Sonntag, 26. Juni 2022

Revolution!

Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis, 26. Juni 2022, über Jona 3,1-10

Pusteblume

Liebe Schwestern und Brüder,


Jona ist ein kleiner Prophet.

Jedenfalls, was den Umfang seines Prophetenbuches angeht:

Gerade einmal vier Kapitel hat es.

Und Jona ist darin die Hauptperson -

so scheint es jedenfalls:


Jona, der vor seinem Auftrag flieht

nach Spanien, ans Ende der damals bekannten Welt.

Jona, den der Fisch verschlingt

und der im Bauch des Fisches

drei Tage Zeit zum Nachdenken hat.

Der schließlich doch umkehrt

und nach Ninive reist.

Jona, der unterm Rizinus sitzt,

um die Zerstörung Ninives zu erleben,

und der mit Gott hadert,

weil er die Stadt nicht zerstört.


Vielleicht ist Jona doch nur ein kleiner Prophet,

so kleinkariert, so hartherzig, wie er ist.

Das Schicksal seiner Rizinusstaude bekümmert ihn mehr

als das Schicksal einer ganzen Stadt

mit all ihren Menschen und Tieren.


Für Jona dreht sich alles um Jona,

und wir werden in diese Drehung mit hinein gezogen.

Entweder, indem wir ärgerlich den Kopf schütteln über diesen Egoisten.

Oder indem wir uns quasi an die Brust schlagen, weil wir erkennen:

wir hätten vielleicht gar nicht so anders empfunden und gehandelt wie er.


Im heutigen Predigttext aber geht es nicht um Jona.

Vielmehr geht es um die Einwohner Ninives.

Es geht darum, sie vor dem Untergang zu bewahren.


Dabei war Ninive längst untergegangen,

als das Jonabuch geschrieben wurde.

612 v. Chr. wurde die Stadt von Truppen der Babylonier und Meder zerstört.

Heute erhebt sich über ihren Fundamenten die Stadt Mossul im Irak.

Auch sie wurde zerstört, sogar mehrmals:

2014, als sie vom sog. „Islamischen Staat” eingenommen wurde,

und 2017 bei der Rückeroberung durch die Koalitionstruppen.

Aus heutiger Sicht ist Ninive eine mehrfach zerstörte Stadt.

Im Jonabuch dagegen unternimmt Gott alles,

um Ninive vor der Zerstörung zu retten.

Wie passt das zusammen?


Die eine Zerstörung, die dann nicht stattfand,

ließ Gott durch Jona androhen.

Alle anderen geschahen von Menschenhand.

Gott droht die Zerstörung an, aber er vollzieht sie nicht.

Man könnte sagen: Gott wendet die Logik der Abschreckung an.

Zur Zeit Jonas funktionierte das noch.

Da traute man Gott noch zu,

dass er Schwefel und Feuer vom Himmel regnen lassen könnte

wie beim Untergang Sodoms und Gomorrhas (1.Mose 19,24).

Da verwechselte man Gottes Macht noch mit den Naturgewalten -

Blitz und Donner, Sturm oder Erdbeben.


Es war eine Verwechslung, die auch heute noch vorkommt,

wenn wir erwarten, Gott möge uns zuliebe

den Lauf der Dinge ändern, die Zeit zurückdrehen

oder die Naturgesetze aushebeln.

So, wie wir das bei den Superhelden in immer neuen Variationen gezeigt bekommen.

Gottes Macht aber besteht darin,

dass Gott Gutes für uns und seine Schöpfung will

und uns dazu seinen Willen ins Herz geschrieben hat.


Zu Jonas Zeit rechnete man deshalb nicht nur mit einem Gott,

der donnern, Blitze schleudern oder die Erde erbeben lassen konnte.

Man fühlte auch, dass man sein Handeln nicht nur vor sich selbst,

sondern vor dieser höheren,

der höchsten Instanz verantworten musste.


Das ist heute nicht mehr der Fall.

Heute ist „Gott” für viele ein Fremdwort,

dessen Bedeutung sie nicht mehr kennen,

das keine Erinnerung bei ihnen weckt,

keine Vorstellung, kein Gefühl auslöst.

Andere glauben an Gott,

aber als etwas Abstraktes, eine Idee, eine Kraft oder eine Energie.

Sie können oder wollen nicht glauben,

dass Gott ein Gegenüber ist,

dass Gott zu uns in Beziehung tritt

und uns einlädt in eine Beziehung mit ihm.


Die Nineviten ignorieren dieses Beziehungsangebot.

Sie leben ohne Gott.

Das führt sie in die Katastrophe.

Warum?

Es ist doch eine Katastrophe, die Gott selbst androht,

während er gleichzeitig alles dafür tut, damit sie nicht eintritt.

Es kann deshalb nicht sein, dass Gott die Nineviten bestrafen will.

Oder dass er von ihnen Satisfaktion fordert

für die Beleidigung seiner Majestät,

wie es Anselm von Canterbury vermutete.

Weshalb wir uns seit dem Mittelalter mit der Sünde herumplagen -

bis Martin Luther diesen alten Zopf abschnitt.

Leider wird er immer wieder angenäht.


Es ist vielmehr die Gottvergessenheit selbst,

die in die Katastrophe führt:

Die Nineviten haben Gottes Gebot vergessen

und verantworten ihr Handeln nicht mehr vor Gott,

sondern nur noch vor sich selbst.

