Samstag, 31. März 2018

Egalité!

Predigt am Ostersonntag, 1. April 2018, über 1.Samuel 2,1-2.6-8


Liebe Schwestern und Brüder,

Osterfreude ist angesagt.
Im Gottesdienst wird aus vollem Herzen gesungen.
Das österliche Halleluja-ha-ha tönt wie fröhliches Lachen.
Alle sind gut drauf.
Aber worüber freuen wir uns eigentlich so?
„Dass Jesus auferstanden ist“, wird man antworten.
Na klar, logisch, wie konnte ich nur fragen.
Aber, mal ehrlich: Was bedeutet das denn?

Eine Antwort auf diese Frage kann uns vielleicht Hanna geben.
Von ihr ist ein Lied überliefert, das geht so:
Ich freue mich über Gott.
Durch Gott trage ich meinen Kopf hoch.
Meinen Gegnern biete ich Paroli,
denn ich kann mich über deine Hilfe freuen.
Niemand ist heilig wie Gott,
denn außer dir gibt es niemanden,
und nichts ist so sicher wie unser Gott.
Gott lässt sterben und erhält am Leben,
bringt ins Totenreich hinab und hinauf.
Gott lässt verarmen und macht reich,
demütigt und erhöht.
Er richtet den Besitzlosen aus dem Staub auf,
aus der Müllgrube hebt er den Armen,
um ihn unter die Edlen zu setzen,
und gibt ihm den Ehrenplatz.
Denn Gott gehören die Säulen der Erde,
das Festland hat er auf sie gesetzt.


I. OK, das Lied geht nicht so ins Ohr oder in die Beine
wie unsere heutigen Schlager.
Aber es ist ja auch schon 3.000 Jahre alt
und auf Hebärisch geschrieben.
Wenn wir die Melodie kennen würden
und Hebräisch sprechen könnten, wer weiß:
Vielleicht würden wir es lauthals mitsingen!?

Ein bisschen eigenartig ist es schon, dieses Lied.
Die meisten Lieder lassen sich relativ leicht zuordnen.
Da gibt es fröhliche Lieder zum Mitsingen und Schunkeln,
andere Lieder stimmen melancholisch oder sogar traurig.
Hannas Lied ist beides:
Es singt von Freude, aber auch von Tod und Armut -
und dann sogar von Revolution!
Drei Jahrtausende vor der Französischen Revolution,
vor Marx und Lenin singt eine jüdische Frau von Egalité, Gleichheit,
und von Aufstand und Aufstieg des Proletariats!


II. Eine Frau singt von der Umkehr der Verhältnisse:
Arme, die im Müll gehaust haben,
erhalten den Ehrenplatz unter vornehmen Leuten.
Das ist damals wie heute gelinde gesagt ein Wunschtraum.
Zwar sind vor dem Gesetz alle gleich,
und auf dem Papier herrscht ja auch Gleichheit zwischen Mann und Frau.
Aber sieht man sich die Wirklichkeit an, muss man feststellen,
dass es immer noch gesellschaftliche Unterschiede gibt.
Dass Kinder aus armen Familien
eine schlechtere Schulbildung haben als die aus reichen.
Und dass Frauen immer noch weniger Lohn für gleiche Arbeit bekommen als Männer,
von einem Job in der Führungsetage ganz zu schweigen.

Hanna aber hat Grund zur Freude:
Für sie hat sich etwas grundlegend geändert.
Was das war, können Sie ja zuhause mal in Ihrer Bibel nachschlagen:
Am Anfang des ersten Samuelbuches steht Hannas Geschichte.
Hanna fühlte sich benachteiligt und gedemütigt,
aber das hatte nun ein Ende.
Und das hatte sie Gott zu verdanken.
Denn zu Gott hatte sie gebetet.
Sie hatte Gott um Veränderung gebeten,
und die Veränderung war gekommen.


III. Für uns Heutige ist es eine schwierige Vorstellung,
dass Gott etwas ändern kann und in unser Leben eingreift.
Woran sollte man auch erkennen, dass Gott es war,
der geholfen, eine Veränderung bewirkt hat?
Man könnte sagen: Wenn man vorher gebetet hat,
dann muss es Gott gewesen sein.
Aber dagegen sprechen die unzähligen vergeblichen Bitten:
die Stoßgebete von Menschen in Notsituationen, die ungehört verhallten,
die verzweifelten Bitten um Heilung, die nicht erfüllt wurden.
Ganz Schlaue sagen dann: Ja, Gott erfüllt nicht jedes Gebet!
Man muss schon den richtigen Glauben
und das nötige Gottvertrauen haben, dann klappt es auch.
Aber ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Freundin, die aus tiefstem Herzen
um Rettung für ihren krebskranken Freund bittet
und zusehen muss, wie er dennoch stirbt,
weniger Glauben und Gottvertrauen haben sollte
als jemand, der z.B. um eine Mitfahrgelegenheit betet
und sie dann auch bekommt.

