Samstag, 21. Oktober 2017

Der Wirt verteidigt sich

Krippenspiel für Erwachsene: Der Wirt verteidigt sich
Frei nach Charly Clerc, Der Herbergswirt verteidigt sich. Ein Geschichtenkreis. Köln 1960

Personen:
Wirt
Wirtin
Maria
Josef
Caspar - stumme Rolle
Melchior
Balthasar - stumme Rolle
Hirten - stumme Rollen
Engel

1. Die Wirtsleute erinnern sich
Wirt sitzt im Sessel mit Blick zum Publikum, in der Hand eine Fernbedienung. Schaut in einen Fernseher, der vor ihm steht.

Wirtin: Na, guckst du wieder Sportschau?
Wirt: Nein, ich schaue mir eine DVD mit Bildern unserer alten Herberge an.
Wirtin: Das „König David Hotel“ in Bethlehem?
Wirt: Ja.
Wirtin: Ich war ja immer der Meinung,
dass der Name ziemlich hochtrabend klingt.
Wirt: Na, hör mal, schließlich wurde in diesem Haus König David geboren!
Wirtin: So erzählte man sich. Beweise gibt es keine.
Wirt: (zeigt auf den Fernseher)
Hier, sieh mal, das ist die Marmortafel,
die ich direkt überm Eingang anbringen ließ:
„In diesem Haus wurde 2761 Jahre nach Erschaffung der Welt unser König David geboren,  König über ganz Israel“.
Wirtin: Hat dich eine schöne Stange Geld gekostet.
Wirt: Aber es hat sich gelohnt!
Wie viele Touristen wir als Gäste hatten!
Ob die Tafel wohl noch hängt?
Wirtin: Warum sollte sie jemand abgenommen haben?
Wirt: Du hast recht.
Schade, dass wir die Herberge aufgeben mussten.
Wirtin: Hätten wir damals bloß nicht diesen Fehler gemacht!
Wirt: Bitte, erinnere mich nicht daran!
Wirtin: Doch, wir müssen uns daran erinnern, gerade heute.
Wirt: Ich könnte mir jetzt noch die Haare ausraufen, wenn ich daran denke.
Wir hätten das Geschäft unseres Lebens gemacht!
Wirtin: Hätten. Aber wir haben nicht. Und nun ist es zu spät.

(Wirtin, Wirt stehen auf, tragen Fernseher und Sessel zur Seite)

2. Herbergssuche
Maria und Josef treten auf.

Maria: Josef, ich will dich ja nicht drängeln.
Aber wenn wir nicht bald eine Unterkunft finden,
bekomme ich das Kind hier auf der Straße.
Josef: An wie viele Türen haben wir schon geklopft, Maria!
Nirgends ist ein Zimmer frei.
Ganz Israel scheint auf den Beinen zu sein.
Maria: Josef, das ist mir ziemlich egal.
Ich brauche ein Bett. JETZT!!!
Josef: Beruhige dich, Maria. Da ist noch eine Herberge:
Das „König David Hotel“.
Klingt ziemlich vornehm.
Ob wir uns das leisten können?
Maria: Die werden doch wohl eine Schwangere nicht von ihrer Schwelle weisen!
Und ein paar Schekel haben wir ja noch.
Die waren zwar für Windeln gedacht, aber jetzt ist sowieso alles egal.
Wenn ich nur ein Bett bekomme.
Josef: Ich frage sofort nach, Maria!
(klopft an)
Wirt: (öffnet)
Guten Abend, die Herrschaften!
Womit kann ich dienen?
Josef: Wir … meine Frau … Sie sehen ja …
Es ist dringend! Das Kind kommt!
Wirtin: (kommt hinter dem Wirt hervor)
Oh je, oh je, Sie Ärmste!
(zum Wirt)
Geben wir ihnen das Extrazimmer.
Wirt: (beiseite)
Bist du verrückt! Um diese Zeit?
Du weißt doch, die reichen Gäste kommen immer erst spät in der Nacht.
Wenn wir für einen von denen kein Zimmer haben,
entgeht uns der Verdienst einer ganzen Woche!
Diese Leute hier sind arm dran, aber sie haben sicher nur ein paar Schekel.
(laut, zu Josef und Maria)
Ach, das tut mir schrecklich leid!
Wir sind leider komplett ausgebucht.
Ich würde Ihnen so gern helfen, aber leider …
Josef: Haben Sie doch Erbarmen mit uns!
Das Kind kann jeden Augenblick kommen!
Wirtin: (zieht Wirt am Ärmel)
Wie ist es mit dem Stall?
Wirt: Der Stall?
Wirtin: Ja! Das Vieh ist doch noch auf der Weide,
das Stroh ist einigermaßen frisch.
Du gibst ihnen eine Laterne und ein paar Decken mit.
Wirt: Gute Idee! Dafür können sie uns auch etwas zahlen.
(laut)
Also, ein Zimmer haben wir leider nicht mehr.
Aber einen Stall …
Maria: (macht ein langes Gesicht)
Ein Stall!? Seid Ihr denn …
Josef: (unterbricht sie, zum Wirt) 
Einen Moment, bitte!
(zu Maria, dringlich)
Erinnere dich daran, wo wir überall schon waren!
Wir finden keine Unterkunft mehr.
Ein Stall ist sicher nicht bequem, aber wir sind geschützt.
Und die Wirtsleute werden uns aushelfen.
Sie sind doch eigentlich ganz nett.
Maria: Nett? Pah!
Josef: (zum Wirt)
Vielen Dank! Wir würden gern den Stall nehmen,
wenn Ihr keine andere Unterkunft für uns habt.
Wirtin: Der Stall ist in Ordnung, ihr werdet sehen!
Mein Schwager hat ihn gerade renoviert.
Es zieht nicht, und sauber ist er auch.
Wir geben euch auch eine Laterne und Decken mit.
Wirt: Das macht dann 10 Schekel.
Wenn ich um Vorkasse bitten dürfte …
(hält die Hand auf)
Josef: (zählt ihm 10 Münzen in die Hand)
Ganz schön happig für einen Stall!
Wirt: Dafür frisch renoviert!
Eine gute Nacht, und alles Gute für Ihre Frau!
Josef: Danke!

