Predigt
am Sonntag Epiphanias, 6.1.2013 über Jes 60,1-6:
Mache
dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt,
und
die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
Denn
siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich
und
Dunkel die Völker;
aber
über dir geht auf der Herr,
und
seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Und
die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen
und
die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Hebe
deine Augen auf und sieh umher:
Diese
alle sind versammelt und kommen zu dir.
Deine
Söhne werden von ferne kommen
und
deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden.
Dann
wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen,
und
dein Herz wird erbeben und weit werden,
wenn
sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren
und
der Reichtum der Völker zu dir kommt.
Denn
die Menge der Kamele wird dich bedecken,
die
jungen Kamele aus Midian und Efa.
Sie
werden aus Saba alle kommen,
Gold
und Weihrauch bringen
und
des Herrn Lob verkündigen.
Liebe
Schwestern und Brüder,
was
für großartige Worte,
was
für ein prächtiges Bild!
Schiffe
sieht man heranfahren,
Kamelkarawanen
ziehen durch die Wüste,
Abendland
und Morgenland treffen sich in Jerusalem,
dem
Mittelpunkt der Welt.
Die
Stadt Jerusalem selbst erstrahlt im Licht
-
im Licht, das Gott selbst ist.
Und
es erfüllt sich die alte und immerwährende Hoffnung,
dass
Gott sich den Menschen zu erkennen gibt.
Dass
Gott nicht hinter Leid, Schmerz und Zweifeln verborgen ist,
sondern
als Licht jedem Menschen ins Herz scheint.
Eine
Hoffnung, wie sie der Seher Johannes im letzten Buch der Bibel zum
Ausdruck bringt:
Ich
sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn
der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
und
das Meer ist nicht mehr.
Und
ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
von
Gott aus dem Himmel herabkommen.
Und
ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,
die
sprach:
Siehe
da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und
Gott wird bei ihnen wohnen,
und
sie werden sein Volk sein,
und
er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
und
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,
und
der Tod wird nicht mehr sein,
noch
Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;
denn
das Erste ist vergangen.
Und
der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
I
Ein
neues Jahr hat begonnen.
Ein
Jahr voller Hoffnung, voller guter Vorsätze.
Ein
Jahr, das vor uns liegt wie ein weites Feld,
das
bearbeitet werden will.
Die
erste Furche ist gezogen.
Man
kann die Aussaat gar nicht erwarten
und
freut sich schon auf die reiche Ernte.
Für
manche ist dieses weite Feld,
dieser
Neujahrsacker,
keine
Verheißung, sondern ein Grund zur Sorge und Unruhe.
Sie
fürchten, dass das Unkraut vom letzten Jahr
dieses
Jahr wieder hochkommt und die Saat erstickt.
Sie
fühlen in sich nicht mehr die Kraft,
auch
dieses Jahr wieder den Pflug anzusetzen,
den
Samen auszustreuen;
sie
würden das Feld am liebsten sich selbst überlassen.
Und
wieder andere,
denen
hat schon in der ersten Woche des neuen Jahres
ein
Sturm das Feld verwüstet,
und
sie wissen noch gar nicht,
wie
es dieses Jahr gehen, wie es werden soll.
Ein
neues Jahr hat begonnen.
Ein
Jahr, das vor uns liegt wie ein weites Feld.
Was
werden wir säen,
was
werden wir ernten in diesem Jahr?
II
Vollmundig
klingen die Worte Jesajas,
und
siegessicher.
Aber
hört und sieht man genauer hin,
fragt
man sich: kann das denn sein?
Sind
jemals Könige mit ihren Gaben nach Jerusalem gezogen,
die
Völker zum Zion, dem Tempelberg, gewallfahrtet?
Haben
je Kamele wie Sand am Meer die Stadt bedeckt
und
Schätze sie erfüllt?
Nein,
so ist es nie gewesen.
Es
ist alles nur ein Traum.
Ein
Traum, wie ihn Verlierer träumen.
Solch
grandiosen Bilder malt sich in seiner Phantasie aus,
wer
in der Wirklichkeit unterlegen ist:
Das
Mädchen, das von seinen Mitschülerinnen getrietzt und gepiesackt
wird, sieht sich in seinen Träumen als Albert Einstein, zu dem seine
Peiniger am Ende aufsehen, den sie demütig um ein Autogramm, um
einen Ratschlag bitten.
Der
Junge, der nie genug Geld hatte, sich das zu leisten, was alle
anderen besaßen, träumt vom Lottogewinn, vom großen Los, mit dem
er sich alle Wünsche erfüllt.
Der
Angestellte, den der Chef vor den Kollegen wegen eines Fehler
demütigte, träumt sich in die Rolle des Chefs – und dann wird er
es ihm mal richtig zeigen und ihm spüren lassen, wie das ist ...
Allmachtsträume,
wie wir sie alle wohl schon einmal geträumt haben. Der Trost der
Ohnmächtigen, der die peinliche Wirklichkeit ausblendet – und
Kraft gibt, es wieder mit ihr aufzunehmen.
Solche
Kraft geben die Worte Jesajas.