Hanna aber hält daran fest, dass die Veränderung von Gott kam.
Dabei beansprucht sie nicht den richtigen Glauben für sich
oder ein besonderes Gottvertrauen.
Vielmehr sagt sie:
Gott, der die Welt geschaffen hat,
der kann jederzeit alles anders machen.
Gott kann jederzeit alles umstürzen.
Das ist --- Revolution!


IV. Hanna hatte die andere Seite erlebt,
von der ihr Lied auch singt:
Sie wurde gedemütigt und erniedrigt.
Sie sagt aber nicht, dass Demütigung und Erniedrigung von Gott kommen.
Sie weiß: Es waren Menschen, die sie klein gemacht hatten.
Sie waren so gemein zu ihr, dass sie sich nicht mehr traute,
andere anzusehen und den Mund aufzumachen.
Jetzt aber trägt sie den Kopf wieder hoch
und macht ihren Mund weit auf.
Jetzt traut sie sich was.
Jetzt singt sie von Revolution.
Jetzt singt sie davon,
dass, wer wohlhabend ist, seinen Reichtum verlieren kann;
dass, wer auf hohem Ross sitzt, tief fallen kann;
und dass man jederzeit sterben kann.

Manche würden da nicht von Revolution,
sondern von „Schicksal“ sprechen.
„Wie gewonnen, so zerronnen“, lautet ein Sprichwort.
Aber Hanna besteht darauf,
dass diese Schicksalsschläge von Gott kommen.
Und Gott ist parteiisch:
Er hält nicht zu denen, die alles haben -
Geld, Macht, Einfluss, Ansehen.
Gott hält zu denen, die nichts haben
und sorgt dafür, dass sie den Anteil bekommen,
der ihnen zusteht.


V. Gott ist parteiisch!?
Das ist doch nicht zu glauben!
Gott ist doch kein rot-grün-versiffter 68er,
Gott ist eine, nein: die Respektsperson!
Gott, wenn er auf die Erde käme,
würde nicht mit Bettlern in der Gosse sitzen,
sondern den Papst treffen und die Queen,
mit Putin auf Bärenjagd gehen und mit Trump Golf spielen.

Gott kam auf die Erde.
Und, ja, er begegnete wichtigen, mächtigen Leuten.
Der erste, in dessen Nachbarschaft er geboren wurde,
wollte ihn gleich umbringen,
und der zweite verurteilte ihn zum Tode.
Gott kam auf die Erde und war parteiisch.
Er hielt sich zu denen, die nichts zu sagen hatten.
Zu denen, die keiner mochte.
Zu den moralisch Fragwürdigen,
den aus der Gemeinde und der Gemeinschaft Ausgestoßenen.
Er sprach mit Frauen und behandelte sie wie seinesgleichen.
Und er sagte: Die Letzten werden die Ersten
und die Ersten die Letzten sein.
Er war ein Revolutionär, unser Gott.


VI. An Ostern feiern wir,
dass die Revolution weitergeht.
Nicht nach dem Motto:
„Den Sozialismus in seinem Lauf
halten weder Ochs noch Esel auf!“
In Gottes Revolution geht es darum,
dass Menschen Rechte bekommen, die vorher rechtlos waren;
dass Gerechtigkeit erfährt, wer ungerecht behandelt wurde;
dass Menschen das zum Leben Nötige erhalten, denen es zuvor versagt wurde;
dass Anerkennung und Respekt erfährt, wer vorher nichts galt.

Gottes Revolution findet nicht statt,
damit andere an die Macht kommen,
die auf ihre Weise wieder ungerecht und egoistisch sind,
eine andere Gruppe ausgrenzen und benachteiligen,
sodass einfach nur andere ungerecht behandelt werden.
Gottes Revolution findet statt,
damit Gottes Macht bei den Menschen ankommt.
Damit wir, wie Hanna, begreifen:
„Niemand ist heilig wie Gott,
denn außer dir gibt es niemanden,
und nichts ist so sicher wie unser Gott“.


VII. Wenn wir das begreifen,
werden wir erkennen, dass wir alle Geschwister sind -
unabhängig davon, ob wir miteinander verwandt sind,
aus dem selben Land stammen oder die selbe Sprache sprechen.
Wir sind Geschwister, weil Gott unser Vater ist.
Unser Vater möchte, dass alle seine Kinder leben.
Darum müssen die, die viel besitzen,
denen etwas abgeben, die nichts haben.
Darum müssen Macht und Einfluss geteilt werden,
damit nicht eine Gruppe die Bedingungen für alle anderen diktieren
und für sich selbst das Beste herausholen kann.

Die Auferstehung Jesu bedeutet,
dass die Mächtigen und Lobbyisten,
die Militärs und die Mafiosi Gott nicht mundtot machen konnten.
Jesus lebt, der Aufstand des Lebens gegen die Mächte des Todes geht weiter.
Das ist ein Grund zur Freude für alle Unterdrückten und Benachteiligten,
für alle Armen und Ausgegrenzten.
Gebe Gott uns ein weites Herz, dass wir in ihre Freude einstimmen können!

Amen.