(Maria und Josef gehen nach hinten, wo eine Krippe und zwei Stühle stehen. Nehmen Platz)

3. Die Geburt
Hirten finden sich am Stall ein, bilden einen Halbkreis um die Krippe.

Wirtin: (Schaut hinüber zur Krippe, zum Wirt)
Du, das ist ganz schön was los in unserem Stall!
Wirt: Was soll denn da los sein?
Wahrscheinlich ist das Kind zur Welt gekommen.
Wirtin: Nein, ich meine den Menschenauflauf.
Und es werden immer mehr.
Wirt: Lass mich mal sehen.
(Wirtin tritt zur Seite)
Du meine Güte! Man könnte meinen, ganz Bethlehem ist auf den Beinen!
Und was machen die Hirten da?
Die sollen doch auf unser Vieh aufpassen!
Na, denen werde ich aber Beine machen!
Wirtin: Das lässt du schön bleiben!
Wir warten erst mal ab.
Es muss etwas Besonderes mit dieser Geburt sein,
wenn sie so viele Menschen anzieht.
Wirt: Sag mal, wie viele Laternen hast du den beiden eigentlich mitgegeben?
Wirtin: Na, die eine nur, warum fragst du?
Wirt: Weil es jetzt auf einmal ganz hell ist in unserm Stall,
als würden dort zehn Laternen brennen.
Wirtin: Komm, das sehen wir uns aus der Nähe an!
Schließlich ist es unser Stall, in dem das Kind zur Welt gekommen ist!
Ich nehme auch noch ein paar alte Windeln mit.
Sie sind von unserem Ältesten, sind noch so gut wie neu.

(Wirtin, Wirt gehen zur Krippe. Stellen sich hinter die Hirten)

4. Die Könige
Die Heiligen Drei Könige kommen. Sie tragen Geschenke vor sich her.

Wirt: Sieh nur, Frau, die hohen Herren!
Was die wohl hier wollen?
Wirtin: Sie gehen zum Kind! Sieh nur, sie geben ihm ihre Geschenke!
Das glänzt wie Gold und duftet nach Weihrauch und Myrrhe!
Was für Kostbarkeiten.
Davon wäre sicher etwas für uns abgefallen,
wenn du den beiden das Zimmer gegeben hättest!
Wirt: Das konnte ich doch nicht ahnen!
Aber warte, du hast einen klugen Mann geheiratet:
Die reichen Herrschaften werden schließlich irgendwo übernachten müssen.
Denen bieten wir das freie Zimmer an, und unser Schlafzimmer.
Und dann werden wir reich!
Wirtin: Eine gute Idee, lieber Mann.
Da kommt einer der Herrschaften.
Los, sprich ihn an!
(Melchior tritt aus dem Kreis um die Krippe heraus und geht auf die Wirtsleute zu)
Wirt: Einen guten Abend, werter Herr!
Euer ergebendster Diener lädt euch ein,
Gast zu sein in meinem bescheidenen Hause.
Es ist jenes Haus dort, das „König David Hotel“.
König David wurde dort geboren.
Eine wahrhaft würdige Unterkunft für Könige wie Euch!
Ich lasse Euch mein bestes Zimmer herrichten.
Melchior: (mustert die Wirtsleute verächtlich)
Euer bestes Zimmer?
Das hättet Ihr diesem Paar geben sollen!
Für den König, der hier zur Welt kam,
wäre zwar selbst das prächtigste Zimmer noch zu gering.
Aber es wäre allemal besser,
als auf Stroh in einem Stall zur Welt zu kommen.
Ihm hättet Ihr Euer Zimmer geben sollen.
Ich brauche Eure Unterkunft nicht!
(Melchior geht zurück zur Krippe)
Wirt: Oh je, oh je, was habe ich getan!
Wir sind ruiniert!
Wirtin: Das ist ja nun nicht mehr zu ändern.
Wir konnten ja nicht wissen,
wer da heute Nacht geboren wird!

5. Besuch
Wirtin und Wirt bauen Fernsehsessel und Fernseher wieder auf.
Wirt setzt sich in den Sessel, Wirtin stell sich neben ihn.

Wirt: Jetzt ist so viel Zeit vergangen,
und ich könnte mich immer noch ohrfeigen.
Wirtin: Wegen des Geldes, das uns entgangen ist?
Weil wir die Herberge aufgeben mussten?
Wirt: Ach, die Herberge, das Geld …
Uns geht es ja jetzt auch gut.
Ich ärgere mich, dass ich damals nicht gemerkt habe,
wer die beiden waren. Und wer der war, der da geboren wurde.
Wirtin: Wir waren bei der Geburt dabei,
aber wir waren nicht willkommen.
Wirt: Nein, wir waren nicht wollkommen.
Wir konnten nur von ferne zusehen.
Zu uns ist er nicht gekommen, der Sohn Gottes.
Engel: (tritt auf die Wirtsleute zu)
Fürchtet euch nicht!
Wirtin, Wirt: Wir fürchten uns nicht. Wer bist du?
Engel: Ich bringe euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird.
Auch euch ist heute der Heiland geboren,
welcher ist Christus, der Herr.
Er wurde einmal geboren,
damals, in einem Stall in Bethlehem.
Und er wird immer wieder geboren
in den Herzen der Menschen.
Auch heute wird er geboren …
(blickt die Wirtsleute an)
… in euren Herzen …
(blickt in die Gemeinde, breitet die Arme aus)
… und in euren Herzen.
(zu den Wirtsleuten)
Kommt mit mir.
Lasst uns zur Krippe gehen
und das Wunder sehen, das heute geschah.
(Wirtsleute gehen mit dem Engel zur Krippe)