Sie leben auf Kosten anderer.

Sie beugen das Recht.

Sie unterdrücken und benachteiligen Schwächere.

Sie ignorieren das Leid, den Hunger und die Armut anderer.

Sind feindselig gegenüber Fremden.

Leider sind diese Verhaltensweisen nicht mit Ninive untergegangen.

Heute kommen die Bedrohung und Zerstörung der Natur,

die Gefährdung der Schöpfung Gottes und seiner Geschöpfe noch dazu.


Wir erkennen heute, dass wir damit auf eine Katastrophe zusteuern -

eine Klimakatastrophe und, damit verbunden und ihr vorauseilend,

eine Hungerkatastrophe.


Jonas Auftreten bringt den Nineviten die Erinnerung an Gott

und an seine Gebote zurück.

Es trifft sie wie ein Schlag.

Die Nineviten fasten. Sie legen ihre schicke Kleidung ab.

Das ist aber nur der erste Schritt.

Der eigentliche folgt unmittelbar darauf:

die Umkehr.

Kein bloßes Zurückkehren zu einer verklärten Vergangenheit,

in der angeblich alles besser war.

Wohin hätten die Nineviten da auch zurückkehren sollen?

Vielmehr eine radikale Kursänderung,

eine Umwälzung der bisherigen Verhältnisse.


Die Nineviten lassen ihr altes Leben nicht nur vorübergehend hinter sich,

bis sich Gott wieder beruhigt hat.

Sie lassen es endgültig hinter sich,

weil sie erkennen, dass sie Gott und sich selbst nichts vormachen können.

Sie brechen endgültig mit den alten Werten, den alten Gewohnheiten.

Wer weiß - vielleicht ändert auch Gott seine Meinung.


Wer weiß …

Dieses „Wer weiß” geschieht nicht aus Berechnung.

Dann wäre die Umkehr nicht echt.

Erst kommt die Umkehr:

Die Einsicht, dass die bisherige Lebensweise ein fataler Fehler war.

Dann kommt die Hoffnung, dass auch Gott umkehrt.


Und Gott kehrt um. Hat Erbarmen.

Die Stadt, die sich schon wie Sodom und Gomorrha

dem Erdboden gleichgemacht sah, wird nicht zerstört.

Sie lebt.


Puh! Gerade noch mal gut gegangen!

Die Geschichte hat damit ihr gutes Ende gefunden.


Hat sie?

Ist das Ende dieser Geschichte wirklich ein gutes Ende,

eines, das auch wir uns wünschen würden?

Führen wir uns vor Augen:

Ninive wurde nicht zerstört. Aber um welchen Preis!

Die Nineviten ändern sich radikal.

Sie lassen ihr bisheriges Leben hinter sich;

geben auf, was ihnen lieb und wichtig ist,

was ihnen Freude macht,

was ihnen unverzichtbar, unentbehrlich scheint.

Geben vieles auf, um weiterleben zu können.

Wenn man bedenkt, wie schwer es uns fällt,

selbst kleine Schritte gegen den Klimawandel zu ergreifen -

dann mag man ermessen, was in Ninive geschah:

Eine Revolution.


Die Umkehr in Ninive ist allerdings keine Umkehr der Verhältnisse,

wie sie sonst bei Revolutionen üblich ist,

obwohl der König vom Thron steigt

und die Zeichen seiner Herrschaft ablegt.


Die Umkehr der Menschen in Ninive

besteht in der Hinwendung zu Gott.

Das ist viel radikaler als jede Revolution,

die bisher Gesellschaften umgewälzt hat.


Denn diese Revolutionen, so einschneidend sie auch waren,

haben nicht vermocht, die Menschen selbst zu ändern.

Sicher, es wurde versucht.

Aber je größer der Druck, alles Denken und Handeln gleichzuschalten,

desto größer der Widerstand.

Bei solchem Druck wachsen innere und äußere Distanz zu einem System,

das Anpassung, Uniformität bewirken will.


Bei der Umkehr zu Gott geschieht etwas anderes.

Gott ändert Menschen nicht aus Willkür,

nicht nach einer Ideologie oder einem Programm.

Nicht um seinet-, sondern um unseretwillen.

Um unserer Zukunft willen.

Dafür, dass wir, dass alle Menschen leben können.

Aus Liebe.

Wo Menschen von dieser Liebe Gottes ergriffen werden,

geben sie ihren inneren Vorbehalt, ihre innere und äußere Distanz auf.

Sie willigen ein in Gottes Willen.

„Dein Wille geschehe”, lehrt Jesus seine Jünger beten,

und so beten sie.

So beten auch wir.


Warum so radikal?

Warum reicht Gott nicht der kleine Finger,

warum will er gleich die ganze Hand,

den ganzen Menschen mit Haut und Haar?


Gott will eine Beziehung zu uns eingehen.

Eine Liebesbeziehung.

Wer in einer Liebesbeziehung lebt oder gelebt hat, weiß:

sie ist nur möglich, wenn man zur Veränderung bereit ist.

Denn Liebe verwandelt und verändert.

Eine Liebesbeziehung verändert beide Partner.

Und das ständig. Wenn eine:r aufhört, sich zu ändern,

zerbricht die Beziehung.


Gott hat sich uns zuliebe schon verändert:

„Gott reute das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.”

Und:

„Gott gab seinen einzigen Sohn,

damit alle, die an ihn glauben,

nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.” (Joh 3,16)


Gott bietet uns eine Beziehung an.

