Donnerstag, 17. April 2025

Verkündigung der Liebe

Predigt am Gründonnerstag, 17. April 2025, über 1.Korinther 11,23-26

Ich habe vom Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, nahm Brot, sprach ein Dankgebet, brach es und sagte: „Dies ist mein Leib für euch. Das tut zum Gedenken an mich.” Ebenso auch den Becher nach dem Essen, wobei er sagte: „Dieser Becher ist der neue Bund, durch mein Blut gestiftet. Das tut, sooft ihr trinkt, zum Gedenken an mich.” Denn sooft ihr von dem Brot esst und den Becher trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Liebe Schwestern und Brüder,

in der Nacht vor seiner Verhaftung aß Jesus mit seinen Jüngern gemeinsam zu Abend. Er wusste, dass dies seine letzte Mahlzeit, ein letztes Zusammensein mit seinen Freunden war: „Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes,” prophezeite er ihnen. Und seine Jünger? Ahnten sie etwas? Oder war es für sie ein Passamahl, wie sie schon viele mit Jesus gefeiert hatten?

In den Worten, die Paulus uns überliefert, spricht es Jesus zwar nicht direkt aus … aber man hört doch deutlich heraus, dass Jesus seinen Tod meint, wenn er das Brot mit seinem Körper und den Wein im Becher mit seinem Blut vergleicht. Und seine Jünger auffordert, sich beim Brechen und Teilen des Brotes und beim Trinken des Weins an ihn zu erinnern.

Man ist versucht, sich diese letzte Mahlzeit auszumalen. Wie wohl der Saal im Obergeschoss aussah, den seine Jünger auf wunderbare Weise fanden, indem sie einem Menschen folgten, der einen Krug mit Wasser trug; er führte sie zu dem Haus, in dem schon alles vorbereitet war. Auf ähnliche Weise fand Abrahams Knecht die zukünftige Frau Isaaks, Rebekka. Hier ist Gottes Hand im Spiel, will das sagen, das hat eine tiefe Bedeutung, die über das eigentliche Mahl hinausgeht.

Das beeinflusst die Darstellung der Evangelisten: Sie erzählen nichts vom Abschied Jesu von seinen Jüngern. Sie malen nicht aus, wie sich Jesus gefühlt haben muss - die Wehmut, die Traurigkeit, die sich unweigerlich einstellen, wenn man weiß, dass man sich nicht wieder sieht. Sie malen auch nicht aus, was die Jünger empfinden - das hat Leonardo da Vinci mit seinem berühmten Gemälde getan. Die Evangelisten erzählen die „Ätiologie”, die Entstehungsgeschichte der Mahlfeier, die sie selbst in ihren Gemeinden gefeiert hatten.

Auch Paulus hat nicht Jesus und seine Jünger vor Augen, wenn er dessen Worte über Brot und Wein zitiert, sondern die Abendmahlsfeiern, die er selbst kennengelernt und dann in seinen Gemeinden gefeiert hat. Die Sätze, die Jesus spricht, sind der besonderen Situation dieses Abends vor seiner Verhaftung entrissen und haben Allgemeingültigkeit erlangt.

Normalerweise ist es genau andersherum: Sätze, die in einem bestimmten Moment der Geschichte von besonderen Personen gesagt wurden, sind für immer mit diesem Augenblick verbunden -
und mit dem Menschen, der sie gesagt hat. Wie Martin Luthers trotziges „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.” auf dem Reichstag zu Worms; John F. Kennedys Bekenntnis „Ich bin ein Berliner,” oder Ronald Reagans theatralisches „Mr. Gorbachew, tear down this wall!”

Die Abendmahlsworte Jesu verbinden also nicht den Menschen Jesus mit einem bestimmten Moment der Geschichte - seinem letzten Beisammensein mit seinen Jüngern. Sondern sie deuten einen Brauch, den die christlichen Gemeinden zur Erinnerung an Jesus in ihren Gottesdiensten pflegten.

Diesen Brauch hatten die Christen mitgebracht, die keine jüdischen Wurzeln hatten, sondern Römer waren. Bei ihnen war es üblich, die Toten auf den Friedhöfen und in den Katakomben mit einem Picknickkorb zu besuchen. Man aß und trank Brot und Wein an ihrem Grab „zu ihrem Gedächtnis.” Beim Essen erinnerte man sich an die Gestorbenen, sprach über sie - natürlich nur Gutes -, erinnerte sich an Geschichten über sie und Anekdoten. So waren die Toten gegenwärtig. Die kraft- und lebenspendende Mahlzeit half dabei, die Kluft zwischen den Toten und den Lebenden zu überbrücken. Gleichzeitig half sie den Lebenden, es in der Nähe der Toten auszuhalten.