Mittwoch, 28. März 2018

We're on a mission from God


Predigt am Karfreitag, 30. März 2018, über Hebräer 9,15.26b-28:

Jesus ist der Vermittler eines neuen Bundes,
damit die zum ewigen Erbe Berufenen die Verheißung empfangen.
Dazu musste Jesus sterben,
um von den zur Zeit des ersten Bundes begangenen Übertretungen zu befreien.
Jetzt aber ist er einmal am Ende der Zeiten erschienen,
um durch das Opfer seiner selbst die Sünden unwirksam zu machen.
Und wie es den Menschen bestimmt ist,
einmal zu sterben, und danach kommt das Gericht,
so ist auch Christus einmal dargebracht worden,
um die Sünden der Vielen zu tragen.
Zum zweiten Mal wird er ohne Sünde denen erscheinen,
die ihn zu ihrer Rettung erwarten.
(eigene Übersetzung)

Liebe Schwesterm und Brüder,

wie bekommt man einen Job, eine Arbeitsstelle?
Wie war das bei Ihnen?
Früher, so scheint mir, war es unkompliziert:
Söhne gingen oft in den Fußtapfen ihrer Väter,
übernahmen den väterlichen Hof oder das Geschäft;
Töchter begannen ihre Ausbildung meist in dem Beruf,
in dem auch die Mutter arbeitete.

Heute hat man als junger Mensch konkrete Vorstellungen davon,
was man einmal werden will und was nicht,
und man will nicht unbedingt das tun, was die Eltern gemacht haben.
Heute ist es in der Regel so, dass man sich um eine Stelle bewirbt,
die man sich selbst ausgesucht hat.
Weil der Beruf einen großen Teil des Lebens ausfüllt,
soll er etwas Sinnvolles sein;
etwas, das Freude macht, etwas Besonderes
- oder etwas, mit dem sich ordentlich Geld verdienen lässt,
damit man sich in seiner Freizeit alle Wünsche erfüllen kann.
In der Schreibwarenabteilung gibt es extra Mappen für die Bewerbung,
Fotografen bieten Bewerbungsfotos an.
All das hilft aber nicht, die Stelle auch zu bekommen, die man sich wünscht.

Am besten und einfachsten ist es, wenn man gefragt wird.
Aber so etwas passiert leider nur den Wenigsten.
Deshalb ist es wichtig, einen Vermittler zu haben,
der einem die begehrte Stelle verschaffen
oder beim Chef empfehlen kann - das berühmte „Vitamin B“.

I. Die Berufsentscheidung ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben.
Nicht viele Entscheidungen reichen an sie heran.
Eine gibt es, die ist einem gar nicht bewusst.
Und doch entscheidet sie über den Sinn, über das Gelingen des Lebens.
Es ist die Frage, wie man eine Stelle bei Gott bekommt.
Wie kommt man eigentlich an Gott heran?
Schließlich ist Gott nicht zu sehen,
hat keine Adresse, keine Telefonnummer, keine eMail.
Ja, natürlich gibt es das Gebet.
Aber woher wissen wir, dass es Gott erreicht?
Dass, um im Bild der Jobsuche zu bleiben,
unsere Bewerbung bei Gott Berücksichtigung findet?

Da wäre es auch nicht schlecht, wenn man einen Vermittler hätte.
Jemand, der Gott gut kennt und der ein Wort für uns einlegen kann.
Zum Glück gibt es ihn: Es ist Jesus,
der uns eine Stelle bei Gott vermittelt und dafür sorgt,
dass unsere Bewerbung garantiert berücksichtigt wird.
Einen besseren Vermittler als Jesus kann es gar nicht geben -
wer sollte Gott besser kennen, einen besseren Draht zu Gott haben als Gottes Sohn?

II. Aber die Sache hat einen gewaltigen Haken.
Der Vermittler Jesus muss sterben, damit wir den Job bei Gott bekommen.
Das ist hart, und das ist nicht fair.
Wenn wir das gewusst hätten,
hätten wir uns vielleicht gar nicht erst um die Stelle bemüht.
Wozu der Tod dieses Einen, der ihn am wenigsten „verdient“ hat -
wenn man überhaupt davon sprechen darf, dass jemand den Tod „verdient“?

Dass Jesus sterben muss, hat mit uns zu tun.
So, wie wir sind, hätten wir keine Chance auf den Job bei Gott.
Wir sind nicht qualifiziert.
Wir haben zwar unsere guten Seiten, unseren guten Willen.
Wir sind tüchtig und einsatzbereit.
Aber wir haben eben auch dunkle Seiten.
Wit sind fähig zum Bösen, und manchmal tun wir es auch.
Gutes und Böses sind untrennbar in uns vermischt.
Das ist bei jedem Menschen so.
Das macht unser Menschsein aus.
Aber so, als solche, die das Gute wollen und das Böse tun,
so kann Gott uns nicht gebrauchen.