Aus Liebe zu uns.

Wenn wir sie eingehen, wird sie uns verändern.

In einer Beziehung mit Gott zu sein bedeutet,

verändert zu werden, ein neuer Mensch zu werden.

Danach gibt es keine Rückkehr zum Alten mehr:

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;

das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!” (2.Kor 5,17)


Am Ende: Noch einmal Jona.

Jona, der um das Schauspiel der Zerstörung Ninives gebracht wurde.

Der sich deswegen aufregt.

Ganz aufgebracht ist er.

Von Anfang an hat er geahnt,

dass Gott ganz anders sein, ganz anders handeln würde,

als er selbst es sich wünschte und vorstellte.

„Ich wusste”, klagt er, „dass du gnädig, barmherzig,

langmütig und von großer Güte bist

und lässt dich des Übels gereuen.”

Jona ärgert sich über Gott,

der die Nineviten verschont.

Jona ärgert sich, weil Gott sich ändert.


Aber Gott ändert sich gar nicht.

Gott bleibt sich selbst treu in seiner Liebe zu uns, zu allen Menschen.

Liebe fordert Konsequenzen:

Was der Liebe entgegensteht, was sie verhindert,

kann nicht bleiben, wie es ist.

Es muss sich ändern.


Jona glaubt nicht an eine Veränderung.

Er will sich auch selbst nicht ändern.

Er will so bleiben, wie er ist.

Er will, dass alles so bleibt, wie es ist.

Er will, dass auch die Nineviten so bleiben, wie sie sind -

obwohl das ihren Untergang bedeutet.


Ein wenig, fürchte ich, sind auch wir manchmal wie Jona.

Können wir uns ergreifen lassen von Gottes Liebe?

Sie gilt allen Menschen, allen Geschöpfen,

unserer ganzen, wundervollen Welt.

Können wir umkehren und mit Gott in Beziehung bleiben?

Können wir uns verändern?


Gebe Gott, dass wir den Mut dazu finden.

Amen.

Sonntag, 19. Juni 2022

Zweimal Psalm 34

Psalm 34


Ich will Gott loben alle Zeit;

ständig ist sein Lob in meinem Mund.

Gottes rühme ich mich.

Die Geringen hören es und freuen sich.

Preist Gott mit mir,

lasst uns zusammen seinen Namen erheben!

Ich suchte Gott, und er antwortete mir,

und vor allem, wovor mir graute, rettete er mich.

Die auf ihn blicken, strahlen vor Freude,

und sie werden sich nicht schämen müssen.

Jetzt rufe ich, und Gott hört

und rettet mich aus allen Nöten.

Ein Bote Gottes

lagert sich bei denen, die Ehrfurcht vor ihm haben, und rettet sie.

Schmeckt und seht, dass Gott gut ist.

Gepriesen ist jeder, der bei ihm Zuflucht sucht.

Habt Ehrfurcht vor Gott, ihr seine Heiligen,

denn keinen Mangel erleiden, die Ehrfurcht vor ihm haben.

Junge Löwen darben und hungern,

aber die Gott suchen, entbehren keines Guts.

Kommt, Kinder, hört mir zu,

die Ehrfurcht vor Gott will ich euch lehren!

Wer leben möchte,

gute Tage sehen will,

bewahre seine Zunge vor Bösem

und seine Lippen davor, Trug zu reden.

Halte dich fern vom Bösen und tue Gutes.

Suche den Frieden und folge seinen Spuren.

Gottes Augen sind auf die Gerechten,

und seine Ohren auf ihren Hilferuf gerichtet.

Gottes Angesicht ist gegen die gerichtet, die Böses tun,

um ihr Gedenken von der Erde zu vertilgen.

Die Gerechten schreien, und Gott hört

und rettet sie aus allen ihren Nöten.

Gott kommt nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind

und denen, die sich gedemütigt fühlen, steht er bei.

Viel Schlimmes erleidet ein Gerechter,

aber aus allem rettet ihn Gott.

Er bewahrt alle seine Kochen;

keiner von ihnen ist zerbrochen.

Den Frevler bringt das Böse um

und die einen Gerechten hassen, werden es büßen.

Gott erlöst die Seele seiner Knechte

und alle, die bei ihm Zuflucht suchen, werden es nicht bereuen

Noten des Kanons von Georg Philipp Telemann „Ich will den Herrn loben allezeit”.


Ich will Gott loben alle Zeit;
ständig ist sein Lob in meinem Mund.

Wie geht das, Gott alle Zeit loben?

Kann man das überhaupt?

Man muss doch zwischendurch auch mal etwas essen,

schlafen, sich mit anderen unterhalten.

Was soll man da auch sagen:

„Gott, du bist so wunderbar?”

Würde das auf Dauer nicht ziemlich eintönig und langweilig?

Und würde Gott solches Loben überhaupt gefallen?


Georg Philipp Telemann hat dieses Problem auf elegante Weise gelöst:

Er hat einen Kanon über das Psalmwort geschrieben:

„Ich will den Herrn loben allezeit,

sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.”

Er steht unter der Nummer 335 im Gesangbuch.


Elegant ist die Lösung,

weil Telemann einfach das Psalmwort verwendet

und damit über die Absicht spricht, Gott zu loben.

Diese Absicht wird zum Lob Gottes,

wenn man den Kanon singt.

