Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis, 2./3.8.2025 über Johannes 6,30-35
Liebe Schwestern und Brüder,
ach, wäre das schön, wenn man Probleme ganz einfach lösen könnte. Wenn Autos mit Wasser fahren würden, wenn wir unsere Häuser warm bekämen, ohne Gas und Öl dafür verbrennen zu müssen.
Ach, wäre das schön, wenn man Frieden herstellen könnte zwischen Israelis und Palästinensern, Drusen und Beduinen, Russen und Ukrainern.
Ach, wäre das schön, wenn es auch eine einfache Lösung gäbe, wie man Menschen satt macht. Angesichts der verhungernden oder bereits verhungerten Kinder im Sudan und in Gaza ein ganz dringlicher Wunsch.
Man fragt sich, warum es überhaupt so weit kommen konnte. Warum es immer wieder so weit kommt, dass Menschen vor Hunger sterben müssen, während wir hier im Überfluss leben und Nahrung wegwerfen, weil sie niemand kaufen will.
Jesus bietet für das große Problem, wie Menschen satt werden, eine genial einfache Lösung an. Wir haben es im Evangelium gehört: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.”
I
Immer wieder werden einfache Lösungen für schwierige Probleme angeboten. Manchmal ist die Lösung tatsächlich ganz einfach: Wenn man ein Marmeladenglas nicht aufbekommt, gibt es einen Trick. Man muss nur wissen, wie, schon geht das Glas auf.
Eine Freundin konnte einmal ihre Ente nicht starten; nachdem sie alles mögliche versucht hatte, haute sie schließlich entnervt mit der Faust auf die Motorhaube. Aber davon sprang der Wagen natürlich auch nicht an. Da sagte jemand, der gesehen hatte, wie sie sich abmühte, sie solle das Auto nicht schlagen, sondern streicheln. Weil sie so verzweifelt war und dringend weg musste, tat sie, was der Mann ihr geraten hatte: Sie streichelte ihrer Ente über die Motorhaube - und sofort sprang sie an.
Solche radikal einfachen Lösungen müsste es doch auch für die großen Probeme geben. Da müsste es doch auch einen Trick geben. Und manchmal geht's einem wie Wickie: man hat einen Geistesblitz und denkt, Ha! jetzt hab ich’s! So könnte, so müsste es gehen. Aber wenn man genauer darüber nachdenkt - und spätestens dann, wenn man seine Idee anderen vorstellt -, zeigt sich, dass man doch etwas Wesentliches übersehen hat, und dass die Lösung nicht so einfach ist, wie man dachte.
Für die großen Probleme scheint es keine einfachen Lösungen zu geben - ja, es scheint gar keine Lösungen zu geben. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die globale Erwärmung und vor allem die Bekämpfung des Hungers - dafür hat noch niemand ein Rezept gefunden.
Oder vielleicht doch?
Hat Jesus vor knapp 2.000 Jahren bereits die Lösung für das Problem des Hungers gezeigt? „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.” Beim ersten Hören klingt es so. Nie mehr hungrig, nie mehr durstig sein - was für eine tolle Aussicht!
Jesus bietet für das große Problem, wie Menschen satt werden, eine ganz einfache Lösung an: Er bricht das Brot, und alle werden satt. So wird im Johannesevangelium von der Speisung der 5.000 erzählt, die von fünf Broten und zwei Fischen satt werden - am Ende blieben sogar 12 Körbe mit Brocken übrig.
II
Was bei der Speisung der 5.000 geschah, war ein Wunder. Ein Wunder aber, das lehrt uns die Erfahrung, ist keine Lösung. Wunder gibt es zwar immer wieder, wie es in einem Schlager heißt, aber sie passieren doch so unberechenbar und zufällig; man kann sich nicht darauf verlassen, dass sie eintreten, wenn man sie braucht. Wenn, dann geschehen sie unverhofft.
Ein Wunder scheint Jesus auch nicht zu meinen, wenn er nach der Speisung der 5.000 sagt: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.” Nachdem die Menschen gesättigt sind, geht es um einen anderen Hunger, den Jesus stillen will.
Der Hunger, den Jesus meint, ist ein Hunger der Seele. Den kennen wir auch. Jemand ist „hungrig nach Anerkennung,” oder „hungrig nach Liebe.” Man hat „Wissensdurst” oder „dürstet nach Leben.” In solchen Redewendungen zeigen sich Hunger und Durst der Seele. Ich weiß nicht, ob man auch seelisch verhungern kann. Aber quälend und schmerzhaft kann der seelische Hunger sein. Und ist nicht weniger schwer zu ertragen als der körperliche.
