Sonntag, 23. November 2025

Dinge, die man nicht teilen kann

Predigt am Ewigkeitssonntag, 23.11.2025, über Matthäus 25,1-13

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn ich das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen höre,
kann ich mich jedes Mal über die klugen Jungfrauen ärgern.
Sie sind solche Musterschülerinnen!
Sie haben an alles gedacht,
sogar an das Öl zum Nachfüllen der Lampen.
Dabei war es nicht im Voraus bekannt,
dass der Bräutigam sich verspäten würde.
Wer rechnet schon damit,
dass jemand zur eigenen Hochzeit zu spät kommt?

Wenn man zu einer Hochzeitsfeier eingeladen ist,
nimmt man nicht mehr mit, als unbedingt nötig:
Ein Geschenk natürlich,
vielleicht noch Taschentücher - sicherheitshalber.
Aber sonst nichts.
Man geht unbeschwert von Alltagsdingen zu einer Hochzeit -
man will ja feiern.

Natürlich kann und will ich den Klugen keinen Vorwurf daraus machen,
dass sie so umsichtig sind.
Trotzdem ärgert mich an ihnen,
was mich auch an Musterschüler:innen ärgert:
Dass sie so strebsam und vorbildlich sind.
Nie vergessen sie eine Hausaufgabe,
haben immer ihr Sportzeug dabei,
denken an das Pausenbrot, die Regenjacke
und daran, zum Wandertag etwas zu Trinken einzupacken -
während ich manchmal einen knurrendem Magen hatte oder pitschnass wurde.

Ist es nicht menschlich, wenn man ab und zu mal etwas vergisst,
weil das Leben so viel spannender ist als die Schule?
Man hat den Tag mit Freund:innen verbracht
und ist abends spät nach Hause gekommen -
da war keine Zeit mehr für die Hausaufgaben.
Man hat den Wecker nicht gehört und musste sich beeilen -
da dachte man nicht an Pausenbrot oder Regenjacke.

Was mich noch an den klugen Jungfrauen ärgert:
Sie geben nichts ab von ihrem Öl.
Wenn sie uns schon als Beispiel dienen sollen,
hätten sie auch ihr Öl teilen müssen.
Denn das ist doch christlich: dass man miteinander teilt.

Sie haben natürlich einen guten Grund, warum sie nicht teilen.
Einen, der ihrer klugen, bedachten Art entspricht:
„Wenn wir euch etwas abgeben, würde es für uns alle nicht reichen.”
Meine Mitschüler:innen haben damals ihr Pausenbrot mit mir geteilt,
wenn ich vergessen hatte, mir eines zu einzupacken;
sie haben mir einen Schluck zu trinken abgegeben,
wenn ich keine Trinkflasche dabei hatte.
Warum kann man das Öl für die Lampen nicht teilen?

Nun, ich muss zugeben:
Hätten meine Mitschüler:innen nicht an Pausenbrot und Getränke gedacht,
hätten sie auch nichts mit mir teilen können.
Ich hatte Glück, dass sie so umsichtig waren,
und dass sie bereit waren, mit mir zu teilen.
Solches Glück hat man nicht immer.
Vor allem: Man kann sich nicht darauf verlassen,
dass jemand das bei sich trägt,
was man selbst vergessen hat, einzupacken.

Was für Lampenöl, Pausenbrote oder Trinkflaschen gilt,
das gilt in besonderem Maße von Dingen, die man nicht teilen kann.
Wenn ich z.B. vergessen hatte, Vokabeln zu lernen,
konnte mir beim besten Willen kein:e Mitschüler:in
ihr Wissen abgeben, wenn der Lehrer uns abfragte.

So ist es auch mit dem Glauben,
um den es im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen geht.
Das Lampenöl, das die Nacht erhellt und dem Bräutigam den Weg weist,
ist in diesem Gleichnis ein Symbol für den Glauben.