Freitag, 20. Oktober 2017

Das verlorene Schaf. Ein Krippenspiel

Krippenspiel für variable Kinderzahl: Das verlorene Schaf

Hirten (je nach Anzahl der Kinder, mind. 3)
David, ein Hirt
Josua, ein Hirt
Caspar
Melchior
Balthasar
Engel (je nach Anzahl der Kinder, mind. 3)

1. Die Hirten sitzen im Kreis
Hirte: Wie still es ist.
Hirte: Und so friedlich.
Hirte: (zeigt an den Himmel) Seht, wie die Sterne funkeln und leuchten!
Hirte: Sie sehen viel größer aus als sonst.
Hirte: Und sie leuchten so hell! Ich kann sogar dein Gesicht erkennen!
David: (kommt zum Kreis) Sagt mal, habt ihr Josua gesehen?
Hirte: Josua? Ich dachte, der wäre bei dir!
Hirte: Wolltet ihr nicht die Schafe zusammentreiben?
David: Haben wir auch. Aber dann war er verschwunden.
Ich dachte, er wäre zu euch gegangen.
Hirte: Nein, hier war er nicht.
David: Wo er nur steckt?
Hirte: Ach, der kommt sicher gleich. Setz dich zu uns!
Hirte: Genieße diese wunderbare Nacht!
(David setzt sich in den Kreis)

2. Durch den Mittelgang kommen die drei Könige
(Balthasar und Melchior stöhnen)

Caspar: Kommt, noch ein kleines Stück, wir habens gleich geschafft!
Melch.: Wie kommst du darauf? Hier ist doch nichts als Wüste!
Balth.: Wüste, Wüste, Wüste, wohin das Auge reicht!
Ich kann keinen Sand mehr sehen!
Melch.: Überall Sand, in den Schuhen, im Nacken, in den Augen.
Mir reichts! Lass uns rasten!
Caspar: Gleich sind wir da! Ich habe das Blöken von Schafen gehört.
Es kann nicht mehr weit sein!
Balth.: Das hast du vor einer Stunde auch schon gesagt.
Melch.: Und davor auch schon.
Balth.: Du hast nicht Schafe gehört, sondern meinen Magen!
Er knurrt so laut, weil ich seit heute Morgen nichts mehr gegessen habe.
Melch.: Ich auch nicht. Du mit deinem "gleich sind wir da"!
Caspar: Haltet durch! Wir haben unser Ziel erreicht!
Melch.: Hoffentlich hast du recht. Ich kann nicht mehr!

3. Die Könige bei den Hirten
Caspar: Seht ihr, ich hatte recht! Hier sind die Hirten!
Hirte: Wer seid ihr, hohe Herren?
Melch.: Wir kommen von weit aus dem Osten.
Balth.: Wir wollen dem neu geborenen König die Ehre erweisen
und ihm unsere Geschenke bringen.
Hirte: Ein neu geborener König? Da seid ihr falsch abgebogen.
Da hinten liegt bloß Bethlehem.
Hirte: Der König wohnt in Jerusalem. Das ist genau entgegengesetzt.
(zeigt) Da müsst ihr da lang.
Melchior, Balthasar (drohend zu Caspar):
Wir sind hier falsch?
Hast du uns in die Irre geführt, Caspar???
Caspar: Nein! Seht doch: (Zeigt auf den Stern) 
Der Stern steht genau über dem Ort Bethlehem.
Da müssen wir hin!
Kommt, wir sind gleich da.
Hirte: Darf man fragen, was ihr dem König schenkt?
Caspar: Geschenke, die eines Königs würdig sind: Gold.
Melch.: Weihrauch.
Balth.: Und Myrrhe.
Hirte: Myrrhe? Was ist das denn?
Balth.: Eine kostbare Salbe.
Caspar: Jetzt müssen wir aber los. Shalom! Friede sei mit euch!
Hirte: Friede sei mit euch.

(Könige ab)

4. Die Engel bei den Hirten
Hirte: Ein König wurde geboren! In unserem Dorf!
Hirte: Das kann ich nicht glauben.
Hirte: Vergiss nicht: König David wurde in Bethlehem geboren.
Hirte: Das ist doch 1.000 Jahre her!
Hirte: Ob wir den König auch sehen dürfen?
Hirte: Was willst du ihm denn schenken? Wir haben doch nichts!
Hirte: Wir kommen doch nicht mal in seine Nähe!
Hirte: Uns Hirten lässt man niemals zum König vor!

(Ein Engel erscheint. Nach und nach kommen immer mehr Engel)
Engel: Fürchtet euch nicht!
Hirte: Oh, schaut mal, wer ist das denn?
Hirte: Sieht der wunderschön aus!
Hirte: Und er leuchtet!
Engel: Wir sind Engel.
Engel: Wir sind Gottes Boten.
Engel: Wir bringen euch eine wichtige Botschaft.
Engel: Heute wurde euer Retter geboren.
Engel: Jesus, der König aller Könige.
Hirte: Warum kommt ihr zu uns?
Hirte: Wir sind doch nur Hirten.
Hirte: Wir dürfen den König sowieso nicht sehen.
Engel: Doch, ihr sollt den König sehen.
Engel: Er wurde nicht in einem Palast geboren, sondern in einem Stall.
Engel: Er liegt nicht in einem weichen Bett, sondern in einer Futterkrippe.
Engel: Er ist in Windeln gewickelt, wie jedes Baby auch.
Engel: Er ist ein Mensch wie ihr.
Engel: Geht zum Stall, seht das Kind.
Und dann erzählt allen, dass Jesus geboren ist.
Christ, der Retter, ist da!
Engel: Ehre sei Gott in der Höhe.