Denn wenn ich jemandem sage: Ich will dich loben,

dann ist es dasselbe wie: Ich lobe dich.


Elegant ist diese Lösung auch,

weil ein Kanon theoretisch kein Ende hat.

Man kann ihn ewig singen,

bis man keine Lust oder keine Puste mehr hat.

Damit kommt der Kanon dem „alle Zeit” des Psalms

schon ziemlich nahe.


Aber natürlich ist Telemanns Kanon

keine wirkliche Lösung der Frage,

ob und wie man Gott alle Zeit loben soll.

Wir müssen anders anfangen:

Wir müssen uns fragen,

wann wir eigentlich gelobt werden.

Am häufigsten werden wohl Kochkünste gelobt:

„Das schmeckt aber lecker!”

Auch gute Leistungen in der Schule werden gelobt.

Musiker:innen bekommen Lob -

meistens in Form von Applaus.

Kurz: Gelobt wird man,

wenn man etwas getan hat, was andere freut.


Was hat Gott getan, das uns erfreut?

Gott hat diese wunderbare Welt erschaffen,

in der wir mit vielen anderen Geschöpfen leben.

Wenn wir Gott dafür loben wollten,

könnten wir es tun,

indem wir ehrfürchtig und vorsichtig mit seiner Schöpfung umgehen.

Uns Zeit nehmen zum Staunen

über die Schönheit und die Wunder der Natur.


Gott hat uns ins Leben gerufen.

Wenn wir Gott dafür loben wollten,

könnten wir mit uns und unserem Körper

pfleglich und liebevoll umgehen.

Könnten unsere Fähigkeiten entdecken und entwickeln,

wie z.B. das Orgel- oder Geigespielen.


Gott hat uns Menschen an die Seite gegeben:

Eltern und Geschwister,

Freundinnen und Freunde,

eine Partnerin, einen Partner,

Kinder.

Wenn wir Gott dafür loben wollten,

könnten wir liebevoll zu den Menschen sein,

die uns nahe stehen und mit denen wir täglich zu tun haben.

Und wir könnten die Würde und das Recht

der anderen achten,

die mit uns auf diesem Planeten leben.


Gott hat uns seinen Sohn gegeben,

„damit alle, die an ihn glauben,

nicht verloren gehen,

sondern das ewige Leben haben.” (Johannes 3,16)

Wenn wir Gott dafür loben wollten,

könnten wir versuchen, so zu leben,

wie sein Sohn es für uns wollte:

In Liebe zu uns selbst

und zu unseren Mitmenschen -

das sind die, die Gott uns vor die Füße legt.

Und in Liebe zu Gott,

die sich darin äußert,

dass wir nach seinem Willen leben.

Wenn wir das tun,

wenn wir es versuchen,

loben wir Gott alle Tage unseres Lebens.





Wer leben möchte, gute Tage sehen will,

bewahre seine Zunge vor Bösem

und seine Lippen davor, Trug zu reden.

Halte dich fern vom Bösen und tue Gutes.

Suche den Frieden und folge seinen Spuren.


Wer möchte leben, gute Tage sehen?

Man müsste vielmehr fragen:

Wer möchte das nicht?


Wir alle wollen leben,

wollen, dass uns gut geht.

Den meisten von uns geht es ja auch gut.

Es könnte natürlich immer besser sein …

Doch im Vergleich zu den Menschen in der Ostukraine,

im Jemen, in Afghanistan, im Sahel

geht es uns geradezu paradiesisch.


Im Vergleich:

Meist vergleicht man sich in die andere Richtung.

Nicht mit denen, die es schlechter,

sondern mit denen, die es scheinbar besser haben als man selbst.

Ihnen gegenüber haben wir das Gefühl,

es ginge uns nicht gut,

weil es ihnen besser geht,

weil sie mehr haben als wir.

Weil ihnen manches leichter fällt,

sie einen besseren Beruf haben,

mehr verdienen

oder etwas können, das wir nicht können.

Wenn wir uns mit solchen Leuten vergleichen,

haben wir das Gefühl,

benachteiligt, ungerecht behandelt worden zu sein.

Dann können wir nicht mehr genießen,

was wir doch auch reichlich haben,

wenn nicht sogar im Überfluss.


Der Genuss dessen, was wir haben,

kann einem auch durch einen anderen Vergleich verdorben werden:

Wenn man sich mit den Menschen vergleicht,

die weniger haben als wir.

Die zum Gerippe abgemagerten Kinder im Sahel

machen ein schlechtes Gewissen.

Wie lächerlich wenig wäre nötig,

um diese Kinder vor dem Hungertod zu retten!

Am Leid dieser Kinder sind wir nicht unschuldig.

Der Klimawandel hat die Dürre im Sahel noch verschärft.

Die ungleiche Verteilung des Reichtums verhindert,

dass diese Kinder genug zum Leben haben.

Man kann sein eigenes Glück nicht unbeschwert genießen,

wenn man sieht, wie wenig andere zum Leben haben,

wie andere leiden.


Für den Psalm hängen gute Tage und ein gutes Leben zusammen.

Wer versucht, gut zu sein und nicht böse,

wer sich um Frieden bemüht und tut, was dem Frieden dient,

wird gute Tage erleben -

selbst dann, wenn er oder sie nicht viel besitzt.

Tage, die frei sind von einem schlechten Gewissen,

befreit vom Vergleichen mit anderen.


Jede:r möchte leben und gute Tage sehen.

