Andacht zu Psalm 86,1: „Ich bin elend und arm“.
„Ich bin elend und arm“ - ein eigenartiges Bekenntnis,
wenn man es recht bedenkt.
Ich kann mir keine Situation vorstellen,
in der man jemandem anvertrauen würde:
Du, weißt du schon? Ich bin elend und arm.
Man klagt manchmal sein Leid, wenn man sich nicht gut fühlt:
„Heute ist mir ganz elend!“.
Aber das ist nicht dasselbe wie dieses Psalmwort.
Das eine ist eine Klage: Mir geht es nicht gut.
Es tut gut, wenn man das jemandem sagen
und dafür etwas Mitgefühl ernten kann.
Aber „Ich bin elend und arm“ ist keine Klage, sondern ein Bekenntnis.
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Psalmbeter wirklich elend und arm ist.
Trotzdem sagt er das von sich - warum?
Normalerweise hebt man seine Stärken hervor,
z.B. wenn man sich vorstellt.
Besonders bei einer Bewerbung gilt es, sich gut zu verkaufen.
Hier aber macht sich einer klein - kleiner, als er tatsächlich ist.
Man macht das manchmal, wenn man Angst vor jemandem hat.
Dann zieht man seinen Kopf ein
und blickt so demütig schräg von unten nach oben.
Aber vor Gott muss man keine Angst haben.
Der Psalmbeter macht sich nicht aus Angst klein.
Sondern weil er erkannt hat, dass das,
was man gemeinhin für Stärke hält -
Körperkraft
besondere Klugheit oder
besondere Fähigkeiten
Wohlstand
Beziehungen
Einfluss und Macht
Bekanntheit und Ansehen -
dass all das für das Verhältnis zu Gott keine Rolle spielt.
Gott interessiert nicht, was wir können,
wie viel wir verdienen,
was wir leisten und in den Augen anderer gelten.
Gott interessiert sich dafür, wie wir wirklich sind:
elend und arm.
Man möchte widersprechen:
Elend und arm, das bin ich nicht!!!
Ich bin doch wer!
Ich kann doch was!
Aber wer darauf besteht, jemand zu sein, etwas zu können,
der kann sich von Gott nichts schenken lassen.
Gott kann nur dem helfen, der auf den eigenen Anteil verzichtet,
nicht selbst seines Glückes Schmied sein will.
Wer sich vor Gott klein macht,
wer bekennen kann: „Ich bin elend und arm“,
den macht Gott groß.
EG 408: Meinem Gott gehört die Welt