(Engel ab)

5. Die Hirten gehen zum Stall
Hirte: Los, wir gehen nach Bethlehem!
Hirte: Au ja, ich möchte Jesus unbedingt sehen!
Hirte: Wie das aussieht: Wir Hirten mitten zwischen den piekfeinen Königen!
Hirte: Na und? Die Engel haben gesagt, wir dürfen das!
Hirte: Wir sollen es sogar!
Hirte: Aber was bringen wir dem König mit?
Hirte: So tolle Dinge wie die Könige haben wir nicht:
Gold, Weihrauch und diese Salbe …
Hirte: Myrrhe.
Hirte: Genau genommen haben wir gar nichts.
Hirte: Da ist noch ein Brot. Die Mutter hat bestimmt Hunger.
Ich nehme das Brot mit.
Hirte: Ich habe einen Wasserschlauch, der ist fast neu.
Hirte: Ein schönes, weiches Schaffell ist genau das richtige für ein Baby!
Hirte: Na, dann haben wir ja alles. Los, lasst uns gehen!
David: Aber wer passt solange auf die Schafe auf?
Hirte: Das kann Josua machen.
David: Aber ist es nicht gemein, einfach abzuhauen?
Er weiß ja gar nicht, wo wir sind!
Hirte: Wer ist denn hier abgehauen?
Oder weißt du, wo Josua steckt?
David: Nein, aber …
Hirte: Nichts aber! Willst du den König sehen oder nicht?
David: Das will ich schon …
Hirte: Na, dann aber los!

(Hirten ab)

6. Josua, allein …
(Josua kommt angelaufen)
Jos: Hallo, Freunde! Ich habe das Lamm gefunden!
Es hatte sich in einem Dornstrauch verfangen und kam nicht mehr los.
Jetzt ist es wieder bei seiner Mutter.
Nanu? Wo sind denn alle?

Mosche!
Ruben!
Simon!

Keine Antwort …
Wo können sie nur stecken?
(sucht)
Los, kommt schon, wo habt ihr euch versteckt?
Das ist nicht witzig!!!
David, wo bist du???
(Engel tritt auf)
Engel: Fürchte ich nicht!
Jos: Hast du mich erschreckt! Wer bist du?
Engel: Ein Bote Gottes. Ich bin ein Engel.
Jos: Weißt du, wo die anderen sind?
Ich war nur kurz weg, weil ein Schaf sich verlaufen hatte.
Ich habe es gefunden und wieder zu seiner Mutter gebracht.
Plötzlich waren alle verschwunden.
Engel: Sie sind nach Bethlehem gegangen.
Jos: Was machen sie denn da?
Sie sollten hier bei den Schafen sein!
Engel: Sie besuchen Jesus, den neu geborenen König.
Jos: Was sagst du da? Hirten besuchen einen König???
Engel: Ja. Und du sollst auch hingehen.
Es ist ein ganz besonderer König, der der Welt den Frieden bringt.
Du sollst den Menschen von ihm erzählen.
Jos: Diesen König würde ich gern sehen!
Aber ich kann hier nicht weg.
Einer muss auf die Schafe aufpassen.
Engel: Geh nur. Heute nacht passen wir Engel auf die Schafe auf.
Es wird ihnen kein Leid geschehen.
Jos: Ich danke dir!
Aber was soll ich dem König mitbringen?
Ich habe nichts, was ich ihm schenken kann.
Engel: Du brauchst ihm nichts mitzubringen.
Er schenkt dir etwas. Du wirst schon sehen …

Warten auf … - ein Krippenspiel

Krippenspiel "Warten auf …", frei nach Beckett

Personen:
Estragon
Wladimir
Maria
Josef
Engel
Hirte 1
Hirte 2
Hirte 3
Caspar
Melchior
Balthasar
Kind

In der Mitte des Altarraums steht eine Bank.
Daneben steht ein kleiner Weihnachtsbaum (1m - 1,50m), an den von jeder* Darsteller*in ein Christbaumschmuck gehängt wird.

1. Estragon und Wladimir kommen, setzen sich auf die Bank
- Schweigen - 
E: Was machen wir hier?
W: Wir warten.
E: Worauf warten wir?
W: Ich weiß es nicht.
- Schweigen -
E: Warum gehen wir nicht weg?
W: Wohin sollten wir gehen?
E: Ich weiß nicht. Nach Hause?
W: Was sollen wir da?
E: Keine Ahnung. Was essen?
W: Ich habe keinen Hunger.
E: Fernsehen?
W: Keine Lust.
E: Einfach auf dem Sofa sitzen?
W: Das machen wir doch hier auch.
Außerdem können wir nicht weg.
E: Warum nicht?
W: Weil wir auf etwas warten.
E: Oder auf jemanden?
W: Oder auf jemanden.