Wenn alle nicht nur darauf achten,

dass sie selbst genug haben,

dass sie und ihre Familien versorgt sind,

sondern wenn es unser aller Anliegen ist,

dass auch die anderen leben

und gute Tage sehen können:

Dann geht es allen gut.

Samstag, 11. Juni 2022

Segen erringen

Predigt am Sonntag Trinitatis, 12. Juni 2022, über Genesis 27.32:

Jakob und Esau waren Zwillinge.

Isaak, ihr Vater, hatte Esau am liebsten.

Rebekka, ihre Mutter, hatte Jakob am liebsten.

Als Isaak alt geworden war, konnte er nicht mehr sehen.

Er wusste, er würde bald sterben.

Deshalb wollte er Esau, seinen Lieblingssohn, segnen.

Rebekka hörte das.

Als Esau weggegangen war,

sagte sie zu Jakob:

Zieh dir Esaus Kleider an und geh zu deinem Vater,

damit er dich segnet.

Jakob zog sich Esaus Kleidung an und ging zu seinem Vater.

Als Isaak den Duft seiner Kleider roch,

segnete er ihn und sagte:

Ah! Der Duft meines Sohnes ist wie der Duft eines Feldes,

das der Herr gesegnet hat.

Gott soll dir Tau vom Himmel schenken

und deinem Boden Fruchtbarkeit,

Korn und Wein im Überfluss!

Völker sollen dir dienen

und Nationen sich vor dir niederwerfen.

Du sollst über deine Brüder herrschen,

und die Söhne deiner Mutter sollen sich vor dir niederwerfen.

Wer dich verflucht, ist selbst verflucht,

und wer dich segnet, ist gesegnet.


Nachdem Isaak Jakob gesegnet hatte,

weil er dachte, es wäre Esau gewesen,

kam Esau selbst zurück

und ging zu seinem Vater,

um sich segnen zu lassen.

Sein Vater erschrak. Er hatte seinen Segen Jakob gegeben.

Esau fragte: Hast du für mich denn keinen Segen mehr übrig?

Isaak sagte zu Esau:

Ich habe Jakob als Herrscher über dich eingesetzt.

Alle seine Brüder habe ich ihm als Knechte übergeben.

Mit Korn und Wein habe ich ihn versorgt.

Was kann ich da noch für dich tun, mein Sohn?

Esau fragte ihn: Mein Vater, hast du denn nur einen einzigen Segen?

Segne auch mich, mein Vater! Dann weinte Esau.

Da sagte sein Vater Isaak:

Fern von guten Feldern wirst du wohnen

und fern vom Tau, der vom Himmel fällt.

Von deinem Schwert wirst du leben

und deinem Bruder wirst du dienen.


Esau hasste Jakob,weil sein Vater ihn gesegnet hatte.

Am liebsten hätte er ihn umgebracht.

Aus Angst vor Esaus Rache lief Jakob weg.

Er versteckte sich bei seinem Onkel in einem anderen Land.

Nach vielen, vielen Jahren beschloss er,

nach Hause zurück zu kehren.

Aber er hatte immer noch große Angst vor Esau.

In der Nacht, bevor er seinem Bruder begegnen sollte,

war Jakob ganz allein.

Plötzlich war da jemand,

der mit ihm kämpfte.

Die ganze Nacht kämpfte er mit ihm, bis der Morgen anbrach.

Aber er sah, dass er Jakob nicht besiegen konnte.

Da packte er Jakob am Hüftgelenk,

sodass es beim Ringen ausgerenkt wurde.

Dabei sagte er: Lass mich los! Denn der Tag bricht an.

Jakob entgegnete: Ich lasse dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.

Der andere fragte Jakob: Wie heißt du?

Er antwortete: Jakob.

Da sagte der andere: Von nun an sollst du nicht mehr Jakob heißen,

sondern Israel, ›Gotteskämpfer‹.

Denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft

und bist Sieger geblieben.

Und er segnete ihn dort.

Kinderzeichnung mit Kreide auf dem Asphalt: ein Regenbogen und ein Kind, das sich freut



Liebe Gemeinde,


wie gut, wenn man ein Einzelkind ist!

Als Einzelkind bekommt man die volle Zuwendung,

die ungeteilte Liebe von Mutter und Vater.

Und oft auch von den Großeltern,

wenn man das erste Enkelkind in der Familie ist.

Man wird umsorgt und verwöhnt,

bekommt viel Aufmerksamkeit und viel Lob.


Hat man mehrere Geschwister,

muss man sich Aufmerksamkeit, Zuwendung und Liebe

mit anderen teilen.

Natürlich lieben Eltern alle ihre Kinder.

Aber sie lieben nicht alle gleich.

Alle Menschen sind verschieden,

das sind sie schon als Kinder.

Ein Kind ist ruhig und verschmust,

ein anderes ist wild, muss toben und schreien -

und dabei geht manchmal etwas zu Bruch.

Ein Kind ist gut in der Schule,

ist fleißig und aufmerksam;

ein anderes träumt vor sich hin,

spielt lieber am Computer, als die Hausaufgaben zu machen.


So unterschiedlich waren auch die Zwillinge Jakob und Esau

aus der Geschichte, die wir gerade gehört haben.

Esau war ein wilder Kerl, der gern auf die Jagd ging.