Nun kann man den Glauben nicht wie das Lampenöl beim Krämer kaufen,
wie das die klugen den törichten Jungfrauen raten.
Aber gemeint ist wohl: Wenn es darauf ankommt,
dann muss man den Glauben sozusagen parat haben.
Es reicht nicht, dass man in diesem Moment zu glauben anfängt.
Dann merkt man schmerzlich, dass ein Glaube,
den man jahrelang vernachlässigt hatte, nicht hilft, wenn man ihn nötig hat.

Solange die Lampe brannte, dachte niemand an das Lampenöl.
Erst als sie beim Putzen des Dochtes merkten,
wie klein die Flamme geworden war, fiel den Törichten auf,
dass sie Öl nachfüllen mussten.
So ist es mit dem Glauben auch: Im Alltag vermisst man ihn nicht.
Ich wäre nie darauf gekommen, Gott die Schuld zu geben,
weil ich meine Vokabeln nicht gelernt hatte
und mir beim Abfragen die richtige Antwort nicht einfiel.

Aber wenn wir mit unserem Latein am Ende sind,
geben wir oft Gott die Schuld,
dass er nicht eingreift, dass er das zulässt,
dass er uns so fern zu sein scheint.

Man wird einwenden: Was hat das miteinander zu tun,
Vokabeln - und ein Schicksalsschlag?
Wie ich mit meinen Vokabeln,
so verlassen wir uns im Alltag auf unser Können,
unser Wissen, unsere Kraft.
Wir kämen nicht auf die Idee, von Gott zu erwarten,
dass er uns bei der Bewältigung unseres Alltags hilft.

Wenn aber etwas nicht Alltägliches passiert,
wenn man nicht mehr weiter weiß,
besinnt man sich auf Gott und fragt nach dem Warum.
Man geht mit Gott ins Gericht,
wähnt sich von Gott verlassen.
So, als sei Gott für den Schicksalsschlag verantwortlich,
den wir erleiden müssen.

Für unseren Alltag ist Gott nicht verantwortlich,
das können wir allein - und da wollen wir auch allein entscheiden.
Ich will nicht sagen, dass das nicht richtig ist,
dass das nicht so sein sollte.
Ich weise nur auf den Widerspruch hin:
Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, erwarten wir ein Wunder,
'während wir im Alltag nicht damit rechnen.

Auch Gläubige, die ihren Glauben lebendig halten
und täglich - oder doch regelmäßig - damit umgehen,
erleben kein Wunder, wenn ihnen etwas Schlimmes widerfährt.
Auch sie werden von einem Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen.
Aber der Glaube ist ihnen in diesem Moment ein Halt.
So, wie die klugen Jungfrauen Öl für die Lampen dabei haben,
wissen diese Gläubigen, wie und wo sie auftanken können,
wenn ihr Glaube ins Wanken gerät.

Niemand, mag er oder sie auch vom Glauben durchdrungen sein,
ist davor gefeit, Zweifel zu erleben,
wenn man vom Leben erschüttert wird.
Auch dem Frömmsten kann Gott manchmal sehr fern sein,
wie die Jungfrauen alle miteinander vom Warten müde werden,
die klugen genauso wie die törichten.

Darum ist es wichtig, den Glauben zu üben
und sich mit seinem Glauben auseinanderzusetzen.
Man steht mit Gott in Verbindung
'und muss nicht erst lange nach der Telefonnummer suchen.
Und selbst wenn die Verbindung einmal abreißt, weiß man,
dass Gott am anderen Ende der Leitung geduldig wartet.

Bei Rainer Maria Rilke heißt es im „Stundenbuch”:

    „Du Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal
    in langer Nacht mit hartem Klopfen störe, -
    so ist’s, weil ich dich selten atmen höre
    und weiß, du bist allein im Saal.
    Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,
    um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
    Ich horche immer. Gib ein kleines Zeichen.
    Ich bin ganz nah.”

Gott ist da, im Alltag, in den Hoch-Zeiten und Tiefpunkten unseres Lebens.
Wenn wir ihn suchen, lässt er sich von uns finden.
Er hat sich nicht verborgen - wir haben ihn nur nicht sehen können.