2. Maria und Josef kommen
E: Sieh mal, da kommt jemand.
W: Eine Frau und ein Mann.
E: Die Frau ist schwanger.
W: Das sehe ich.
E: (zu Maria und Josef)
Wohin wollt ihr?
Josef: Nach Bethlehem
Maria: Volkszählung. Befehl des Kaisers.
W: Ich weiß.
Josef: Ihr auch?
W: Nein, wir können nicht.
E: Wir müssen hier warten.
Maria: Ich warte auch, schon fast neun Monate.
Aber bald ist es soweit.
Josef: (zeigt auf Marias Bauch)
Das Kind.
E: Dachten wir uns.
Maria: (krümmt sich)
Oooooh. Ich glaube, es geht los!
Josef: Ist es noch weit bis Bethlehem?
W: Ihr seid gleich da.
E: Praktisch um die Ecke.
W: Nicht zu verfehlen.
Maria: Ihr wartet auch, habt ihr gesagt.
Worauf wartet ihr?
E: Das wissen wir nicht.
Josef: Sicher etwas Gutes.
W: Etwas Gutes, sicher.

Maria und Josef hängen Christbaumschmuck in den Baum, gehen weiter.

3. Estragon und Wladimir allein
E: Woher weißt du, dass es etwas Gutes ist?
W: Ich weiß es nicht, ich nehme es an.
Warum sollten wir sonst hier warten?
E: Ich weiß nicht.
W: Eben.
- Schweigen -
E: Woher wissen wir, dass er kommt?
W: Wer?
E: Na, der, auf den wir warten.
W: Oder das.
E: Was?
W: Das, auf das wir warten.
E: Ja. Woher wissen wir, dass es kommt? Oder er?
W: Wir werden es schon merken.
E: Woran?
W: Ich weiß nicht.
Wir merken es einfach.

4. Der Engel kommt.
Engel: Friede sei mit euch!
W: Was für ein seltsamer Gruß!
E: Wer bist du?
Engel: Das ist mein Geheimnis.
Für euch Menschen bin ich ein Engel.
E: Ein Engel! Auf dich haben wir gewartet!
Engel: Nein, ich bin nur der Bote.
Der, auf den ihr wartet, ist gekommen.
W: Wer ist es?
Engel: Er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
W: Ich kenne niemanden, der so heißt.
E: Ich auch nicht.
Engel: Vor langer Zeit hat der Prophet Jesaja von ihm geweissagt.
Jetzt ist er da.

Engel hängt Schmuck in den Christbaum, geht weg.

5. Wadimir und Estragon allein.
E: Hast du gehört? Er ist da!
Dann können wir endlich gehen!
W: Nein, können wir nicht.
E: Warum nicht?
W: Wir müssen warten.
E: Aber worauf denn noch? Er ist doch da!
W: Wo denn? Siehst du ihn? Ich kann ihn nirgends entdecken.
E: Ich auch nicht. Aber irgendwo muss er ja sein.
W: Das nützt uns nichts. Er muss hierher kommen, zu uns.

6. Die Hirten kommen.
Hirte 1: Habt ihr sie gesehen?
E: Wen? Wir haben hier schon einiges gesehen.
W: Ein Paar, die Frau war schwanger, einen Engel …
Hirte 2: Einen Engel, genau! Den haben wir getroffen.
Hirte 3: Und nicht nur einen … Unheimlich viele!
Hirte 2: Der ganze Himmel war voll von ihnen.
Hirte 1: Was hat der Engel gesagt?
E: Dass er da ist.
Hirte 1: Wer?
W: Der, auf den wir warten.
E: Der, von dem vor langer Zeit geweissagt wurde.
W: Der Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Hirte 3: Der ist es!
Hirte 1: Von dem haben die Engel auch uns erzählt.
Hirte 2: Kommt mit uns!
E: Wohin?
Hirte 2: Nach Bethlehem!
Hirte 1: Dort wurde er geboren, in einem Stall.
Hirte 3: Er liegt, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe.
E: Wir können nicht.
W: Leider.
Hirte 3: Warum nicht?
W: Wir warten.
Hirte 2: Worauf wartet ihr noch?
E: Dass er zu uns kommt.
Hirte 1: Ihr Dummköpfe! Er ist doch noch ein Baby!
Hirte 2: Er kann nicht zu euch kommen!
Hirte 3: Ihr müsst zu ihm kommen!
W: Das geht nicht.
E: Wir können hier nicht weg.
Hirte 1: Schade. Na, dann macht's mal gut!

Hirten hängen Christbaumschmuck in den Baum. Gehen weg.

7. Wladimir und Estragon allein.
E: Er ist ein Baby!
W: Ein Baby, das ein Vater ist. Wie seltsam!
E: Wie es wohl aussieht?
W: Wie soll es aussehen? Klein und schrumpelig.
E: Klein und schrumpelig … Bist du dir da sicher?
W: Absolut!
E: Aber ein Baby kann doch kein Rat sein,
kein Held, kein Vater und auch kein Fürst!
W: Nein, sicher nicht.
E: Wie soll das gehen?
W: Es ist eben ein ganz besonderes Baby.

8. Die Könige kommen.
Casp.: Salam aleikum!
E: Guten Tag!
Melch.: Das heißt "Friede sei mit dir".
E: Ach so. Mit dir auch.
Balth.: Seid ihr schon länger hier?
W: Kann man so sagen.
E: Die ganze Zeit.
W: Wir rühren uns nicht von der Stelle.
Casp.: Habt ihr einen Stern gesehen?
E: Einen Stern? Der Himmel ist voll davon!
Melch.: Ein Stern zeigte uns den Weg.
Balth.: Dorthin, wo der König geboren wurde.
W: Ach, der …
Casp.: Ihr kennt ihn?
E: Natürlich! Er heißt Wunder-Rat,
Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Balth.: Wunderbar! Was wisst ihr über ihn? Wie sieht er aus? Wie ist er?
W: Keine Ahnung, er war noch nicht hier.
E: Aber seine Eltern waren hier. Und ein Engel.
Und Hirten, die ihn besuchen wollten.
Melch.: Wohin sind sie gegangen?
W: Nach Bethlehem, zu einem Stall.
Casp.: Welcher Stall? Wo?
E: Ihr werdet ihn schon finden.
W: Viel Glück!

