Montag, 5. Juni 2017

Freunde des Fischers

Predigt zur Konfirmation am Pfingstsonntag, 4. Juni 2017, über Matthäus 4,18-20:
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder: Simon - bekannt unter dem Namen Petrus - und Andreas. Sie warfen gerade ihr Netz aus, denn sie waren Fischer. Jesus sagte zu ihnen: Kommt, folgt mir! Ich mache euch zu Menschenfischern. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.


Liebe Konfirmand*innen,

heute bekommt ihr eine Menge Geschenke.
Die Geschenke sind wohl die schönste Nebensache der Konfirmation. Erstaunlich und bewegend, wer alles an einen denkt, einem gratuliert, Glück und Gutes wünscht. Nicht nur aus der eigenen Familie und der Verwandtschaft, auch Nachbarn schenken etwas. Mitunter kennt man sie gar nicht richtig oder erfährt zum ersten Mal, mit wem man alles verwandt ist.

Ich habe euch heute auch ein Geschenk mitgebracht. Ein ganz kleines nur, ein symbolisches: Eine Tüte „Fisherman’s Friends“. Ihr könnt sie gleich benutzen, wenn ihr einen trockenen Hals habt. Aber deshalb habe ich sie natürlich nicht mitgebracht. Sondern weil ihr genau das seid: Freunde des Fischers.
So jedenfalls erzählt es das Evangelium, das wir gehört haben: Jesus macht Simon und Andreas zu Menschenfischern. Das hat er auch für euch vorgesehen - für uns alle: Menschenfischer zu sein.

Wir vergessen manchmal, dass das unsere Aufgabe ist. Wir denken, der Glaube sei unsere Privatsache. Etwas nur für uns, um uns das Leben nett zu machen. Etwas, damit wir es schön haben in der Gemeinde, in der Kirche.
Manchmal denkt man auch, Glauben könne man sich aussuchen. Ob ich glaube oder nicht, das ist allein meine Sache. Wenn mir das alles nicht mehr gefällt, wenn es mir nicht passt, mir zu peinlich oder zu weltfremd ist, dann lasse ich es einfach. Es muss ja niemand glauben - oder?

Ich bin mir nicht sicher, dass man sich den Glauben wirklich aussuchen kann. Natürlich kann man die Bibel, die Auferstehung, Jesus selbst für ein Märchen halten und beschließen, dass einen das alles nichts angeht.
Aber Glauben bedeutet ja nicht, etwas für wahr zu halten, was viele andere als Erfindung, als Märchen abtun. Glauben ist vielmehr so etwas wie Vertrauen.
Vertrauen kann man nicht lernen. Man kann es üben, aber dafür muss man schon etwas Vertrauen besitzen.

Die kurze Geschichte aus dem Evangelium handelt von diesem Vertrauen: Jesus geht zu Simon und Andreas und sagt: „Kommt, folgt mir! Ich mache euch zu Menschenfischern“, und sie vertrauen ihm und folgen ihm. Wir wollen jetzt mal beiseite lassen, dass man einem wildfremden Menschen eigentlich nicht vertrauen kann und ihm nicht folgen sollte, sondern uns fragen: Wo steckt das Vertrauen in dieser Geschichte?

Ihr habt bisher euren Eltern und Großeltern vertraut: Was sie euch sagten, war richtig. Was sie für euch entschieden, war gut. Ihr wart nicht immer einverstanden damit - und je älter ihr werdet, desto häufiger gibt es Anlass zum Widerspruch. Aber ihr konntet und könnt hoffentlich euren Eltern und Großeltern vertrauen: Sie wollen das beste für euch.

Die Konfirmation markiert einen Punkt, an dem sich das langsam ändert. Ihr bestimmt immer mehr selbst über euer Leben, entscheidet selbst, was gut und richtig für euch ist. Es wird Entscheidungen geben, da seht ihr es ganz anders als eure Eltern. Wem könnt ihr dann vertrauen?
Wichtig ist, dass man Selbstvertrauen hat: Dass man weiß, dieser Weg ist der Richtige für mich.
Vielleicht habt ihr auch Vorbilder - eine Patin, eine Verwandte, eine ältere Freundin - die den Weg gegangen sind, den ihr gehen wollt.
In dieser Hinsicht ist auch Jesus einer, dem ihr vertrauen könnt. Er kann euch nicht bei der Entscheidung helfen, welche Sportart die richtige ist, oder welcher Beruf. Ob ihr Abitur machen sollt und studieren oder eine Ausbildung. Aber wir Christen haben neben unserem „normalen“ Beruf noch einen zweiten, und den haben wir, weil wir dem Vorbild von Jesus folgen: Wir sind Menschenfischer.