III. Um die Stelle bei Gott zu bekommen, muss man ein guter Mensch sein.
Das Böse hat bei Gott keinen Platz.
So, wie Gott bei der Schöpfung Licht und Finsternis unterschied,
Wasser und Erde voneinander trennte,
so unterscheidet Gott auch zwischen Gut und Böse,
Gerecht und Ungerecht.
Durch diese Unterscheidung Gottes wissen wir überhaupt von Gut und Böse,
von falsch und richtig.
Gottes Gebote sagen uns, wie wir leben sollen
und zeigen uns, wo wir versagt haben.

Gut und Böse sind in uns untrennbar vermischt.
Das ist bei jedem Menschen so; es macht unser Menschsein aus.
Niemand kann das ändern.
Selbst mit größter Anstrengung, mit bestem Willen
wird niemand ein guter Mensch.
Das Böse kann man nicht von uns abtrennen.
Dann wären wir keine Menschen mehr,
dann wären wir nicht mehr wir selbst.
Wenn wir aber nicht wir selbst sind, kann Gott uns auch nicht gebrauchen.

IV. Wie soll man da herauskommen?
Wie soll man gut sein und zugleich Mensch bleiben,
wenn man doch niemals vollkommen gut sein kann
und das Böse in uns alles Gute, das wir tun,
sozusagen verdirbt, mit einem Makel behaftet?
Jede gute Tat hat immer auch ein „Geschmäckle“:
Hat man sie allein wegen des anderen getan,
oder war da nicht auch ein Gedanke an den eigenen Vorteil,
den eigenen Nutzen, das eigene Renommée?
Und zugleich ist ein solcher Gedanke allzu menschlich;
er denkt sich von selbst, man kann ihn nicht verdrängen, verbieten, herausreißen.

Für dieses Problem gibt es eine Lösung, und wieder heißt sie: Jesus.
„Jesus hat“, wie es der Predigttext sagt, „die Sünden unwirksam gemacht“:
Jesus hat dafür gesorgt, dass das Böse, das in uns ist,
das Gute, das wir tun, nicht mehr beschädigen und beschmutzen kann.
Es bleiben die Hintergedanken, es bleibt das „Geschmäckle“.
Aber sie bedeuten nichts mehr für das, was wir tun,
weil es in einem anderen Licht erscheint:
Wir handeln nicht mehr auf eigene Rechnung,
sondern sind im Auftrag des Herrn unterwegs.
Weil wir einen Job bei Gott haben und in seinem Auftrag handeln,
muss das, was wir tun, nicht perfekt sein.
Gott, unser Auftraggeber, sorgt dafür,
dass unsere Arbeit sich sehen lassen kann.

V. „Jesus hat die Sünden unwirksam gemacht“.
Was ist die Wirkung der Sünde?
Was bewirkt das Böse, das zu uns gehört?
Es bewirkt eine Trennung - zwischen Mein und Dein;
zwischen Oben und Unten;
zwischen Arm und Reich;
zwischen Chef und Untergebenem;
zwischen Drinnen und Draußen, Einheimischen und Ausländern.
Diese Trennung ist keine Leben spendende Trennung wie die,
die Gott bei der Schöpfung vorgenommen hat.
Sie schafft keine Klarheit, keine Lebensräume,
sie engt ein und grenzt aus.
Sie trennt Menschen von dem, was lebenswichtig ist.
Wir trennen Menschen vom Lebensnotwendigen.
Wir grenzen Menschen aus.

VI. „Jesus hat die Sünden unwirksam gemacht“.
Jesus überwindet die Trennungen, die wir vornehmen.
Wie schafft er das?
Indem er sich opfert.
Jesus opfert sich für unsere Beziehung zu Gott.

Das ist ein schrecklicher Gedanke.
In vielen Beziehungen opfern sich Partnerin oder Partner,
manchmal sogar die Kinder, um die Beziehung zu retten.
Die Folgen sind oft furchtbar.
Vor allem, wenn die Beziehung trotzdem zerbricht,
lässt sie verzweifelte, zerstörte Menschen zurück.

VII. Jesus, wie er da am Kreuz hängt,
ist genauso ohnmächtig und hilflos wie die Partnerin, der Partner oder die Kinder,
die versuchen, eine Beziehung zu retten.
Er ist so ohnmächtig wie die Schülerinnen und Schüler in den USA,
die gegen die zynische Waffenlobby auf die Straße gingen
mit nichts als ihrer Stimme, ihrer Ohnmacht und ihrer Wut.
Wie soll der hilflose Jesus am Kreuz es schaffen,
die Trennungen aufzuheben, die wir immer und immer wieder vornehmen;
die Zäune einzureißen, die wir täglich neu zwischen uns und anderen errichten;
die Hände zu lockern, die sich fest um das krallen, was wir haben,
aus Angst, es könnte weniger werden, wir könnten etwas verlieren?