Er konnte mit Waffen umgehen, ging keinem Streit aus dem Weg

und brachte seinem Vater oft ein Wildbret mit,

das er für ihn grillte - oh, wie Isaak das schmeckte!

Esau war ganz nach Isaaks Geschmack;

ein Sohn, wie er ihn sich immer gewünscht hatte.


Jakob war, man muss es wohl so sagen,

ein Muttersöhnchen.

Er ging Raufereien und den wilden Spielen der anderen Jungs aus dem Weg,

saß lieber zuhause und las oder übte auf seiner Flöte

und half der Mutter bei der Hausarbeit und auf dem Hof.

Rebekka war jeden Tag glücklich über ihren Sohn Jakob.


Jakob, der Liebling seiner Mutter,

und Esau, der ganze Stolz seines Vaters -

warum kann nur einer von beiden den Segen bekommen?

Zuerst einmal ist es bemerkenswert,

dass es zwei Arten von Segen gibt:

Den Segen des Vaters und den Segen Gottes.

Es ist der Segen Isaaks, den es nur einmal gibt.

Denn nur einer seiner beiden Söhne ist so,

wie sein Vater es sich wünscht.


Das kennen manche von uns auch:

Als Heranwachsende träumen wir von dem,

was wir einmal werden wollen.

Auch unsere Eltern haben Pläne für uns,

Vorstellungen, was das Richtige, das Beste für uns ist.

Nicht selten passen unsere Träume

und die Pläne unserer Eltern nicht zusammen.

Dann gibt es ein Kräftemessen, ein Ringen, wer sich durchsetzt,

oder sogar einen Streit.

Der Streit endet im schlimmsten Fall damit,

dass das Kind seinen Eltern nachgibt und seinen Traum beerdigt -

oder dass es das Elternhaus verlässt,

ohne dass sich die streitenden Parteien ausgesöhnt haben.


So oder so, am schlimmsten ist dieser Streit für das Kind.

Denn was sich jedes Kind wünscht,

was jedes Kind braucht ist,

dass die Eltern stolz auf ihr Kind sind,

einverstanden mit seinen Plänen,

und es darin unterstützen und fördern.

Wenn die Eltern aber nicht ihren Segen geben

zu der Entscheidung ihres Kindes, fehlt das Wichtigste.

Der fehlende Segen der Eltern macht es so schwer,

seinen eigenen Weg zu gehen,

dass viele lieber nachgeben,

statt das Wohlwollen, die Unterstützung

und die Liebe der Eltern zu verlieren.


In der Geschichte hätte Jakob den Segen seines Vaters nie bekommen -

er war so ganz anders, als Isaak sich seinen Sohn wünschte.

Deshalb benutzte er eine List.

Aber der mit List erworbene Segen nützt Jakob nichts.

Er muss sein Elternhaus dennoch verlassen.

Was also hat Jakob davon, dass er sich den Segen erschlichen hat?


Jakob hat sich durchgesetzt.

Er hat seinem Vater nicht nachgegeben,

der ein anderes Leben für ihn wollte.

Jakob blieb bei dem, was er für richtig hielt,

was er sich als Ziel seines Lebensweges vorgenommen hatte.

Das war die erste Voraussetzung dafür,

dass aus Jakob Israel werden konnte,

der Stammvater des Volkes Israel.


Die andere Voraussetzung war sein Ringen mit Gott.

In Jakobs Bruder Esau lebte sein Vater weiter,

der Esau so bewundert und geliebt hatte.

In ihm lebte auch der Betrug weiter, den Jakob begangen hatte,

um an Isaaks Segen zu kommen.

Jakob möchte sich aussöhnen mit seiner Vergangenheit,

aussöhnen mit seinem Bruder,

um wieder in Frieden und ohne Angst leben zu können.

Aber wie wird sein Bruder reagieren, wenn er ihm gegenübertritt?

Wird er ihm immer noch böse sein,

wird er ihm gar etwas antun?


In der Nacht vor der Begegnung mit Esau

ringt Jakob mit seiner Angst.

Er ringt mit sich: War es richtig,

dass ich mir damals den Segen erschlich?

War es richtig, dass ich meinen Weg gegangen bin,

meine Familie verlassen habe?

Und er ringt mit Gott, dem er die selben Fragen stellt.

Er ringt leibhaftig mit ihm und lässt nicht locker.

Er will von Gott hören, was sein Vater ihm nicht sagen konnte:

Ich bin stolz auf dich.

Er will von Gott haben, was sein Vater ihm nicht geben wollte:

seinen Segen.

Die Zustimmung zu seiner Entscheidung,

das Wohlwollen, die Unterstützung.

Und er bekommt den Segen.


Den Segen der Eltern erhält nur der,

der dem Willen der Eltern folge leistet.

Es sei denn, die Eltern wären so großzügig und weitherzig,

ihren Kindern die Entscheidung über ihren Lebensweg selbst zu überlassen

und sie auch dann zu unterstützen und zu ihnen zu stehen,

wenn sie andere Wege gehen als die Eltern.


Gottes Segen ist für alle da.

Auch Gott hat einen Plan für uns -

dass wir glücklich sein und andere Menschen glücklich machen sollen.

Aber weil wir Menschen alle verschieden sind

und weil Gott uns alle gleich lieb hat, ohne Unterschied,

überlässt er es uns, wie wir dieses Ziel erreichen.

Was Gott aber von uns will ist,

dass wir zu uns selbst stehen können

und zu der Entscheidung, die wir für unser Leben getroffen haben.

