Samstag, 29. August 2020

jede ein Tempel

Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis, 30.8.2020,
über 1.Korinther 3,9-17:

 
Wir sind Gottes Mitarbeiter,
ihr seid Gottes Ackerland,
Gottes Gebäude.
Durch Gottes Gnade, die mir zuteil wurde,
habe ich als erfahrener Baumeister das Fundament gelegt,
doch ein anderer baut darauf auf.
Jeder aber soll zusehen, wie er darauf aufbaut.
Denn niemand kann ein anderes Fundament legen als das, was gelegt ist,
das ist Jesus Christus.
Wenn aber jemand auf dem Fundament aufbaut
mit Gold, Silber, Edelsteinen, Holz, Stroh oder Schilf,
wird eines jeden Werk sichtbar werden,
denn der Jüngste Tag wird es offenbaren,
weil es durchs Feuer aufgedeckt wird.
Und wie eines jeden Werk beschaffen ist,
wird das Feuer erweisen.
Wenn jemandes Werk, das er aufgebaut hat, bleibt,
wird er Lohn empfangen.
Wenn jemandes Werk verbrennt,
wird er Schaden nehmen,
er wird aber gerettet werden,
doch wie durchs Feuer hindurch.
Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid
und der Geist Gottes in euch wohnt?
Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört,
wird Gott ihn vernichtend strafen.
Denn der Tempel Gottes ist heilig:
der seid ihr.
 
 
Liebe Schwestern und Brüder,
 
„eigener Herd ist Goldes wert”,
sagt ein Sprichtwort.
Und es stimmt:
Wohl jede und jeder strebt danach,
wenn irgend möglich im eigenen Haus zu leben.
Entweder in dem, das man von den Eltern geerbt hat,
oder in dem, das man sich selbst gebaut
oder das man gekauft hat.
 
Der wichtigste Grund für das Streben nach einem Eigenheim ist wohl,
dass man darin sein eigener Herr ist.
Man kann es so gestalten und einrichten,
wie es einem gefällt.
Und man tut es auch.
Unsere Wohnung und ihre Einrichtung
sind wie eine zweite Haut:
Sie zeigen, wer wir sind
und als wer wir erscheinen wollen,
wie viel wir verdienen,
was uns wichtig ist
und was uns gefällt.
 
Kein Wunder, dass Paulus das Haus als Beispiel
für ein christliches Leben wählt.
Das Leben als Christin, als Christ ist wie ein Haus:
Wie man sein Leben führt und gestaltet, zeigt,
was einem wichtig ist.
 
Doch beim Hausbau wie beim Leben
kommt es nicht zuerst auf die Tapete an.
Es kommt auf das Fundament an.
Soll ein Haus ein Leben lang halten,
soll es Blitz und Donner, Sturm und Hochwasser standhalten,
muss es fest gegründet sein.
So ist es auch mit dem Leben.
 
Das Fundament, auf dem ein christliches Leben ruht,
ist nicht die Meinung irgendeines Pastors,
nicht der Brauch der Altvorderen
und auch keine religiöse Bewegung oder Modeerscheinung.
Es ist Christus selbst.
Darum war es Martin Luther und den anderen Reformatoren so wichtig,  
die Bibel ins Deutsche zu übersetzen.
Jede Christin, jeder Christ sollte in der Lage sein,
die Arbeit ihres religiösen Baumeisters
zu überprüfen und zu hinterfragen,
damit der Glaube auf einer festen, verlässlichen Basis aufsetzt.
 
Auf diesem Fundament errichtet man sein Lebensgebäude.
Ob es aus Gold und Silber oder aus Stroh und Schilf besteht,
ist dabei keine Frage des Vermögens oder des Einkommens.
Der „Wert” eines Lebens -
wenn man denn bei einem Leben überhaupt von Wert
sprechen darf und sprechen sollte -
der „Wert” eines Lebens als Christin oder Christ
bemisst sich nicht am Einkommen, am Besitz,
an Leistung oder Erfolg,
sondern an dem,
was man für seine Mitmenschen getan hat.
 
Was und wieviel das war,
darüber kann niemand urteilen außer man selbst.
Nur ich weiß, was ich getan und was ich unterlassen habe.
Nur ich weiß, wann meine linke Hand nicht wusste, was meine rechte tat (Matthäus 6,3),
und wann ich meine Hand und mein Herz verschlossen hielt.
Nur ich weiß das. Und Gott.
 