Die Könige hängen Christbaumschmuck in den Baum. Gehen weg.

9. Estragon und Wladimir allein.
E: Ein König. Wer hätte das gedacht!
W: Wusste ich's doch.
Ein Baby, das ein Rat ist, ein Held, ein Vater und ein Fürst,
das muss ein König sein!
E: Lass uns gehen. Heute kommt er sicher nicht mehr.
W: Warum bist du dir da so sicher?
E: Er hat keine Zeit mehr für uns. Die Hirten, und jetzt die Könige …
W: Abwarten.
E: Ich habe es satt zu warten.
W: Er kommt, da bin ich mir ganz sicher!
E: Da bist du dir sicher. Und wenn du dich irrst?
W: Ich irre mich nicht.

10. Ein Kind kommt.
Kind: Frohe Weihnachten!
E: Was? Weihnachten? Was ist das denn?
Kind: Das weißt du nicht?
(zeigt auf den geschmückten Baum)
Ihr habt doch sogar einen Weihnachtsbaum!
(Estragon und Wladimir schauen staunend auf den Baum)
E: Oh, ist der aber schön!
W: Wir haben gar nicht gemerkt, wie der gewachsen ist!
Kind: Der ist doch nicht gewachsen! Der wurde geschmückt!
E: Von denen, die uns besucht haben!
W: Jeder hat etwas Schönes dagelassen!
Kind: Das ist Weihnachten: Wir freuen uns,
dass mit Jesus etwas Wunderschönes in die Welt gekommen ist.
W: Aber wo ist er?
Kind: Na, hier!
(Estragon und Wladimir ungläubig, aus einem Mund)
E und W: Du!? Du bist Jesus?
Kind: (lacht)
Nein! Ich bin doch nicht Jesus!
Jesus ist hier, bei uns.
Man kann ihn nicht sehen.
Aber da, wo Menschen sind, die an ihn glauben, da ist er auch.
W: (also ob er zu einer unsichtbaren Person spricht, winkt)
Hallo, Jesus!
E: (ebenso)
Danke, dass du zu uns gekommen bist!

Die Konsequenzen tragen

Predigt am 19. Sonntag nach Trinitatis, 22.10.2017, über Johannes 5,1-16:

Nach diesen Begebenheiten war ein jüdischer Feiertag, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem.
Es gibt in Jerusalem beim Schaftor ein Schwimmbad, das heißt auf Hebräisch Bethesda, das hat fünf Säulenhallen. In denen lag eine Fülle von Kranken: Blinde, Lahme, Abgemagerte.
Dort gab es einen, der war schon 38 Jahre krank.
Den sieht Jesus liegen.
Als er erfährt, dass er schon viele Jahre krank ist, fragt er ihn:
Willst du gesund werden?“
Der Kranke antwortet:
Herr, ich habe keinen, der mich ins Becken wirft, wenn das Wasser sich bewegt. Und bis ich da bin, ist ein anderer hineingestiegen.“
Spricht Jesus zu ihm:
Steh auf, nimm deine Matte und geh!“
Sofort wurde der Mensch gesund, nahm seine Matte und ging.

Es war aber Sabbat an jenem Tag.
Da sprachen die Juden zu dem Geheilten:
Es ist Sabbat, da ist es dir nicht gestattet, deine Matte zu tragen“.
Er aber antwortete ihnen:
Der mich gesund machte, sagte: ‚Nimm deine Matte und geh!‘“
Sie fragten ihn:
Wer ist der Mensch, der sagte: ’Nimm deine Matte und geh‘?“
Aber der Geheilte wusste nicht, wer es war, denn Jesus hatte die Menge gemieden, die an dem Ort war.

Danach findet ihn Jesus im Tempel und sagt zu ihm:
Du bist gesund geworden. Sieh zu, dass du nicht mehr sündigst, damit dir nicht Schlimmeres widerfährt!“
Der Mensch ging weg und meldete den Juden, dass Jesus es war, der ihn gesund gemacht hätte.
Deshalb verfolgten die Juden Jesus, weil er das am Sabbat getan hatte.
(Eigene Übersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

Sie kennen bestimmt die Gretchenfrage:
Wie hast du's mit der Religion?“.
Aber kennen Sie auch die Mäxchenfrage?
Sie lautet: Wann darf man eine Regel brechen?

Die Mäxchenfrage können Sie nicht kennen, die habe ich mir ausgedacht.
Ich nenne sie „Mäxchenfrage“ nach Max & Moritz, den notorischen Regelbrechern.
Wilhelm Busch hat sie sich ausgedacht und sie jede Menge böser Streiche spielen und Regeln brechen lassen.

I
Wann darf man eine Regel brechen?
Man möchte schon dieser Frage widersprechen:
Regeln darf man überhaupt nicht brechen.
Regeln sind dazu da, eingehalten zu werden; dazu gibt es sie ja.
Man muss sich sicher sein können, dass Autos bei Rot anhalten -
sonst würde man sich nicht mehr über die Straße wagen.
Autofahrer, die diese Regel brechen, werden zu recht bestraft,
weil sie etwas sehr Gefährliches tun.

Regeln darf man nicht brechen.
Trotzdem hat jede von uns mindestens einmal eine gebrochen.
Manchmal, ohne es zu wissen, und manchmal mit voller Absicht.
Und manchmal hat so ein Regelbruch sogar richtig Spaß gemacht …

Die Regel, dass man bei Rot anhalten muss, wird manchmal sogar ganz offiziell gebrochen.
Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei im Einsatz dürfen rote Ampeln überfahren,
wenn sie das Blaulicht eingeschaltet haben.
Und niemand nimmt ihnen diesen Regelbruch übel
- es könnte ja sein, dass sie zu mir unterwegs sind …
In diesem Fall gilt eine neue Regel:
Blaulicht geht über Rotlicht.