Jesus schafft es nicht.
Aber Gott schafft es, indem er ihn nicht dem Tod überlässt.
Gott lässt die Liebe über den Tod triumhieren
Sie erweist sich stärker als alle menschliche Bemühungen,
die Liebe klein zu kriegen, sie mit Füßen zu treten,
sie mit zynischen Kommentaren verächtlich zu machen,
sie der Gier und dem Profit zu opfern,
sie auf den Kreis der Familie oder weniger Auserwählter zu beschränken
oder sie gar ganz für sich behalten zu wollen.
Die Liebe ist stärker als der Tod,
stärker als alles Böse, zu dem Menschen fähig sind.
Sie hat an Ostern gesiegt, und sie wird immer wieder siegen.

Das ist unser Job, den wir von Gott bekommen haben:
Immer und überall von dieser Liebe zu erzählen;
unter allen Umständen auf diese Liebe zu vertrauen
und sie, soweit es uns möglich ist und so gut oder schlecht wir können,
mit dem eigenen Leben zu verwirklichen.
Wenn wir das tun, wird geschehen, wovon der Predigttext spricht:
„Jetzt aber ist er einmal am Ende der Zeiten erschienen,
um durch das Opfer seiner selbst die Sünden unwirksam zu machen.“
Wenn wir unseren Job machen, den Gott uns gab -
egal wie gut oder schlecht wir ihn tun -,
geschieht für die Menschen um uns dieses „Jetzt“:
Dann werden die Trennungen aufgehoben,
dann werden wir, was wir längst sind:
Schwestern und Brüder.

Amen.


Wie ich zu dieser Predigt gekommen bin, kann man hier nachlesen, wenn man will.

Samstag, 10. März 2018

Sein dürfen, wer man ist

Predigt am Sonntag Lätare, 11. März 2018, über Phillipper 1,15-21:

Paulus schreibt aus der Untersuchungshaft in Rom an seine Gemeinde in Philippi:

Einige verkündigen Christus aus Neid oder Streitsucht, andere aus gutem Willen. Die letzteren tun es aus Liebe; sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums einsitze. Die ersteren verkündigen Christus aus Eigennutz und unaufrichtig, weil sie glauben, mich im Gefängnis damit kränken zu können.

Was soll's! Wenn nur auf jede Weise Christus verkündigt wird, sei es unter einem Vorwand, sei es wahrhaftig, dann freut mich das.
Ich werde mich aber auch in Zukunft freuen! Denn ich weiß: Was ich erleide, wird mir letztlich Rettung bringen durch eure Gebete und durch die Unterstützung des Geistes von Jesus Christus, die ich erwarte und erhoffe. Denn ich werde keineswegs scheitern, sondern wie sonst schon immer, wird auch jetzt Christus in aller Freiheit an meinem Körper verherrlicht, entweder durch mein Leben oder durch meinen Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben bringt mir Gewinn.

(Eigene Übersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

„wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“.
Ein bekanntes Sprichwort, das beschreibt,
wie für manche Leute Pech oder Unglück anderer
Grund zu Schadenfreude und Erheiterung sind.
Andere finden das ziemlich gemein
- vor allem jene, die vom Spott betroffen sind.

Manche solcher spöttischen Bemerkungen,
oft gedankenlos dahergesagt, tun weh, richtig weh:
Die Frage der Schwiegermutter an ihre Schwiegertochter,
was sie denn mitgebracht habe in ihre Ehe;
die Bemerkung über eine jungen Frau,
sie sei aber ganz schön pummelig;
die barsche Auskunft des Vaters an den Sohn,
dass er dazu zu dumm sei und es nie lernen werde.
Solche Bemerkungen verletzten wie Messerstiche.
Sie schneiden manchmal sogar Lebenschancen ab.
Man vergisst sie nie und leidet ein Leben lang darunter.

I. Worte können Waffen sein, und sie können verletzen.
Wer sollte das nicht besser wissen als Paulus!
Er selbst wurde Opfer solcher Worte:
Die Verleumdung seiner Gegner,
er wolle den Tempel entweihen und einen Aufstand anzetteln, brachte ihn ins Gefängnis.
Aber das scheint seinen Gegnern nicht zu reichen,
sie trietzen ihn weiter:
Während Paulus im Gefängnis auf seine Verhandlung wartet,
werden Gerüchte über ihn verbreitet,
werden er und sein Lebenswerk schlecht gemacht.

Es ist interessant zu sehen, wie Paulus auf die Versuche seiner Gegner, ihn zu kränken, reagiert.
Es gibt zwei Stellen im Brieftext,
die ich mir dazu mit Ihnen genauer anschauen möchte.
Beide Stellen handeln von einem Paradox.
Ein Paradox ist etwas, das den allgemeinen Erwartungen widerspricht.
Es ist ein Gedanke, der einem unlogisch vorkommt,
der aber, wenn man sich überwindet, ihn zu denken,
den eigenen Horizont erweitern kann.

II. Das erste Paradox ist,
dass Paulus von sich behauptet,
er sitze zur Verteidung des Evangeliums ein.
Paulus verteidigt also nicht sich selbst,
sondern das Evangelium.
Aber ein Gefangener verteidigt nicht etwas anderes, sondern sich selbst -
er will ja freikommen.