Aber was ist das eigentlich, ein Menschenfischer?
Wenn wir J. fragen würden, würde er uns alles über das Angeln erzählen können, welchen Köder man für welchen Fisch nimmt z.B. Aber das hilft einem ja nicht, wenn man Menschen fischen will.
K. weiß als Torfrau, was man tun muss, um möglichst keinen Ball aus dem Netz fischen zu müssen. Sie ist sozusagen Anti-Fischerin. Aber auch das hilft uns nicht weiter.
Wenn man es recht betrachtet, nehmen Simon und Andreas ihr Netz auch gar nicht mit, sie lassen es zurück. Zum Menschenfischen brauchen sie es nicht mehr.

Wie also fischt man Menschen?
Na - zum Beispiel mit Geschenken!
Wenn jemand ein Geschenk macht, kann er ziemlich sicher sein, dass der andere sich freut. Dafür macht man ja Geschenke: Um anderen eine Freude zu machen und sie auf diese Weise für sich einzunehmen. Und genau das ist mit „Menschenfischen“ gemeint: Andere Menschen zu gewinnen, sie für etwas einzunehmen. Man könnte Menschenfischen mit der Werbung verwechseln, die ja auch Menschen dazu gewinnen will, etwas zu kaufen. Aber die Menschenfischerei will nichts verkaufen - nicht einmal den Glauben. Denn der Glaube, das sagte ich vorhin, ist so etwas wie Vertrauen. Und das kann man nicht kaufen, das kann man nur gewinnen.

Man macht Geschenke, um anderen eine Freude zu machen und um sie auf diese Weise für sich einzunehmen. Aber ich schenke ja nicht, damit ich gut dastehe, damit mich jemand toll findet. Ich schenke, um dem anderen eine Freude zu machen. Und eigentlich ist dabei gar nicht so wichtig, was man schenkt, sondern nur, dass man schenkt. Weil es gar nicht so sehr auf das Geschenk selbst ankommt, sondern auf das, was man damit sagt:
Du bedeutest mir viel.
Du bist wichtig.
Du bist wertvoll.

Genau das ist mit dem „Menschenfischen“ gemeint.
Deshalb brauchen Simon und Andreas, deshalb brauchen wir kein Netz, um Menschenfischer zu sein, keine Haken, Fliegen und Blinker. Menschenfischen bedeutet, einem anderen Menschen genau das zu sagen und zu zeigen:
Du bedeutest mir viel.
Du bist wichtig.
Du bist wertvoll.

Im Grunde war das der wichtigste Inhalt des Konfirmandenunterrichts: Euch genau das zu sagen und zu zeigen. Euch spüren zu lassen, dass Gott es ist, der das zu euch sagt:
Du bedeutest mir viel.
Du bist wichtig.
Du bist wertvoll.

Das ist der Glaube: Darauf zu vertrauen, dass das stimmt, dass ich diesem einen unendlich viel bedeute. Dass einer mich liebt, mich braucht, mich schön findet und gut genug und genau richtig so, wie ich bin.

Menschenfischen bedeutet, das anderen zu sagen und zu zeigen: Dass Gott auch sie so liebt, wie sie sind. Das gelingt aber nur, wenn man sich selbst auch so verhält. Deshalb hat Menschenfischen nichts mit Werbung zu tun. Wir wollen den Glauben nicht verkaufen. Wir wollen, dass Menschen Gott vertrauen. Dazu müssen sie uns vertrauen können. Das können sie nur, wenn das, was wir sagen und das, was wir tun, übereinstimmen. Wenn man von Nächstenliebe redet, aber sich selbst benimmt wie die Axt im Walde, kann solches Vertrauen nicht entstehen. Wenn man von anderen verlangt, was man selbst nicht erfüllen will oder erfüllen kann, auch nicht. Menschenfischen fängt deshalb immer bei einem selbst an.

Ab heute ist das auch eure Aufgabe. Mit der Konfirmation bekommt auch ihr den Auftrag, Menschenfischer zu sein. Ob ihr diesen Auftrag annehmt, ist eure Entscheidung. Aber wie immer ihr euch auch entscheidet: Ihr seid Fisherman’s Friends, Freunde des Fischers.
Es wäre schön, wenn ihr auch andere zu Fischerman’s Friends machtet. - Es wäre schön, wenn wir alle unsere Aufgabe, Menschenfischer zu sein, ernst nähmen. Denn nur dafür ist die Gemeinde, die Kirche eigentlich da, dass wir uns gegenseitig immer wieder sagen und zeigen:
Du bedeutest mir viel.
Du bist wichtig.
Du bist wertvoll.
Denn das kann man eigentlich gar nicht oft genug gesagt - und vor allem: gezeigt - bekommen.
Amen.


Anmerkung:
Die Idee, die Fisherman's Friends-Pastillen auf den Menschenfischer Jesus zu beziehen und sie den Konfirmanden zu schenken, stammt nicht von mir, sondern von einem Kirchenältesten aus St. Petri, Braunschweig, von dem ich sie geklaut habe.