Sonntag, 3. März 2024

Christus te absolvit

Predigt am Sonntag Okuli, 3.3.2024, über 1.Petrus 1,13-21:

Darum hofft zuversichtlich auf die Gnade,

die euch zuteil wurde durch die Offenbarung Jesu Christi.

Bereitet euch besonnen auf sein Kommen vor.

Gleicht euch nicht euren früheren Leidenschaften an,

als ihr noch unwissend wart.

Vielmehr werdet in eurem ganzen Wandel heilig,

gehorsamen Kindern gleich,

wie der heilig ist, der euch berufen hat.

Deshalb steht geschrieben (Leviticus 11,44f):


„Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin.”


Und wenn ihr euch auf den Vater beruft,

der unparteiisch richtet nach dem, was ein jeder tut,

dann führt euer Leben achtsam,

während ihr in der Fremde seid.

Ihr wisst, dass ihr nicht durch Vergängliches,

mit Silber oder Gold, losgekauft wurdet

aus eurem nichtigen Lebenswandel,

den ihr von euren Vorfahren übernommen habt,

sondern durch das wertvolle Blut Christi.

Er war wie ein tadelloses, makelloses Opferlamm;

schon vor der Grundlegung der Welt dazu bestimmt.

Am Ende der Zeit ist er schließlich um euretwillen erschienen,

die ihr durch ihn an Gott glaubt.

Gott hat ihn von den Toten auferweckt

und ihm Herrlichkeit verliehen,

damit euer Vertrauen und eure Hoffnung sich auf Gott richten.



Liebe S. und B.,


wenn die Zeitläufte unsicher sind und unberechenbar,

wie wir es gerade erleben,

legt man sein Vermögen, wenn man welches hat,

am besten in Gold an.

Nicht, um damit zu spekulieren.

Sondern um damit seinen Besitz zu sichern

und ihn durch unsichere Zeiten hindurch zu retten.


Spareinlagen eignen sich dafür nicht,

denn die Währung schwankt im Wert,

und eine Inflation kann Ersparnisse

quasi über Nacht vernichten.

Immobilien sind auch nicht ideal,

um darin sein Geld in Krisenzeiten sicher zu parken,

denn auch sie schwanken im Wert,

und ein Krieg oder eine Naturkatastrophe

können sie ebenfalls über Nacht total zerstören.

Nur Gold behält seinen Glanz und seinen Reiz, was auch passiert,

und damit seinen Wert.

Wie kann der 1.Petrusbrief da vom „vergänglichen Gold” reden?


Er meint sicher nicht das Gold selbst;

als Edelmetall ist es das Sinnbild für Unvergänglichkeit.

Sondern das, was man mit dem Gold verbindet:

Vermögen. Reichtum. Geld wie Heu.

Früher war Geld so gut wie Gold,

denn sein Wert war durch Goldreserven abgesichert.

Ein Geldschein galt als Wechsel,

den man theoretisch beim Staat

zu seinem Gegenwert in Gold einlösen konnte.

Virtuelles Gold, sozusagen.

Der Händler akzeptierte das wertlose Papier,

weil der Staat es mit seinen Goldreserven deckte.


So wirtschaften wir im Prinzip seit der Antike,

also: schon immer.

Geld hat sich als Zahlungsmittel bewährt,

auch wenn es jetzt noch virtueller wird:

Denn jetzt nehmen wir nicht einmal mehr

ein Stück Papier in die Hand,

sondern halten nur noch unser Smartphone

oder unsere EC-Karte an ein Lesegerät.


Natürlich kann man für Geld nicht alles kaufen.

Glück zum Beispiel kann man nicht kaufen.

Zwar können neue Schuhe glücklich machen,

ein neues Fahrrad, Auto oder Motorrad; das Smartphone,

das man sich zum Geburtstag gewünscht hat.

Aber dieser kurze Glücksrausch hält keinen Vergleich

mit dem wahren Glück stand.

Das wahre Glück erlebt man in Momenten,

in denen es nicht um Dinge geht, die man kaufen kann.

Diese Momente sind für Geld nicht zu haben,

und manch eine, manch einer

würde alles Gold der Welt dafür geben,

solches Glück einmal erleben zu dürfen.


Zu den Dingen, die man für Geld nicht kaufen kann,

gehört auch die Liebe als Zuneigung, als gegenseitiges Vertrauen,

als ein Angenommensein so, wie man ist.


Und dazu gehört auch die Vergebung und ihr Gegenüber, die Reue.

Reue auf Seiten der Täter, Trost und Heilung auf Seiten der Opfer.


Glück, Liebe, Vergebung und Reue kann man nicht kaufen.

Darum ist das Blut Christi viel wertvoller als Silber und Gold.

Das Blut Christ: Es steht sinnbildlich für seinen Tod am Kreuz,

mit dem er alle Schuld auf sich nahm:

das, was wir anderen angetan haben und das,

was andere uns antaten.

Jesus nahm es auf sich, um es zu verwandeln:

Die schmerzhafte, beschämende, todbringende Tat in Leben.

Leben, das sich Schritt für Schritt von dieser Tat befreien kann.

Was geschah, macht eine, macht einen nicht mehr zum Opfer,

sondern wird zu etwas, das man überwindet,

weil Jesus es schon für uns überwunden hat.


Die schmerzhafte, beschämende, todbringende Tat

verhaftet uns auch nicht mehr darauf,

dass wir Täterinnen oder Täter sind.