Gesprochen
sind sie zu den Israeliten im Exil. Zu Menschen, die von ihrer Heimat
weggerissen worden waren, weil ihr Land im Krieg unterlegen war, und
die nun in der Fremde als Menschen zweiter Klasse leben müssen –
ohne zu wissen, wann sie endlich wieder nach Hause gehen, wann sie
endlich wieder Menschen mit Rechten und mit einer Zukunft sein
dürfen.
Ihnen
verspricht Jesaja nicht weniger, als dass Gott selbst sich ihnen
zuwenden wird. Nicht weniger, als dass die, die sie jetzt ausbeuten
und ausgrenzen, als Bittsteller mit Geschenken zu ihnen kommen
werden.
III
Ist
es nicht unverantwortlich, so etwas zu versprechen?
Wie
kommt Jesaja dazu, Israel in seinem größten Elend eine Herrlichkeit
vor Augen zu malen, die so unrealistisch ist, dass man es sofort
durchschaut?
Auch
Jesaja spricht seine Worte am Beginn eines neuen Jahres. Das
Laubhüttenfest, zu dem diese Worte möglicherweise gesprochen
wurden, beginnt zwei Wochen nach dem jüdischen Neujahr. Es geht
Jesaja darum, das Feld für das kommende Jahr zu bereiten, Hoffnung
zu geben, den Pflug noch einmal in die Furche zu setzen, trotz der
Steine im Acker. Noch einmal mühsam den Samen auszustreuen, trotz
der vielen Raben in der Luft, und trotz Dürre und heißem Wind auf
die karge Ernte zu warten. Es geht ihm darum, Hoffnung zu geben auf
Gott, der versprochen hat, dass nicht aufhören werden Saat und
Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Gott,
der angesichts des Elends seines Volkes die Distanz zu seinen
geliebten Menschen aufgegeben hat, der als Licht aus dem Himmel auf
die Erde kommt und seine Menschen erfüllt.
Gott,
der sich an seine geliebten Menschen verschenkt, so dass sie sich
fühlen wie die Fürsten. Größer noch als die Königin von Saba,
die zwar unermessliche Reichtümer hatte, aber nicht Gott an ihrer
Seite, Gottes Fülle in ihrem Leben.
Deshalb
also der vollmundige Überschwang seiner Worte.
Deshalb
also das so offensichtlich unrealistische Versprechen.
Und
wir spüren es ja auch, dass diese Worte Mut machen, einfach durch
ihren Klang, durch ihren Übermut, durch die Fülle, die aus ihnen
spricht und strömt.
IV
„Mitten
im Laubhüttenfest ging Jesus hinauf in den Tempel und lehrte. Er
sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht
wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Wieder
ein Laubhüttenfest, wieder ein Jahresanfang, und wieder ist vom
Licht die Rede. Und jetzt ahnen wir, was Jesaja meinte, als er
schrieb: „über dir geht auf der Herr,
und
seine Herrlichkeit erscheint über dir“.
Es
sind keine Könige nach Jerusalem gezogen.
Wohl
aber zum ärmlichen Stall von Bethlehem,
wo
sie dem Kind in der Krippe ihre Gaben brachten:
Gold,
Weihrauch und Myrrhe.
In
der Aufnahme der Weissagung Jesajas hat Matthäus gezeigt, wo die
Herrlichkeit Gottes aufgeht, wo sie zu finden ist:
In
einfachsten Verhältnissen.
Im
Stall, bei den Armen, den Verlierern der Gesellschaft -
so
wie auch der erwachsene Jesus sich den Außenseitern,
den
Gedemütigten, den Verlierern zugewandt hat.
Gott
ist sich selber treu geblieben.
So,
wie er an Israel festgehalten hat
trotz
aller seiner Fehler, seiner Uneinsichtigkeit.
Obwohl
es seinen Feinden unterlag,
sein
Land verlor -
so
hält er an jeder und jedem von seinen geliebten Menschen fest.
Und
so geht Jesus ganz nach unten,
um
uns nah zu sein,
wenn
der Jahresacker uns zu groß und zu steinig erscheint,
als
dass wir ihn je würden bestellen können;
wenn
der Sturm des Lebens alle unsere Arbeit zunichte,
alle
Hoffnungen zerstört, allen Lebensmut genommen hat.
V
Ein
neues Jahr hat begonnen.
Ein
Jahr, das vor uns liegt wie ein weites Feld.
Was
werden wir säen,
was
werden wir ernten in diesem Jahr?
„Solange
die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte,
Frost
und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Gottes
Glanz geht über uns auf auch in diesem Jahr.
Wir
werden ihn entdecken
auf
den Tautropfen, die auf dem Unkraut liegen,
im
Schimmer der Steine auf dem Acker
und
im Leuchten der Gesichter unserer Mitmenschen.
Und
auch wenn wir zu kraftlos oder zu müde sind,
uns
in den Pflug zu stemmen,
wieder
einmal zu säen, wo doch die Raben schon kreisen,
dann
will uns ein anderes Wort Jesajs Mut machen,
nach
dem zu sehen, was von selbst in unserem Acker wächst:
„Siehe,
ich will Neues schaffen,
jetzt wächst es auf,
erkennt ihr's denn nicht?“
jetzt wächst es auf,
erkennt ihr's denn nicht?“
Amen.