Montag, 1. Januar 2024

wenn Gott will

Predigt am Neujahrstag, 1.1.2024, über Jakobus 4,13-15

Wohlan nun, die ihr sprecht:

Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt gehen

und dort ein Jahr verbringen,

Handel treiben und Gewinn erzielen:

Ihr wisst nicht, wie morgen euer Leben sein wird.

Ein Rauch seid ihr, der eine Weile zu sehen ist

und dann verschwindet.

Statt dessen sollt ihr sagen:

Wenn Gott will, werden wir leben

und dies oder jenes tun.



Liebe Schwestern und Brüder,


sind Sie abergläubisch?

Klopfen Sie auf Holz,

vermeiden es, unter Leitern durchzugehen

und nehmen sich vor schwarzen Katzen in acht?

- Ich vergesse immer,

ob sie nicht von rechts oder nicht von links kommen dürfen.


Geht das überhaupt zusammen,

Glaube und Aberglaube?

Auf Gott vertrauen und sich trotzdem zusätzlich absichern

gegen mögliche Unfälle, indem man z.B. auf Holz klopft?


Eigentlich dürften sich Glaube und Aberglaube nicht beißen.

Schließlich sind wir doch auch versichert,

als zusätzlicher Schutz gegen jede Art von Unbill.

Denn auf Gott vertrauen ist gut, versichert sein ist besser.

Kann es da schaden, wenn man auch Leitern

und schwarzen Katzen vorsichtshalber aus dem Weg geht?


Man könnte meinen, Jakobus habe so etwas im Sinn,

wenn er seiner Gemeinde rät,

sich nicht einfach etwas vorzunehmen,

sondern - sozusagen als Vorsichtsmaßnahme - zu sagen:

„Wenn Gott will, werden wir leben

und dies oder jenes tun.”


Bis heute wirkt dieser Satz aus dem Jakobusbrief nach.

Es gibt sogar einen Fachausdruck dafür:

„Sub conditio Iacobaea” - unter dem Vorbehalt des Jakobus,

abgekürzt: s.c.I.

Als „so Gott will und wir leben” ist der Satz

zu einer Redensart geworden.

Fast wird er als Beschwörung gesprochen,

wie um damit zu verhindern, dass etwas dazwischenkommt.

Der Glaubenssatz wurde zum Aberglauben.


Und Jakobus ist schuld.

Drängt er nicht dazu, sich nicht zu sicher zu sein,

sondern Bescheidenheit - manche sagen: christliche Demut -

an den Tag zu legen, wenn er schreibt:

„Ein Rauch seid ihr, der eine Weile zu sehen ist

und dann wieder verschwindet.”

Das kennen wir aus dem 90. Psalm:

Der Mensch ist „wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst

und des Abends welkt und verdorrt”, heißt es dort.

Angesichts unserer Vergänglichkeit tut man gut daran,

sich nach allen Seiten abzusichern

und lieber eine Vorsichtsmaßnahme mehr zu ergreifen

als am Ende feststellen zu müssen,

dass es eine zu wenig war.


Aber ist tatsächlich die schwarze Katze oder eine Leiter schuld,

wenn aus unseren Plänen nichts wird?

Meint der Vorbehalt des Jakobus nicht doch etwas anderes?

„Wenn Gott will, werden wir leben

und dies oder jenes tun” -

hängt am Ende alles von Gottes Willen ab?


Es gibt ein Abendlied, das auch meine Mutter mit mir sang,

als ich ein kleines Kind war: „Guten Abend, gut Nacht”.

Die letzte Zeile dieses Liedes hat es in sich.

Wenn man es genau nimmt, ist sie sehr verstörend:

„Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.”

Als Kind habe ich mich gefragt: Was, wenn Gott nicht will?

Wache ich dann morgen früh nicht wieder auf?


Auch den Vorbehalt des Jakobus kann man so hören:

„Wenn Gott will, werden wir leben

und dies oder jenes tun.”

Wenn Gott will - da ist es wieder, dieses Wenn,

mit dem das Gottvertrauen infrage gestellt wird

und damit der Glaube.

Denn wie kann ich Gott vertrauen,

wenn ich mir nicht sicher sein kann,

dass Gott will, dass ich morgen früh wieder aufwache?

Kann man sich überhaupt vorstellen,

dass Gott das nicht wollen könnte?