Und eines Tages,
so stellt es Paulus
und so stellten seine Zeitgenossen es sich vor,
eines Tages wird abgerechnet.
Paulus benutzt dafür ein Bild aus dem Goldschmiedehandwerk:
Die Feuerprobe.
Im Feuer reinigt der Goldschmied die Edelmetalle,
trennt das Gold oder Silber von allen Verunreinigungen.
Dem Feuer, so Paulus, wird auch unser Lebensgebäude ausgesetzt.
Dann wird sich zeigen, ob es standhält oder nicht.
 
Aus diesem Bild der Feuerprobe
entstand die Vorstellung vom Fegefeuer.
in dem die Seele brennen muss,
bis sich alles Schlechte und Falsche von ihr gelöst hat.
Diese Vorstellung flößte den Menschen des Mittelalters
eine so schreckliche Furcht ein,
dass sie Haus und Hof verkauften,
um sich und ihre Lieben durch einen Ablass
vor dem Fegefeuer zu retten.
Bis Martin Luther kam
und diesem Spuk mit seinen 95 Thesen ein Ende machte.
 
Doch bis heute hält sich in den Köpfen hartnäckig die Vorstellung,
wir müssten eines Tages vor unseren Schöpfer treten
und ihm über unser Leben Rechenschaft ablegen.
An dieser Vorstellung ist richtig,
dass wir unser Leben unter Gottes Augen führen.
Wir wissen, dass Gott sieht, was wir tun.
Wir wissen um Gottes Gebote und um seinen guten Willen für uns.
Und wir wissen auch,
wie oft wir Gottes gutem Willen widersprechen,
wie oft wir Gottes Geboten nicht Folge leisten,
wie oft wir Gott enttäuschen.
 
Doch dafür droht uns keine Strafe,
weder jetzt, noch an einem Jüngsten Tag.
Gott hat uns doch bereits alles vergeben.
In seinem Sohn hat er unsere Unfähigkeit zum Tun des Guten
und zum Halten der Gebote ans Kreuz getragen,
damit wir, um im Bild des Paulus zu bleiben,
nicht mit eingezogenem Kopf
in unserer Stroh- oder Schilfhütte hocken müssen,
voller Angst vor Regen, Sturm oder Feuer.
 
Vielmehr können wir heute werden,
was wir in Gottes Augen bereits sind:
Der Tempel Gottes.
Das wunderbarste, wertvollste Gebäude, das es gibt.
Kein Schloss, kein Palast,
und sei er aus Gold und Edelsteinen erbaut,
reicht da heran.
 
Wir SIND der Tempel Gottes,
jede und jeder Einzelne von uns.
Wir sind es nicht,
weil wir so schön sind, so schlau sind, so gut und fromm
- denn das sind wir nicht -,
sondern weil Gottes Geist in uns wohnt.
Gottes Geist, der bei unser Taufe bei uns eingezogen ist,
macht uns wertvoll, einzigartig und schön.
 
Und weil Gottes Geist in uns wohnt,
müssen wir auch keine Angst haben,
dass Gott uns verurteilt.
Wie könnte er?
Er erachtet uns doch für wert und würdig,
seinen Geist zu beherbergen!
 
Wir alle,
jede und jeder Einzelne von uns,
sind der Tempel Gottes.
Dadurch geschieht etwas Wunderbares:
Wir kommen im Namen Gottes zusammen
und bilden damit
den Tempel im Quadrat:  
Die Gemeinde.
Deshalb sagt Jesus:
„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen” (Matthäus 18,20).
 
Wo so viel Heiligkeit zusammenkommt -
wohlgemerkt: nicht unsere Heiligkeit, Reinheit oder Frömmigkeit,
sondern der Heilige Geist,
den wir in und mit uns tragen  
und der hier unter uns ist -,
da muss Gott zum Greifen nah unter uns sein.
Da beflügelt uns sein Geist,
aus den vielen Häusern, die wir sind,
EIN großes Haus zu bauen:
Die Gemeinde.
 
Die Gemeinde, die erfüllt ist vom Heiligen Geist,
weil sie aus begeisteten Menschen besteht,
bei denen der Geist wie ein Funke  
von der einen auf den anderen überspringt,
bis ein Feuer entsteht,
das nichts und niemanden verbrennt,
sondern das die Seelen erleuchtet
und die Herzen erwärmt -
unsere,
und die Herzen derer, die es sehen.
 
Amen.