Beim Abendmahl wird aus der Erinnerung an einen Gestorbenen, der die römischen Totenmahle dienten, die Vergegenwärtigung dessen, was Jesus durch seinen Tod bewirkte. „Sooft ihr von dem Brot esst und den Becher trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt,” schreibt Paulus. Das Abendmahl ist also eine persönliche Vergewisserung für jede:n einzelne:n Glaubige:n, dass Jesus für sie und ihn ganz persönlich sein Leben gab. Und es ist Verkündigung: Es spricht zu allen, die es erleben, von dem, was Jesus für uns tat:

Jesus gab seinen Leib. Jemand riskiert sein Leben, um eine:n andere:n zu retten - so würden wir das wohl beschreiben. Aber dann wäre nicht verständlich, warum Jesus diese Hingabe mit dem Brot verbindet, das seine Jünger essen.

Das Brot ist ein Lebensmittel - im wahrsten Sinne des Wortes. Darum sprechen wir vom „täglichen Brot” und meinen damit alles, was wir zum Leben brauchen. Die Geschichte von der Speisung der 5.000 stellt dar, wie Jesus das mit dem Brot verstanden hat: mit 5 Gerstenbroten und 2 Fischen machte er 5.000 Menschen satt. Das Wunderbare ist, dass hier so viele Menschen satt wurden, weil sie miteinander teilten. Das kann nur die Liebe bewirken.

Diese Liebe hat Jesus gelebt und gelehrt. In der Liebe kommt Gottes Wirklichkeit, das Reich Gottes, den Menschen nah. Die Liebe ist aber kein abstrakter Begriff wie das Gute oder das Sein. Die Liebe zeigt sich als Kraft zwischen Zweien, in Beziehungen, im Tun dessen, was nötig oder geboten ist. Und die Liebe ist lebenswichtig. Jeder Mensch braucht sie, ebenso sehr wie das tägliche Brot.

Jesus setzte sein Leben, seinen Leib ein und bewies, dass die Liebe stärker ist als Hass und Gewalt, als Bösartigkeit und Heimtücke, Gleichgültigkeit und Kälte. Wenn wir beim Abendmahl das Brot miteinander teilen, vergewissern wir uns der Liebe, mit der Christus uns liebt. Und dass sie eine Kraft ist, die uns erfüllt und nicht weniger wird, wenn man sie austeilt - so, wie 5 Gerstenbrote und 2 Fische 5.000 Menschen satt machten.

Jesus gab sein Leben, gab sich hin im Tod am Kreuz. Damit begründete er einen neuen Bund, eine neue Möglichkeit einer Beziehung mit Gott: Neben der nach wie vor bestehenden Möglichkeit einer Beziehung durch die Übernahme der Gebote - das, was Paulus und nach ihm Luther das „Gesetz” nannten -, gibt es die Möglichkeit, sich Gottes Liebe zu überlassen - das „Evangelium” bei Paulus und Luther.

Die Liebe erweitert den Bund Gottes mit seinem Volk um einen Bund Gottes mit allen Menschen. Gottes Liebe ist universell: Sie gilt allen Menschen. Sie lädt jeden Menschen ein, diese Liebe für sich anzunehmen. Und sie hat einen Namen: Jesus Christus. Wenn wir beim Abendmahl den Kelch miteinander teilen, erinnern wir einander daran, dass wir zu Christus gehören und dass alle Menschen in diese Gemeinschaft mit eingeladen sind.

„Sooft ihr von dem Brot esst und den Becher trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Das Abendmahl verkündigt den Tod Jesu, nicht seine Auferstehung. Indem er den Tod erlitt, hielt Jesus an der Liebe bis zum Ende fest und erwies sich dadurch als der Christus.

Mit jedem Abendmahl werden wir daran erinnert, dass wir von Gott geliebte Menschen sind. Mit jedem Abendmahl erinnern wir uns, dass die Liebe unser Weg ist und dass wir der Macht der Liebe vertrauen können. Möge diese Macht der Liebe mit euch sein.