Samstag, 31. März 2018

Egalité!

Predigt am Ostersonntag, 1. April 2018, über 1.Samuel 2,1-2.6-8


Liebe Schwestern und Brüder,

Osterfreude ist angesagt.
Im Gottesdienst wird aus vollem Herzen gesungen.
Das österliche Halleluja-ha-ha tönt wie fröhliches Lachen.
Alle sind gut drauf.
Aber worüber freuen wir uns eigentlich so?
„Dass Jesus auferstanden ist“, wird man antworten.
Na klar, logisch, wie konnte ich nur fragen.
Aber, mal ehrlich: Was bedeutet das denn?

Eine Antwort auf diese Frage kann uns vielleicht Hanna geben.
Von ihr ist ein Lied überliefert, das geht so:
Ich freue mich über Gott.
Durch Gott trage ich meinen Kopf hoch.
Meinen Gegnern biete ich Paroli,
denn ich kann mich über deine Hilfe freuen.
Niemand ist heilig wie Gott,
denn außer dir gibt es niemanden,
und nichts ist so sicher wie unser Gott.
Gott lässt sterben und erhält am Leben,
bringt ins Totenreich hinab und hinauf.
Gott lässt verarmen und macht reich,
demütigt und erhöht.
Er richtet den Besitzlosen aus dem Staub auf,
aus der Müllgrube hebt er den Armen,
um ihn unter die Edlen zu setzen,
und gibt ihm den Ehrenplatz.
Denn Gott gehören die Säulen der Erde,
das Festland hat er auf sie gesetzt.


I. OK, das Lied geht nicht so ins Ohr oder in die Beine
wie unsere heutigen Schlager.
Aber es ist ja auch schon 3.000 Jahre alt
und auf Hebärisch geschrieben.
Wenn wir die Melodie kennen würden
und Hebräisch sprechen könnten, wer weiß:
Vielleicht würden wir es lauthals mitsingen!?

Ein bisschen eigenartig ist es schon, dieses Lied.
Die meisten Lieder lassen sich relativ leicht zuordnen.
Da gibt es fröhliche Lieder zum Mitsingen und Schunkeln,
andere Lieder stimmen melancholisch oder sogar traurig.
Hannas Lied ist beides:
Es singt von Freude, aber auch von Tod und Armut -
und dann sogar von Revolution!
Drei Jahrtausende vor der Französischen Revolution,
vor Marx und Lenin singt eine jüdische Frau von Egalité, Gleichheit,
und von Aufstand und Aufstieg des Proletariats!


II. Eine Frau singt von der Umkehr der Verhältnisse:
Arme, die im Müll gehaust haben,
erhalten den Ehrenplatz unter vornehmen Leuten.
Das ist damals wie heute gelinde gesagt ein Wunschtraum.
Zwar sind vor dem Gesetz alle gleich,
und auf dem Papier herrscht ja auch Gleichheit zwischen Mann und Frau.
Aber sieht man sich die Wirklichkeit an, muss man feststellen,
dass es immer noch gesellschaftliche Unterschiede gibt.
Dass Kinder aus armen Familien
eine schlechtere Schulbildung haben als die aus reichen.
Und dass Frauen immer noch weniger Lohn für gleiche Arbeit bekommen als Männer,
von einem Job in der Führungsetage ganz zu schweigen.

Hanna aber hat Grund zur Freude:
Für sie hat sich etwas grundlegend geändert.
Was das war, können Sie ja zuhause mal in Ihrer Bibel nachschlagen:
Am Anfang des ersten Samuelbuches steht Hannas Geschichte.
Hanna fühlte sich benachteiligt und gedemütigt,
aber das hatte nun ein Ende.
Und das hatte sie Gott zu verdanken.
Denn zu Gott hatte sie gebetet.
Sie hatte Gott um Veränderung gebeten,
und die Veränderung war gekommen.


III. Für uns Heutige ist es eine schwierige Vorstellung,
dass Gott etwas ändern kann und in unser Leben eingreift.
Woran sollte man auch erkennen, dass Gott es war,
der geholfen, eine Veränderung bewirkt hat?
Man könnte sagen: Wenn man vorher gebetet hat,
dann muss es Gott gewesen sein.
Aber dagegen sprechen die unzähligen vergeblichen Bitten:
die Stoßgebete von Menschen in Notsituationen, die ungehört verhallten,
die verzweifelten Bitten um Heilung, die nicht erfüllt wurden.
Ganz Schlaue sagen dann: Ja, Gott erfüllt nicht jedes Gebet!
Man muss schon den richtigen Glauben
und das nötige Gottvertrauen haben, dann klappt es auch.
Aber ich kann mir nicht vorstellen,
dass die Freundin, die aus tiefstem Herzen
um Rettung für ihren krebskranken Freund bittet
und zusehen muss, wie er dennoch stirbt,
weniger Glauben und Gottvertrauen haben sollte
als jemand, der z.B. um eine Mitfahrgelegenheit betet
und sie dann auch bekommt.