Paulus benutzt die Haft für sein Anliegen.
Er handelt wie ein politischer Gefangener,
der sein Unglück als Gelegenheit betrachtet,
seine Botschaft zu verbreiten.
Paulus nutzt seine unglückliche Situation zu seinen Gunsten.
Er lässt nicht das Gefängnis über ihn bestimmen,
sondern er entscheidet, was das Gefängnis bedeutet.

Wenn man diesen Gedanken auf unsere Zeit überträgt,
könnte man sagen:
Nicht die anderen bestimmen darüber,
wer und wie ich bin, was ich kann oder nicht kann.
Ich muss keinem Modeideal folgen, um schön zu sein.
Ich muss nicht so sein wie alle anderen,
um der oder die zu sein, die ich bin.

III. Wie kommt man zu solch einer Haltung?
Und wie hält man sie durch,
wenn einem die anderen ständig sagen und zeigen,
dass man nicht richtig ist,
wenn man nicht so ist wie sie?
Wer immer hört, dass er etwas nicht kann,
glaubt es am Ende selbst.
Wer immer hört, er sei zu dick,
kann sich selbst bald nicht mehr anders wahrnehmen,
kann die eigene Schönheit nicht wahrnehmen.
So werden Leben beschnitten, Chancen kaputtgemacht.

Paulus beruft sich für seine Haltung auf Christus.
Hier kommt das zweite Paradox,
der zweite scheinbar unsinnige Satz ins Spiel,
wenn Paulus schreibt:
„Ich werde keineswegs scheitern,
sondern Christus wird in aller Freiheit an meinem Körper verherrlicht“.
Wie kann Paulus von Freiheit sprechen, wenn er doch ein Gefangener ist?
Wohl darf er Besuch empfangen oder Briefe schreiben,
aber er sitzt in der Zelle, er ist nicht frei.
Und doch empfindet Paulus sich als frei.

Er ist frei, weil er selbst darüber bestimmt, wozu sein Leben dient.
Er hat sein Leben Jesus gewidmet:
„Christus ist mein Leben“, schreibt er.
Darum dient alles, was er tut
und ebenso alles, was ihm angetan wird,
seinem Lebensinhalt: Die gute Nachricht von Jesus zu verbreiten.
Und darum können die äußeren Umstände - wie zum Beispiel das Gefängnis
- nicht über sein Leben bestimmen.

IV. Kann Paulus ein Vorbild für uns sein?
Auf den ersten Blick würde man sagen: Nein.
Wer will schon sein Leben der Verkündigung widmen?
Na gut, Pfarrerinnen und Pfarrer machen das.
Aber für ein „einfaches Gemeindeglied“ ist das nichts.

Verkündigung ist aber nicht nur Predigt
und sie ist nicht nur Aufgabe der Pfarrerinnen und Pfarrer.
Alle Christinnen und Christen sind aufgefordert, Christus zu verkündigen.
Als Christinnen und Christen verkündigen wir mit unserem Leben, mit unserem Verhalten.
Daran, wie wir miteinander und mit anderen umgehen,
können andere Menschen etwas über unseren Glauben erfahren.
Wenn wir nicht mitmachen beim großen Kesseltreiben
oder beim kleinen Mobbing zwischendurch;
wenn wir Menschen nicht auf ein Bild festlegen,
dem sie zu entsprechen haben;
wenn wir Worte nicht benutzen,
um zu sticheln und andere damit zu verletzen,
sondern um zu ermutigen, zu loben, anzuerkennen:
Dann könnte das auf andere schon eine Wirkung haben.
Da könnte die eine oder der andere sich fragen,
ob das nicht auch etwas für sie wäre
und woher sie kommen,
unsere Freundlichkeit, unser Respekt, unsere Selbstsicherheit.

Sie kommen von Jesus.
Sie kommen davon, wie er uns ansieht.
Sie kommen davon, dass wir ihm recht sind so, wie wir sind.
Weil er uns nicht anders haben will.
Weil wir keine anderen werden müssen, um ihm recht zu sein.
Das ist mehr, als man unter seinen Mitmenschen erlebt.
Das ist sogar mehr, als Mutter und Vater,
Freund oder Freundin einem geben können.

V. Deshalb hat Paulus sich entschieden,
Jesus zu seinem Lebensinhalt zu machen.
Denn - hier kommt ein letztes Paradox -:
indem Paulus sein Leben ganz Jesus hingibt,
wird er frei, immer und unter allen Umständen er selbst zu sein.
Er muss niemandem gefallen.
Er muss es niemandem recht machen.
Er muss sich weder bücken noch verbiegen.
Das könnte doch vielleicht auch für uns ein Anreiz sein …

Sonntag, 4. März 2018

Der richtige Dreh

Predigt am Sonntag Okuli, 4.3.2018, über 1.Petrus 1,13-21:

Ihr habt euren Entschluss, Christ zu sein, wohlüberlegt gefasst.
Darum hofft auf die Gnade, die dadurch zu euch kam, dass Jesus Christus euch offenbart wurde.
Ihr seid im Glauben gehorsam; darum verfallt nicht wieder den früheren Begierden eurer Unwissenheit. Wie der heilig ist, der euch berufen hat,
sollt auch ihr Heilige werden in allem, was ihr tut,
weil geschrieben steht:
„Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin“ (3.Mose 19,2).
Gott, unser Vater, urteilt unvoreingenommen nach dem, was jeder getan hat.
Wenn ihr zu ihm betet, lebt die Zeit, die ihr hier in der Fremde weilt, in Ehrfurcht.
Ihr wisst ja:
Nicht mit Vergänglichem, Silber oder Gold, seid ihr freigekauft
aus der falschen Lebensweise eurer Eltern,
sondern mit dem kostbaren Blut Christi wie eines tadel- und fehlerlosen Lammes.
Er war vor der Gründung der Welt dazu ausersehen,
erschienen ist er aber am Ende der Zeiten um euretwillen.
Durch ihn glaubt ihr an Gott,
der ihn von den Toten auferweckte und ihm Herrlichkeit gab,
damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott gerichtet seien.
(Eigene Übersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

einen ungeheuren, unvorstellbaren Zeitraum umfasst der Predigttext,
von der Gründung der Welt bis zum Ende der Zeiten.
Wenn man es genau nimmt, ist es die Zeit selbst, die er umfasst.

Die Gründung der Welt und das Ende der Zeiten,
Anfang und Ende,
Neubeginn und Abschied,
in der Kirche stehen sie uns vor Augen,
wenn wir Kinder taufen und von Gestorbenen Abschied nehmen;
wenn wir dem Lauf des Kirchenjahres folgen,
an Weihnachten von der Geburt des göttlichen Kindes hören
und an Karfreitag seines Todes gedenken.

I. Anfang und Ende,
Neubeginn und Abschied,
das beschreibt auch gut das Leben eines Menschen:
unser Leben.
Wir werden geboren, wir müssen eines Tages sterben.
Wir fangen neu an - als Schülerin, Lehrling, Studentin;
wir fangen etwas Neues an als Freund oder Freundin, Vater oder Mutter, Oma oder Opa.
Und wir nehmen Abschied - aus dem Kindergarten, aus der Schule,
vom Elternhaus, von Kolleginnen und Kollegen, vom Berufsleben.

Unsere persönliche Zeit beginnt mit unserer Geburt,
und sie endet mit unserem Tod.
Vor unserer Geburt und nach unserem Tod gibt es für uns keine Zeit.
Wir wissen, dass die Welt vor uns existiert hat und nach uns weitergehen wird,
aber das hat für unser Leben keine Bedeutung.
Wenn ein Mensch geboren wird, beginnt seine Zeit, seine Welt.
Eine neue Welt, die mit seinem Tod wieder vergeht.
Das Leben eines Menschen ist seine Welt.
Die alten Griechen sagten dazu: sein Kosmos.

Jetzt verstehen wir vielleicht den Satz des Predigttextes besser,
dass Jesus vor der Gründung der Welt ausersehen wurde.
Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt dieser Satz keinen Sinn.
Aber wenn wir unter der Gründung der Welt verstehen,
dass da unser Leben begann,
dann ist Jesus das Fundament, das unsere Lebens-Welt begründet.

II. Am Anfang dieser Lebens-Welt jedoch stehen die Eltern.
Sie prägen. Sie legen das Fundament, auf dem man sein Leben aufbaut.
Zuerst, indem man sie nachahmt:
So klug wie die Mutter, so liebevoll wie der Vater möchte man auch mal sein.
Später, indem man sich von ihnen abgrenzt:
Dieses Leben, das die Eltern führen, will man nicht;
man will alles ganz anders machen.

Als Christinnen und Christen nennen wir Gott „Vater“.
Indem wir Gott Vater nennen, tritt er an die Stelle unserer Eltern.
Und damit ändert sich das Fundament unseres Lebens:
Es ist nicht mehr das, was wir von den Eltern übernommen haben
oder was wir selbst in Abgrenzung zu ihnen aufbauten.
Es ist etwas Neues.

Etwas, das uns der Welt entfremdet.
Diese Welt, so schön und einzigartig sie ist,
diese Orte - seien es Rohr, Kühndorf oder Dillstädt,
oder aus welchem Ort sonst wir kommen mögen -
sind nicht unser Zuhause.
Das, was wir unser „Zuhause“ nennen, ist nicht unser Zuhause.
Wir sind „Gäste und Fremdlinge“ in dieser Welt,
weil wir in Gottes Reich gehören und darauf warten, dass es kommt.
Wir sind den Geflüchteten näher,
die in unser Land kommen auf der Suche nach Schutz
und einer Erfüllung ihrer Träume und Hoffnungen,
als denen, die behaupten, dies sei „ihr“ Land
und sie hätten zu entscheiden, wer hier leben dürfe und wer nicht.