In der Geschichte vom Kranken, der seit 38 Jahren auf Heilung wartet,
werden ebenfalls Regeln gebrochen und neue Regeln eingeführt.
Eine alte Regel lautete:
Wer gesund werden will, muss warten, bis das Wasser im Schwimmbecken sich bewegt.
Wer dann als erster im Becken ist, wird geheilt.
38 Jahre hat der Kranke auf seinen Moment gewartet.
Nie ist dieser Moment gekommen, denn der Kranke war immer zu langsam.
Er hatte keine Helfer wie andere, die von Freunden oder Angehörigen ins Becken geworfen wurden, wenn der Zeitpunkt gekommen war.

Jesus bietet dem Kranken die Heilung an.
Dazu ist die Regel des Schwimmbeckens nicht nötig,
der Kranke braucht nicht ins Wasser zu springen.
Allerdings muss er eine Regel brechen, um geheilt zu werden:
Er muss am Sabbat etwas tragen - sein Bett nämlich -, was den Gläubigen verboten ist:
Das dritte Gebot „Du sollst den Feiertag heiligen“ verbietet die Arbeit am Feiertag.

II
Um gesund zu werden, muss der Kranke eine Regel brechen.
Das fällt ihm nicht schwer.
Es würde auch uns nicht schwer fallen.
Wer vor dieser Wahl steht, die weiß, wie sie sich entscheidet.
Da muss man auch nicht eine Sekunde nachdenken,
und das tut der Kranke auch nicht:
Er steht auf, nimmt sein Krankenbett - und ist geheilt.

Man kann nicht sagen, dass der Regelbruch ihn geheilt hat.
Es war Jesus, der Sohn Gottes, der das tat.
Aber offensichtlich spielt es eine Rolle, dass das Arbeitsverbot am Sabbat gebrochen wird.
Warum verlangt Jesus von dem Geheilten,
sein Bett zu tragen und damit die Sabbatruhe zu verletzen?
Warum missachtet der gläubige Jude, der Rabbi Jesus dieses Gebot?
Er hätte den Kranken doch sicher auch ohne Gebotsübertretung heilen können.

Lehnt Jesus sich gegen das System auf, wie die Punks es taten?
Verstößt er aus Prinzip gegen Regeln?
Oder will er provozieren? Sucht er Streit mit den Autoritäten?
Eins ist sicher:
Die Geschichte wird nicht wegen der wunderbaren Heilung erzählt,
sondern wegen der Regelverletzung.
Die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu haben sich diese Geschichte zum Vorbild genommen.
Sie waren störrische Leute, Neinsager, die z.B. den Kriegsdienst verweigerten;
die den Kaiser nicht anbeten wollten und keinen Eid ablegten;
die Frauen und Sklaven den Männern gleich stellten.
Bei ihren Regelverletzungen beriefen sie sich auf Jesus,
der so tat, als gälten für ihn keine Regeln.

III
Auch der Geheilte beruft sich auf Jesus,
als er auf seinen Regelbruch angesprochen wird.
Gefragt, warum er am Sabbat sein Bett trage, antwortet er:
Der mich gesund gemacht hat, hat es mir aufgetragen.

Das klingt fast ein wenig abergläubisch:
Nachdem er sich 38 Jahre an die Regel des Schwimmbades gehalten hatte,
trägt er jetzt sein Bett herum.
So, als wäre das Herumtragen des Bettes die Gewähr dafür, dass er gesund bleibt.
Es scheint, als habe er die alte Regel durch eine neue ersetzt,
weil er so an Regeln gewöhnt war.

Aber irgendwann setzt er doch sein Bett ab und geht in den Tempel,
wie das ein Gläubiger am Sabbat tut.
Dort findet ihn Jesus.
Und er tut etwas Überraschendes:
Er ermahnt den Geheilten, den Regelbruch ja nicht zur Regel werden zu lassen.

Krankheiten entstehen oft durch das Übertreten von Regeln:
zu viel Rauchen, zu viel Alkohol, zu viel fettes Essen, zu wenig Bewegung, zu viel Stress können krank machen.
Die dahinter stehenden Regeln, dass man Maß halten, sich bewegen, auf sein Gewicht achten soll, hat jede verinnerlicht.
Das heißt nicht, dass wir uns daran halten …

Zur Zeit Jesu zählte man zu den Krankheitsursachen auch ein gestörtes Verhältnis zu Gott.
Wer mit Gott nicht im Reinen war, konnte davon krank werden.
Deshalb rät Jesus dem Geheilten, sein Verhältnis zu Gott in Ordnung zu halten;
sich an die Regeln zu halten, die Gott dafür aufgestellt hat: die Gebote.

Jesus ist also gar kein Rebell, der Regeln aus Prinzip bricht.
Er ist kein Provokateur, der mit seinen Regelbrüchen Unfriede stiften und Streit anzetteln will.
Er ist ein richtiger Spießer, wie die Punks sagen würden.
Ein Spießer, der den Geheilten ermahnt, ja nichts Unrechtes zu tun.

IV
Jesus macht es dem Geheilten - und uns - nicht leicht.
Zuerst stiftet er ihn zum Regelbruch an,
dann ermahnt er ihn, sich ja an die Regeln zu halten.
Wie soll der Geheilte, wie sollen wir daraus schlau werden?