Hanna aber hält daran fest, dass die Veränderung von Gott kam.
Dabei beansprucht sie nicht den richtigen Glauben für sich
oder ein besonderes Gottvertrauen.
Vielmehr sagt sie:
Gott, der die Welt geschaffen hat,
der kann jederzeit alles anders machen.
Gott kann jederzeit alles umstürzen.
Das ist --- Revolution!


IV. Hanna hatte die andere Seite erlebt,
von der ihr Lied auch singt:
Sie wurde gedemütigt und erniedrigt.
Sie sagt aber nicht, dass Demütigung und Erniedrigung von Gott kommen.
Sie weiß: Es waren Menschen, die sie klein gemacht hatten.
Sie waren so gemein zu ihr, dass sie sich nicht mehr traute,
andere anzusehen und den Mund aufzumachen.
Jetzt aber trägt sie den Kopf wieder hoch
und macht ihren Mund weit auf.
Jetzt traut sie sich was.
Jetzt singt sie von Revolution.
Jetzt singt sie davon,
dass, wer wohlhabend ist, seinen Reichtum verlieren kann;
dass, wer auf hohem Ross sitzt, tief fallen kann;
und dass man jederzeit sterben kann.

Manche würden da nicht von Revolution,
sondern von „Schicksal“ sprechen.
„Wie gewonnen, so zerronnen“, lautet ein Sprichwort.
Aber Hanna besteht darauf,
dass diese Schicksalsschläge von Gott kommen.
Und Gott ist parteiisch:
Er hält nicht zu denen, die alles haben -
Geld, Macht, Einfluss, Ansehen.
Gott hält zu denen, die nichts haben
und sorgt dafür, dass sie den Anteil bekommen,
der ihnen zusteht.


V. Gott ist parteiisch!?
Das ist doch nicht zu glauben!
Gott ist doch kein rot-grün-versiffter 68er,
Gott ist eine, nein: die Respektsperson!
Gott, wenn er auf die Erde käme,
würde nicht mit Bettlern in der Gosse sitzen,
sondern den Papst treffen und die Queen,
mit Putin auf Bärenjagd gehen und mit Trump Golf spielen.

Gott kam auf die Erde.
Und, ja, er begegnete wichtigen, mächtigen Leuten.
Der erste, in dessen Nachbarschaft er geboren wurde,
wollte ihn gleich umbringen,
und der zweite verurteilte ihn zum Tode.
Gott kam auf die Erde und war parteiisch.
Er hielt sich zu denen, die nichts zu sagen hatten.
Zu denen, die keiner mochte.
Zu den moralisch Fragwürdigen,
den aus der Gemeinde und der Gemeinschaft Ausgestoßenen.
Er sprach mit Frauen und behandelte sie wie seinesgleichen.
Und er sagte: Die Letzten werden die Ersten
und die Ersten die Letzten sein.
Er war ein Revolutionär, unser Gott.


VI. An Ostern feiern wir,
dass die Revolution weitergeht.
Nicht nach dem Motto:
„Den Sozialismus in seinem Lauf
halten weder Ochs noch Esel auf!“
In Gottes Revolution geht es darum,
dass Menschen Rechte bekommen, die vorher rechtlos waren;
dass Gerechtigkeit erfährt, wer ungerecht behandelt wurde;
dass Menschen das zum Leben Nötige erhalten, denen es zuvor versagt wurde;
dass Anerkennung und Respekt erfährt, wer vorher nichts galt.

Gottes Revolution findet nicht statt,
damit andere an die Macht kommen,
die auf ihre Weise wieder ungerecht und egoistisch sind,
eine andere Gruppe ausgrenzen und benachteiligen,
sodass einfach nur andere ungerecht behandelt werden.
Gottes Revolution findet statt,
damit Gottes Macht bei den Menschen ankommt.
Damit wir, wie Hanna, begreifen:
„Niemand ist heilig wie Gott,
denn außer dir gibt es niemanden,
und nichts ist so sicher wie unser Gott“.


VII. Wenn wir das begreifen,
werden wir erkennen, dass wir alle Geschwister sind -
unabhängig davon, ob wir miteinander verwandt sind,
aus dem selben Land stammen oder die selbe Sprache sprechen.
Wir sind Geschwister, weil Gott unser Vater ist.
Unser Vater möchte, dass alle seine Kinder leben.
Darum müssen die, die viel besitzen,
denen etwas abgeben, die nichts haben.
Darum müssen Macht und Einfluss geteilt werden,
damit nicht eine Gruppe die Bedingungen für alle anderen diktieren
und für sich selbst das Beste herausholen kann.

Die Auferstehung Jesu bedeutet,
dass die Mächtigen und Lobbyisten,
die Militärs und die Mafiosi Gott nicht mundtot machen konnten.
Jesus lebt, der Aufstand des Lebens gegen die Mächte des Todes geht weiter.
Das ist ein Grund zur Freude für alle Unterdrückten und Benachteiligten,
für alle Armen und Ausgegrenzten.
Gebe Gott uns ein weites Herz, dass wir in ihre Freude einstimmen können!

Amen.