Sie wird zu etwas, das man überwinden kann,

wenn man die Vergebung annimmt, die Jesus anbietet,

indem man bereut, was man getan hat.


Das wertvolle Blut Christi, das Vergebung schenkt,

hat uns - mit den Worten des 1.Petrusbriefes - losgekauft.

Doch da ist niemand, der den Kaufpreis kassiert hat.

Es sei denn, man will sich die Zeit als Käufer vorstellen,

die den Preis für unsere Schuld entgegennimmt.


Denn Jesus hat uns Zukunft erkauft.

Sein Tod am Kreuz ermöglicht es,

dass die Vergangenheit keinen Schatten mehr

auf unsere Gegenwart zu werfen braucht.

Das, was wir erlitten und das, was wir anderen antaten,

muss uns und unser Leben nicht mehr bestimmen

in der Weise, dass wir für immer davon gezeichnet sind.


Eine Narbe bleibt von einer Verletzung

und erinnert daran, dass man sich einmal sehr weh getan hat.

Aber weil da jetzt eine Narbe ist,

kann man dieses Körperteil wieder gebrauchen.

Vielleicht nicht in derselben Weise wie früher.

Aber doch viel mehr als damals,

als man verletzt wurde.

Und vielleicht mit der Zeit ja auch immer besser.

Nicht, weil die Zeit alle Wunden heilt - das tut sie nicht.

Sondern weil wir mehr und mehr

davon leben können, dass Jesus alles Leid auf sich nahm -

das, was uns angetan wurde

und das, was wir anderen antaten.


So verändert der Tod Jesu am Kreuz unser Leben.

Sein Blut, das ist sozusagen die virtuelle Währung,

mit der uns Jesus unsere Zukunft erkauft.

Man kann verstehen, warum im Mittelalter

so viele Menschen in den Schweriner Dom gepilgert sind,

um die Blutreliquie zu sehen,

und dafür viel Geld bezahlten.

Angesichts des Blutes Jesu

hatte das Geld hatte keine Bedeutung für sie.

Wer glauben kann, dass Jesus auch sein und ihr Leid,

auch seine und ihre Schuld auf sich genommen hat,

gewinnt damit mehr, als man für Geld kaufen kann:

gewinnt die Zukunft.


Das war den Pilgern, die den Dom besuchten,

vielleicht so nicht bewusst.

Und die Zeitläufte waren auch nicht so,

dass sie einfach alles stehn und liegen lassen konnten,

um in den Süden zu trampen

und dort ein neues Leben anzufangen.

Sie brauchten es auch nicht.

Ich denke, dass diese Pilgerinnen und Pilger

trotzdem verwandelt aus dem Dom ins Freie traten.

Mit einem Leuchten im Gesicht.

Sie waren der Vergebung begegnet.

Sie hatten mit eigenen Augen gesehen und im Herzen gespürt,

was der Priester ihnen nach der Beichte zugesprochen hatte:

„Ego te absolvo” - ich spreche dich frei von deinen Sünden.


In dem Augenblick vor der Reliquie des Heiligen Blutes

hatten sie diese Worte aus dem Mund Christi selbst vernommen:

„Ego te absolvo” - ich spreche dich frei, ledig und los.

Und konnten es glauben und für sich gelten lassen.


Wir haben diese Reliquie nicht mehr.

Sie ist bekanntermaßen nach der Reformation zerschlagen worden.

Dabei stellte sich heraus, es war gar kein echter Blutstropfen,

nur ein bisschen roter Farbstoff, virtuelles Blut,

eingeschlossen in einem Stein.

Aber es hatte ja auch gar nicht die Reliquie gewirkt -

auch wenn die Menschen sich das damals so vorstellten.

Sondern, wie Martin Luther klarstellte,

der Glaube hatte das vollbracht.

Der Glaube, der vor dieser Reliquie zur Gewissheit wurde:

Gott hat mir vergeben.


Darum brauchen wir die Reliquie nicht mehr.

Sie war die virtuelle Version des Blutes Christi,

das wiederum virtuell für seinen Tod am Kreuz steht,

auf den allein es ankommt.


Die Reliquie brauchen wir nicht mehr,

aber wir brauchen das Wort:

Die Zusage, dass wir nicht Opfer bleiben müssen;

nicht auf unser Tätersein festgeschrieben werden,

wenn wir unsere Tat bereuen.


Der 1.Petrusbrief sagt uns dieses Wort,

sagt uns die Freiheit von Leid und Schuld zu,

wenn auch verklausuliert und durch die Blume.

Er bezeichnet uns mit einer Eigenschaft,

die uns in den Einflussbereich Gottes versetzt:

Wir sind Heilige.


Wir sind Heilige, weil wir von dem und durch den leben,

der heilig ist und uns heiligt durch seine Vergebung.

Als Heilige können wir von jetzt an

ein heiligenmäßiges Leben führen.


Wir müssen es aber nicht.

Wir befinden uns ja die ganze Zeit im Einflussbereich Gottes,

in seiner Sphäre der Heiligkeit.

Hier finden wir Vergebung, wenn wir sie suchen.

Hier finden wir Mut und Kraft für einen neuen Anfang.

„Darum hofft zuversichtlich auf die Gnade,

die euch zuteil wurde durch die Offenbarung Jesu Christi.”