Offenbar gibt es manchmal gute Gründe, eine Regel zu brechen.
In unserem Beispiel war es das Blaulicht, das die Rote Ampel aufhebt.
Ansonsten aber soll man Regeln befolgen, denn dazu sind sie da.
Man achte aber auf das Wörtchen soll.
Es kommt auch in den Zehn Geboten vor:
Du sollst den Feiertag heiligen“.

Juristen sagen:
Soll heißt muss, wenn kann“.
Eine Regel, die ich befolgen soll, muss ich befolgen, wenn ich dazu in der Lage bin.
In der Regel bin ich dazu in der Lage.
Aber manchmal gibt es eben Ausnahmen von der Regel, Ausnahmesituationen,
in denen ich die Regel nicht befolgen kann.
Dann gilt eine andere, höhere Regel.

Aber wer entscheidet, wann eine Ausnahmesituation eingetreten ist?
Der Geheilte beruft sich auf Jesus:
Der hat ihm gesagt, dass jetzt eine andere Regel gilt.
Indem er Jesus die Verantwortung für seinen Regelbruch zuschiebt,
liefert er seinen Gegnern einen Grund, ihn zu verfolgen.
Er liefert Jesus ans Messer.
Indem er Jesus die Verantwortung für seinen Regelbruch zuschiebt,
sagt er: der, der mich gesund gemacht hat, ist mächtiger und wichtiger als das Gebot,
das verbietet, am Sabbat zu arbeiten.
Dieses Argument, dass eine Person über dem Gesetz steht
und dass ihre Befehle einem die Freiheit geben,
das Gesetz zu übertreten,
ist in der Geschichte ein sehr beliebtes Argument geworden.
Weil es so bequem ist.
Mit dem „Führerprinzip“ wurden in der NS-Zeit die schlimmsten Verbrechen,
wurde jeder nur denkbare Regelbruch möglich und erlaubt.
Aber Jesus lässt das Führerprinzip nicht gelten.
Er betont, dass die Gebote dazu da sind, befolgt zu werden:
Soll heißt muss, wenn kann“.

Jesus setzt das Gebot nicht außer Kraft.
Er zeigt einen anderen Umgang mit den Geboten auf.
Dieser andere Umgang mit den Geboten besteht darin,
dass man den Vorschriften nicht sklavisch folgt.
Sondern sich bewusst ist, dass es Situationen gibt,
an denen etwas anderes wichtiger ist als das Gebot.
Dass wir uns aber in solchen Situationen nicht auf eine höhere Instanz berufen können.
Nicht auf einen „Führer“, und auch nicht auf ein höheres Prinzip.
Wir müssen unseren eigenen Kopf hinhalten.
Aber wie sollen wir entscheiden, wann eine Regel gebrochen werden muss?
Woher sollen wir wissen, dass es jetzt sein muss?

V
Was bringt Jesus dazu, den Kranken zu heilen?
Er tut es aus Mitleid.
Als Jesus erfährt, wie lange der Kranke schon auf seine Heilung wartet, bietet er ihm seine Hilfe an.

Mitleid ist ein Gefühl.
Es entzieht sich allen Regeln.
Es lässt sich nicht berechnen, nicht abwägen
und man überlegt auch nicht lange.
Wenn man Mitleid empfindet, dann handelt man,
weil man vom Mitleid ergriffen und erfüllt wird.

Wer Mitleid empfindet, macht das Leid einer anderen zu seiner Sache.
Übernimmt Verantwortung.
Mitleid ist kein flüchtiges Gefühl.
Mitleid spannt ein und verpflichtet, wenn man sich ihm überlässt.
So versorgt der barmherzige Samariter nicht nur die Wunden des Menschen,
der unter die Räuber gefallen war.
Er unterbricht seine Reise, macht einen Umweg, um den Verletzten in eine Herberge zu bringen, wo er ihn den ganzen Tag lang pflegt.
Er sorgt sogar noch für seine weitere Pflege und stellt sicher,
dass Hilfe geleistet wird, bis der Verletzte geheilt ist.

Wer eine Regel aus Mitleid übertritt,
tut das nicht aus Spaß, aus Protest oder in einem Akt der Rebellion.
Mitleid ist zu ernst, als dass man damit spielen würde.
Man denkt nicht an die Folgen, wenn man sich vom Mitleid leiten lässt,
aber man muss die Konsequenzen tragen.

VI
Wer eine Regel bricht, muss die Konsequenzen tragen.
Daran denkt man nicht gern.
Wer beim Regelbruch ertappt wurde,
versucht, sich herauszureden oder die Schuld auf andere zu schieben.
Jesus erwartet von seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern,
dass sie bereit sind, die Konsequenzen zu tragen,
so wie er die Folgen seines Mitleides konsequent bis ans Kreuz getragen hat.
Darum kann man niemandem vorschreiben, eine Regel zu brechen,
wie man Mitleid niemandem vorschreiben kann.

Mitleid lässt sich weder verordnen noch berechnen.
Es ist ein Gefühl, das einen ergreift und nicht an die Konsequenzen denken lässt.
Wer vom Mitleid ergriffen wird, kann darauf vertrauen,
dass sie die Folgen nicht allein tragen muss.
Der Kranke heilte und Schuld vergab,
der das Mitleid bis ans Kreuz trug
und die Liebe auch am Kreuz noch durchhielt, der ist bei uns.
Sein Mitleid mit uns, seine Liebe zu uns gehen so weit,
dass er als Unschuldiger starb, damit wir leben können.
Das macht uns frei und gibt uns Kraft, Mitleid zu empfinden.
Es macht uns frei und gibt uns Kraft,
Verantwortung zu übernehmen für andere und für unser Handeln
und die Konsequenzen zu tragen.

Amen.


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Wie ich zu der Predigt kam, steht auf mitredner.wordpress.com.