III
„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral,” singt Meckie Messer in der „Dreigroschenoper.” Wenn Menschen hungrig sind und ihnen das Lebensnotwendige fehlt, kann man wohl nicht erwarten, dass sie sich menschlich verhalten. Das ist nicht nur die Meinung von Meckie Messer. Wenn Hunger und Durst zu groß werden, wird für die meisten alles andere zur Nebensache. Erst wer satt ist, kann sich um Anderes und um Andere kümmern.
Es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Es gibt Menschen, die in extremsten Situationen ihre Menschlichkeit bewahrten und dadurch zu einem Vorbild wurden. Pater Kolbe zum Beispiel, der freiwillig für einen Mithäftling, der von der SS willkürlich für den Hungertod ausgewählt worden war, in den Hungerbunker ging, weil dieser Familie hatte und er nicht.
Irgendetwas hatte dieser Pater Kolbe. Etwas, das ihn so erfüllte, dass er den Hunger, der auch ihn quälte, aushalten konnte. Sein seelischer Hunger war gestillt.
Wenn der Hunger der Seele gestillt ist, kann man offenbar körperlichen Hunger besser aushalten. Oder zumindest in Situationen, wo erst das Fressen kommt und dann die Moral, seine Menschlichkeit bewahren.
Wie werden Menschen satt? Keine Frage: Indem sie etwas essen. Nein, das ist noch nicht die Antwort. Denn auch ein satter Mensch empfindet noch Hunger. Den seelischen Hunger, den auch eine üppige Mahlzeit nicht stillen kann.
IV
Was Jesus anbietet, wenn er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten,” was Jesus anbietet ist das, was den Hunger der Seele stillt: Er selbst.
Jesus stillt den Hunger der Seele, weil er uns mit Gott verbindet. Der direkte Draht zu Gott, die Verbindung mit der Schöpfermacht, mit der Fülle des Lebens, stillt den Hunger der Seele. Was könnte ihn besser stillen?
Wer mit Gott verbunden ist, fühlt sich von Gott angesehen, geliebt und anerkannt. Kann die Anerkennung seiner Mitmenschen genießen, muss sie aber nicht um jeden Preis haben. Kann selbst andere anerkennen, ohne sich dabei etwas zu vergeben. Kann anderen Anerkennung gönnen, ohne das Gefühl zu haben, zu kurz zu kommen.
Wer mit Gott verbunden ist, fühlt sich von Gott geliebt. Muss nicht alle Liebe von seinen Mitmenschen, von der Partnerin oder dem Partner erwarten. Kann Durststrecken und Krisen einer Beziehung ertragen.
Wer mit Gott verbunden ist, fühlt sich von Gott angenommen, auch mit seinen Fehlern, seinem Versagen, seiner Schuld. Findet den Mut, noch einmal von vorn anzufangen. Findet die Größe, anderen zu vergeben, mit anderen noch einmal von vorn anzufangen.
Wer mit Gott verbunden ist, hat die Fülle des Lebens gefunden. Muss nicht gierig oder geizig sein, muss nicht immer mehr Wachstum, immer größere Gewinne erzielen. Muss nicht den Neid empfinden auf das Glück und das Wohlergehen der anderen.
Muss die innere Leere nicht mit den völlig überflüssigen Dingen anfüllen, die die Werbung uns andrehen will.
V
Vielleicht gibt es sie ja doch, die einfache Lösung der großen Probleme. Vielleicht liegt er näher, als wir meinen, der Trick, mit dem der Verschluss aufgeht.
Vielleicht besteht die Lösung darin, dass wir, die wir körperlichen Hunger zum Glück nicht mehr kennen, begreifen, dass auch der Hunger unserer Seele gestillt ist. Wir sind mit Gott verbunden, auf die engste nur denkbare Weise.
Beim Abendmahl erleben wir diese enge Verbindung, wenn wir Gott in uns aufnehmen - ihn essen, so dass er in uns ist. Mit dem Leib Christi nehmen wir Gottes Fülle in uns auf. Sie ist in uns wie ein Energieball, der aus und heraus strahlt in Liebe und Freundlichkeit und Mitgefühl.
Wenn der Hunger gestillt ist, der Hunger des Körpers wie der Seele, dann kann selbst ein Meckie Messer sich nicht mehr entschuldigen mit seinem Satz „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.”
Wenn der Hunger gestillt ist, finden wir zu unserem Menschsein und zu unserer Bestimmung: Füreinander da zu sein und uns das Leben nicht zur Hölle, sondern zu einem Vorgeschmack des Himmels zu machen. Amen.