Der Glaube an Gott macht uns nicht nur zu Fremden im eigenen Volk,
er entfremdet uns auch von dem,
was allgemein als wertvoll angesehen wird: von Geld und Besitz.
Der Glaube lehrt uns, dass nicht das wertvoll ist, was man besitzt,
sondern das, was man für andere Menschen tut:
Das, was man anderen zuliebe tut, schafft einen Schatz im Himmel,
den Motten und Rost nicht zerstören können.
Darum ist auch das Blut Christi kostbarer als alles Geld der Welt,
weil es das Ergebnis einer einmaligen und besonderen Tat ist:
Es wurde uns zuliebe vergossen.
Jesus gab sein Leben hin für uns, für Sie, für Sie, für mich.
Das ist ein Guthaben, das uns gutgeschrieben wurde
und das wir niemals aufzehren können.

III. Jedes Menschenleben ist ein Kosmos, eine Welt.
In diese Welt kommt Christus.
Wie er an Weihnachten zur Welt kommt,
so tritt er in die Welt einer jeden und eines jeden von uns ein.
Er war schon da, bevor wir geboren wurden.
Aber irgendwann gibt es einen Moment,
an dem man begreift: Er kam für mich.
Hat man das einmal erkannt,
sieht man mit anderen Augen auf die Welt und seine Mitmenschen:
Christus kam um meinetwillen.
Für Jesus dreht sich alles um mich,
für ihn bin ich der wichtigste Mensch der Welt.

Darum muss ich mich nicht mehr um mich selber drehen.
Ich kann mich aus mir selbst herausdrehen
und mich zu anderen hindrehen, mich ihnen zuwenden.
In dem Augenblick, indem ich nicht mehr auf mich sehe,
sondern auf die andere, den anderen,
entdecke ich, dass er, dass sie ein Kosmos ist.
Und wie wunderbar und einzigartig ist diese Welt,
die dieser andere Mensch ist!

IV. Versuchen wir, diese Drehbewegung nachzuvollziehen:
Aus uns heraus und von uns weg zum anderen.
Entdecken wir, dass der andere, die andere eine Welt, ein Kosmos ist,
genau wie wir.

Wissen Sie, wie man solche Leute nennt,
die fremde Welten entdecken?
Kosmonauten.
Um Kosmonautin oder Kosmonaut zu werden,
braucht man nicht in Baikonur zu trainieren.
Man kann das in Dillstädt tun, in Kühndorf, in Rohr, und an jedem anderen Ort der Welt.
Dazu muss man nur diese eine Drehbewegung erlernen,
mit der man sich aus sich heraus dreht,
von sich weg zur anderen, zum anderen schaut.

Wer verliebt ist, macht das ganz automatisch.
Schwieriger ist es mit denen, die man nicht so gern hat.
Und noch schwerer ist es, sich denen zuzuwenden,
mit denen man eigentlich nichts zu tun haben will
aber nun eben einmal zusammenlebt. Oft wohnen sie direkt nebenan.
Es ist nicht leicht, zu solchen Leuten hinzugehen.
Es fällt schwer, sich für Menschen zu interessieren, die einem fremd sind.
Da hilft es, wenn man sich bewusst macht,
dass diese Welt, dieses Dorf, unser Zuhause,
so schön sie sind, nicht unser Zuhause ist.
Wir leben in der Fremde.
Wenn man sich in der Fremde aufhält, ist einem alles und jeder fremd.
Da verhält man sich automatisch vorsichtiger,
respektvoller, sorgsamer, aber auch neugieriger.

Wir leben in einer Welt, der die Christinnen und Christen fremd geworden sind
und die dadurch sich selbst fremd geworden ist.
Wir werden belächelt, bestaunt, bemitleidet, manchmal sogar beschmipft.
Was uns in dieser Welt hält und trägt,
sind nicht die eigenen vier Wände,
nicht das Guthaben auf der Bank oder die Vollkaskoversicherung.
Es ist Christus, das Fundament, auf dem sich unser Leben aufbaut,
der uns durch alles, was kommen mag, hindurch trägt.
Für uns christliche Kosmonauten ist er das Raumschiff,
mit dem wir fremde Welten entdecken:
Unsere Nachbarin, unseren Nachbarn.
Die Kollegin auf der Arbeit, den Fremden im Bus oder hier, direkt neben mir, auf der Kirchenbank.

V. Anfang und Ende,
Neubeginn und Abschied,
beschreiben das Leben eines Menschen:
unser Leben.
Irgendwann erscheint Christus in unserem Leben,
und alles wird anders.
Das ist manchmal nicht leicht.
Es ist nicht leicht, wenn einem diese Welt zur Fremde wird,
man quasi heimatlos ist, und das unter Menschen,
für die dieses Land, dieser Ort ihr Ein und Alles ist.

Es fällt nicht leicht, in einer Welt zu leben,
der die Christinnen und Christen fremd geworden sind.
Die nicht versteht, was wir feiern, woran wir glauben,
und die das auch gar nicht zu intreressieren scheint.
Zum Glück sind wir nicht allein.
Zum Glück kommt es dabei nicht auf unsere kleine Kraft an.
Denn wenn Christus erscheint,
tritt die Gnade in unser Leben.

Diese Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.