Es ist ja vielmehr so, dass Gott will,

dass wir leben und den morgigen Tag,

ein neues Jahr erleben.

Gott will das unbedingt,

ganz unabhängig von unserem Wohlverhalten

oder unseren Leistungen:

„Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen,

spricht Gott, der Herr,

und nicht vielmehr daran,

dass er sich bekehrt von seinen Wegen

und am Leben bleibt?”, heißt es beim Propheten Ezechiel (18,23).

Gott will, dass alle Menschen leben,

auch die, die von ihm nichts wissen wollen,

sogar die Unmenschen - selbst sie sollen leben.

Wie viel mehr die, die auf Gott vertrauen!


„Wenn Gott will, werden wir leben”

kann also kein Bedingungssatz sein.

Denn Gott will, dass wir leben, daran gibt es keinen Zweifel.

Wenn aber Gott will, dass wir leben -

will er dann auch, dass wir dies und jenes tun?


Gott will, dass wir seinen Willen tun.

Darum bitten wir jedes Mal,

wenn wir das Vaterunser beten:

„Dein Wille geschehe.”

Durch wen geschieht Gottes Wille,

wenn nicht durch die, die ihn tun?


Der Vorbehalt des Jakobus zielt also nicht auf Gottes Willen ab -

der steht für uns in jeder Hinsicht fest:

sowohl als Gottes Wille, dass wir leben sollen,

wie auch als Gottes Wille für uns.

Der Vorbehalt des Jakobus zielt darauf ab,

ob unser Vorhaben diesem doppelten Willen Gottes entspricht:

Steht das, was wir vorhaben, Gottes Willen entgegen?


Worin aber besteht der Wille Gottes?

Einmal darin, dass wir leben sollen.

Dieses Leben, das Gott für uns will,

umfasst nicht nur das bloße Lebendigsein.

Zu diesem Leben gehören auch Freude und Glück,

gehört ein Sinn und gehört vor allem die Liebe -

die Liebe, die man empfängt, und die, die man schenkt.


Der Wille Gottes hat aber noch eine andere Seite

Das berühmte Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”

zeigt es: Gottes Wille bezieht sich auf uns

und auf unsere Mitmenschen, unsere Nächsten.

Und dazu gehören auch unsere Mitgeschöpfe,

gehört die ganze Natur, die Schöpfung Gottes,

über die er uns als Haushalterinnen und Haushalter gesetzt hat.


Wie finde ich denn nun heraus,

ob meine Pläne Gottes Willen entsprechen oder nicht?

Die Methode dafür nennt Ezechiel „Umkehr”.

Umkehr bedeutet nicht,

den selben Weg zurückzugehen, den man gekommen ist.

Umkehr bedeutet auch nicht,

am ersten Tag des neuen Jahres auf dem Hacken umzudrehen

und sozusagen gar nicht erst losgehen zu wollen.


Die Methode der Umkehr ist eine Besinnung,

ein zur-Besinnung-Kommen.

Eine Besinnung auf die beiden grundlegenden Gebote

der Gottes- und Nächstenliebe:

Kann das, was ich vorhabe oder das, was ich gerade tue,

diesen beiden Geboten standhalten?

Oder steht es der Ehrfurcht vor Gott und seiner Schöpfung,

allem Leben auf der Erde, entgegen?

Kann ich das, was ich vorhabe,

guten Gewissens im Angesicht Gottes tun,

oder entferne ich mich damit von Gott?


Der Vorbehalt des Jakobus müsste also eigentlich lauten:

„Was ich tue, will ich daraufhin prüfen,

ob es dem Leben dienlich ist.”

Denn das ist Gottes Wille:

dass ich lebe, glücklich sein und mich des Lebens freuen kann,

und dass auch alle anderen leben,

glücklich sein und sich des Lebens freuen können.


Was ich tue, soll dem Leben dienlich sein.

Das ist ein guter Vorsatz für das neue Jahr.

Dabei kommt es nicht darauf an,

gleich die ganze Welt zu ändern.

Es kommt auch nicht darauf an,

sich selbst zu ändern.

Es kommt nur darauf an,

dem Leben nicht im Wege zu stehen -

dem Leben, das Gott uns geschenkt hat

und mit dem er die ganze Welt erfüllt.