Darum müssen wir manchmal ringen -

mit uns selbst, und auch mit Gott.

Am Ende aber steht die Gewissheit,

dass Gott mit uns und unserer Entscheidung einverstanden ist

und dass er stolz auf uns ist -

so stolz, wie man nur sein kann.

Samstag, 4. Juni 2022

Das Spiel des Lebens

Predigt am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, über Römer 8,1-11:

Es gibt also keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.

Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus

befreite dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.


Was dem Gesetz unmöglich war

durch die Schwäche der leiblichen Existenz,

[das erfüllte] Gott, indem er seinen eigenen Sohn sandte,

gleichgestaltet der leiblichen Existenz der Sünde,

und indem er durch die Sünde das Urteil an der Sünde

in der leiblichen Existenz vollzog,

damit das Gebot des Gesetzes in uns erfüllt würde,

die wir nicht leiblich existieren, sondern geistlich.

Denn wer leiblich existiert, ist auf Leibliches bedacht,

wer aber geistlich existiert, auf Geistliches.

Denn das Streben der leiblichen Existenz ist der Tod,

das des Geistes Leben und Frieden.

Deshalb ist das Streben der leiblichen Existenz Gott feindlich,

denn sie gehorcht Gottes Gebot nicht;

sie ist dazu gar nicht in der Lage.


Ihr aber existiert nicht leiblich, sondern geistlich,

da euch Gottes Geist einwohnt.

Wer den Geist Christi nicht hat, gehört nicht zu ihm.

Ist Christus in euch, ist der Körper zwar tot wegen der Sünde,

aber der Geist lebt durch die Rechtfertigung.

Wohnt euch der Geist dessen,

der Jesus von den Toten auferweckte, ein,

dann wird der, der Christus von den Toten auferweckte,

auch eure sterblichen Körper lebendig machen

durch den Geist, der in euch wohnt.


Spielende beim Fallschirmspiel, ein Spiel der „New Games”, die gerade eine Kuppel mit dem Fallschirm bilden.

Fallschirmspiel, Foto aus: andrew fluegelman, shoshana tembeck, new games - die neuen spiele



Liebe Schwestern und Brüder,


für Paulus geht es um Leben und Tod.

Mit weniger, scheint es, gibt er sich nicht zufrieden.

Denn für ihn steht viel, steht alles auf dem Spiel:

Unsere Existenz steht auf dem Spiel.

Sie steht auf dem Spiel,

weil wir uns nicht an die Spielregeln halten.

Die Spielregeln, das sind für Paulus nicht

die Naturgesetze, denen wir unterworfen sind,

nicht die biologischen oder sozialen Bedingungen unseres Lebens.


Paulus geht es um die Regeln, die Gott aufgestellt hat.

Die Gebote - das „Gesetz”, wie Paulus es nennt.

Das Gesetz Gottes steht über den Naturgesetzen,

über den biologischen und sozialen Voraussetzungen,

die unser Leben bestimmen.

Denn diese setzen nur den Rahmen,

innerhalb dessen wir uns bewegen.

Sie sind, um im Bild zu bleiben, das Spielbrett,

auf dem wir, die Spielfiguren, unsere Züge machen.

Wir können über die Grenzen dieses Spielbretts,

über die Grenzen unserer Welt,

unseres Körpers, unseres Miteinanders nicht hinaus.

Wir müssen uns auf den Pfaden bewegen,

die die Natur uns vorschreibt.

Sie sind die Felder auf unserem Spielbrett.

Gottes Gesetz aber ist die Spielregel,

die das Spiel erst zum Spiel macht

und die darüber entscheidet,

ob und wie wir dieses Spiel gewinnen oder verlieren.


Warum sollten wir uns dann nicht an die Spielregeln halten?

Wir wollen doch gewinnen!


Paulus sagt: Wir können uns gar nicht daran halten.

Die Bedingungen unserer Existenz -

also die Art, wie das Spielbrett, unsere Welt,

und wie wir, die Spielfiguren, beschaffen sind -

machen es uns unmöglich, die Spielregeln einzuhalten.

Der berühmte, Lukas Podolski zugeschriebene Satz:

„Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel”

beschreibt dieses Dilemma genau:

Wir, die Spielfiguren, und die Welt, unser Spielbrett,

passen nicht zusammen.


Das erkennt man daran,

wie Natur, Umwelt und Mitgeschöpfe

von uns in Mitleidenschaft gezogen werden;

wie sie unter uns leiden,

von uns gestört, zerstört, ausgerottet werden.


Man erkennt es auch am Klimawandel,

der sich immer weiter verschärft,

weil wir darauf warten,

dass andere etwas dagegen unternehmen,

bevor wir selbst tätig werden.


Wir Spielfiguren tragen dieses Spiel des Lebens

auch nicht wie ein Spiel aus.

Ein Spiel, so ernsthaft und engagiert es auch gespielt wird,

macht allen Freude - sonst würde man es nicht spielen.

Ein Spiel kennt Gewinner und Verlierer,

aber es vernichtet den Gegner nicht.

Und die Grundlage eines jeden Spiels ist Fairness:

Alle Mitspieler haben die gleichen Chancen -

und sollen die gleiche Freude am Spiel haben.


Das „wahre Leben” sieht anders aus.

Das Leben ist kein Spiel, sondern ein Kampf,

in der jede:r versucht,

das meiste und beste für sich herauszuholen.

