wollpulli mit der Kochwäsche gewaschen hat.

Weil man viel mehr Geschirr in die Spülmaschine bekommt,

wenn man sie selbst einräumt,

und weil es dann auch wirklich sauber wird.

Weil niemand so gut, so gründlich, so schnell

putzt, bügelt, aufräumt,

einkauft, kocht oder spült wie man selbst.


Wie schade.

Denn es wäre ja auch denkbar,

dass man einfach zu schnell war für die anderen.

Sie hätten es auch gemacht - nur, da war schon alles fertig.


Es wäre auch denkbar,

dass man die anderen entmutigt,

wenn man wegen des eingelaufenen Pullis eine Szene macht

oder triumphierend vorführt,

wie viel mehr Geschirr in die Maschine passt,

wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt.


Es wäre auch denkbar, dass andere sich mehr beteiligen würden,

wenn sie es so tun dürften, wie sie es vermögen

und es nicht genauso machen müssten wie man selbst.


Damit etwas von selbst geschehen kann,

muss man es auch geschehen lassen.

Man kann alles für die Aussaat Nötige tun;

dass das Weizenkorn keimt und wächst,

kann man nicht erzwingen.

Man kann auch sein Wachstum nicht beschleunigen,

indem man am Halm zieht.


Man kann sich entscheiden, alles selbst zu machen -

oder andere machen lassen.

Dann aber muss man aushalten können,

dass sie es nicht dann tun, wann man will

und nicht so, wie man selbst es machen würde.


Jesus erzählt von der Saat,

die von selbst keimt, wächst und reift

und vom Menschen, der nicht weiß, wie es geschieht,

und meint damit das Reich Gottes.

Das Reich Gottes, von dem der Dichter Kurt Marti singt:


„Der Himmel, der ist,

ist nicht der Himmel, der kommt,

wenn einst Himmel und Erde vergehen.


Der Himmel, der kommt,

das ist der kommende Herr,

wenn die Herren der Erde gegangen.


Der Himmel, der kommt,

das ist die Welt ohne Leid,

wo Gewalttat und Elend besiegt sind.


Der Himmel, der kommt,

das ist die fröhliche Stadt

und der Gott mit dem Antlitz des Menschen.”


Es steht noch aus, das Reich Gottes,

es steht uns erst noch bevor.

Erst müssen Himmel und Erde vergehen,

müssen die Herren dieser Welt gegangen sein.

Wir werden es wohl nicht erleben.


Doch weil es uns sicher erwartet,

bildet das Reich Gottes den Maßstab,

an dem wir messen, was ist

und an dem wir erkennen, was nicht gut ist;

was nicht so ist, wie es sein sollte oder sein könnte.

Das Reich Gottes ermutigt uns dazu,

etwas zu verändern - uns zu ändern, wie Kurt Marti sagt:


„Der Himmel, der kommt,

grüßt schon die Erde, die ist,

wenn die Liebe das Leben verändert.”


Immer wieder haben Menschen,

die mit ihren Lebensumständen unzufrieden waren

oder mit dem Leiden anderer Mitgefühl hatten,

versucht, etwas zu verändern.

Manchmal geschah und geschieht es im Kleinen

durch Taten der Nächstenliebe,

durch Widerstand und Widerspruch,

durch einen Neuanfang, eine neue Idee.

Und manchmal gab es eine Revolution,

die ein ganzes Land umstürzte.


Man kann wohl sagen,

dass Veränderungen zum Leben dazugehören,

sogar das Leben ausmachen:

Wie man das Kopfkissen so lange zurechtrückt,

bis man bequem darauf liegen kann,

versuchen wir, uns das Leben zurechtzurücken,

bis wir damit zufrieden sind.

Und auch hier macht man die Erfahrung:

Von nichts kommt nichts.

Wenn man will, dass sich etwas ändert,

kann man nicht warten, dass es jemand anders tut:

Man muss schon selbst Hand anlegen.


So ist es mit dem Reich Gottes nicht.

Das Reich Gottes kommt ohne unser Zutun.

Wir können es nicht beschleunigen,

wir können es nicht herbeizwingen.

Von selbst wächst es heran, wir wissen nicht, wie.

Wir sehen nichts davon.

Das bedeutet aber nicht, dass es nicht nahe ist.

Vielleicht trennt nur eine Haut, dünn wie Papier,

Gottes Zukunft von unserer Gegenwart.

Eine Haut, die wir nicht zerreißen können,

hinter der wir aber schemenhaft ahnen,

was uns die Bibel verheißt.


Gottes Zukunft, sein Reich

der Gerechtigkeit und des Friedens

beeinflusst unsere Gegenwart und verändert sie.

Gott beeinflusst und verändert uns durch die Liebe:


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern annimmt,

macht uns fähig zu ertragen, dass andere anders sind:

anders handeln, anderes wichtig finden als man selbst.

Die Liebe lässt uns erkennen,

dass unser Maßstab nicht der einzige und allein richtige ist.

So, wie es andere tun, kann es auch gehen,

kann es auch richtig sein.


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern vergibt,

macht uns fähig, zu ertragen, wenn wir enttäuscht werden,

weil wir etwas von anderen erwarten,

was sie uns nicht geben können oder geben wollen.

Die Liebe vertraut, dass sie sich ändern können

und dass wir uns ändern können.

Sie gibt Gelegenheit zu Klärung oder Widerspruch,

um gemeinsam die Gegenwart zu gestalten.


Die Liebe, die uns nicht nur erträgt, sondern ermächtigt,

macht uns fähig, nicht alles selbst machen,

nicht alles kontrollieren und in der Hand behalten zu müssen.

Die Liebe kann andere machen lassen.

Sie kann Gott machen lassen.

Sie hat Geduld zu warten,

bis etwas von selbst wächst und reift und Frucht bringt,

auch ohne Heinzelmännchen.