Ein Kampf, der nicht fair

und unter ungleichen Voraussetzungen gekämpft wird.

Ein Kampf, der oft bis zur Vernichtung des Gegners geführt wird

und Schwächere oft genug das Leben kostet.


Es stimmt, was Paulus sagt:

Wir können die Spielregeln, Gottes Gesetz, nicht einhalten.

Das bedeutet:

Wir können das Spiel des Lebens niemals gewinnen,

ja, wir können es nicht einmal spielen.

Daraus folgert Paulus:

Wenn wir allein von uns

und der Beschaffenheit unserer Welt ausgehen,

verfehlen wir unser Leben,

wie es nach Gottes gutem Willen für uns

sein könnte und sein sollte.

Für uns - und für alle anderen Menschen.


Unsere Art zu leben

fördert und verursacht den Tod auf tausendfache Weise.

Und wenn wir auch selbst in Frieden und Wohlstand leben,

lastet doch das Schicksal der anderen,

denen es nicht so gut geht wie uns,

auf unseren Gewissen.

Denn wir wissen ja, wie es nach Gottes Willen sein sollte.

Es ist uns gesagt, was gut ist und was Gott von uns fordert.

Aber genau das können wir nicht tun,

selbst, wenn wir wollen und uns anstrengen -

ein teuflischer Kreislauf.


Darum greift Gott selbst ein.

Gott ändert nicht die Regeln -

die sind ja gut.

Sie machen das Leben erst zu einem Spiel,

das allen Freude und Glück bereiten könnte.

Gott ermöglicht uns vielmehr,

dass wir uns an die Regeln halten können.

Das ist gar nicht so einfach, wie es klingt.

Denn die Spielfiguren - wir -

und das Spielbrett - unsere Welt -

sind ja schon vorhanden.

Und damit auch die Gesetze,

die für uns auf diesem Spielbrett gelten,

die Schwerkraft z.B.

Und auch der Neid, der Geiz, die Gier,

Gedankenlosigkeit, Missgunst oder Herzlosigkeit.

Das kann Gott nicht einfach ändern.

Denn dann müsste Gott neue Spielfiguren schaffen

und ein neues Spielbrett.

Das wäre dann aber nicht mehr unser Spiel -

wir wären ja auch gar nicht mehr da.


Gott kann nur etwas ändern,

indem er sich selbst ins Spiel bringt.

Sein Sohn Jesus Christus wird zu unserem Mitspieler.

Und erleidet, was unzählige Mitspieler

vor und nach ihm erlitten haben.

Aber Jesus lässt sich, um im Bild des Spiels zu bleiben,

nicht rauswerfen.

Er bleibt im Spiel.

Und holt alle die zurück ins Spiel,

die, wie er, unfair behandelt wurden,

denen man übel mitspielte, die man rauswarf.


Jesus bleibt im Spiel und gibt uns seinen Geist.

Daran erinnern wir uns heute, an Pfingsten.

Der Geist Jesu,

das ist der Geist, in dem die Regeln abgefasst wurden.

Der Geist Jesu,

das sind die Regeln in Person.

Wenn der Geist Jesu - Gottes Geist - in uns wohnt,

werden die Spielregeln,

werden Gottes Gebote ein Teil von uns.

Wir haben sie verinnerlicht.


Trotzdem können wir noch mogeln oder schummeln,

trotzdem unfair spielen, sogar andere rauswerfen.

Aber Gottes Geist bringt uns wieder und wieder

zu den Regeln zurück, die Gott aufgestellt hat.

Er erinnert uns daran,

dass das Leben kein Kampf ist jede:r gegen jede:n,

kein Krieg, sondern ein Spiel.

Ein Spiel, das Freude bereiten soll, glücklich machen.

Ein Spiel, das schön ist.

Ein Spiel, in dem alle mitspielen dürfen, mitspielen sollen.


Und wer gewinnt am Ende?

Wenn das Leben das Spiel ist,

das nach Gottes Regeln gespielt wird,

gibt es am Ende weder Gewinner noch Verlierer.

Denn der Reiz des Spiels, das unser Leben ist,

liegt nicht im Gewinnen,

nicht darin, auf der Seite der Stärkeren, der Gewinner zu stehen.

Der Reiz des Spiels -

seine Schönheit, seine Freude, sein Glück -

liegt im Spiel selbst.

Im Miteinander aller Mitspielenden,

die sich einbringen ins Spiel

in ihrer Einzigartigkeit,

mit ihren Eigenheiten und Gaben,

ihren Träumen und Sehnsüchten.


Heute, an Pfingsten, erinnert uns Gott daran,

dass das Leben ein Spiel ist -

auch, wenn es uns oft nicht so erscheinen will.

Gottes Geist begeistert uns für dieses Spiel des Lebens

und ermutigt uns, dass wir uns an die Regeln halten.

Sie sind sehr einfach.

In der Fassung der „New Games”,

die Mitte der 60er Jahre in den USA erfunden wurden,

lauten sie:

„play hard, play fair, nobody hurt” -

„spiel intensiv, spiel fair, tu niemandem weh”.

Oder, wie Jesus sie formulierte:

„Du sollst Gott lieben

von ganzem Herzen, von ganzer Seele

und mit aller deiner Kraft

und deine:n Nächste:n wie dich selbst.”

Wenn wir uns an diese einfachen Regeln halten,

haben alle Freude am Spiel.