Donnerstag, 2. Juni 2011

Wo Gott wohnt

Dialogpredigt an Christi Himmelfahrt, 2. Juni 2011
über 1.Könige 8,22-24.26-28:

Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.


Liebe Gemeinde,

I
Uli Hoeneß stirbt eines Tages alt und lebenssatt. Er hat noch etliche Male miterlebt, wie der FC Bayern München Deutscher Meister geworden ist; nun ist es genug. Mit seinem Leben zufrieden freut er sich auf den Fußball-Himmel. Und wirklich, er kommt dorthin und wird von Gott Vater persönlich empfangen.
Im Fußball-Himmel steht für jeden Verein ein prächtiges Haus - er sieht das bescheidene Haus des MSV Duisburg, wie ein Zebra gestreift; ein prächtiges schwarz-gelbes der Borussia Dortmund. Das schönste, größte und prächtigste Haus aber ist das rot-weiße des FC Bayern München. Glücklich und zufrieden schreitet Uli Hoeneß darauf zu - da entdeckt er ein noch größeres und noch prächtigeres Haus. Es ist gar kein Haus mehr, es ist ein Schloss, gelb und blau, und das Gelb ist pures Gold. Und verziert ist es mit roten Löwen. Da schwillt Uli Hoeneß die Zornesader, aber weil er im Himmel ist, hält er sich zurück und wendet sich mit leisem Vorwurf an Gott: Herr, wir sind Rekordmeister, Eintracht Braunschweig dagegen ist nur ein einziges Mal Meister geworden, und bekommt ein viel prächtigeres Haus als wir!?
Da antwortet Gott: Wieso? Das ist mein Haus!

II
Ob Gott Eintracht-Fan ist, soll uns heute nicht beschäftigen.
Sondern die Frage, wo Gott eigentlich wohnt.

Das ist doch keine Frage!, werden jetzt vielleicht einige denken.
Gott wohnt im Himmel!
So beten wir es ja auch in jedem Gottesdienst: Vater unser im Himmel.
Deshalb feiern wir heute auch Himmelfahrt:
Wir denken daran, dass Jesus zurückgekehrt ist zu Gott, seinem Vater.
Dabei ist er, so haben wir es eben gehört, in den Himmel aufgefahren.
Himmelfahrt, eben.

I
Aber wenn man so in den Himmel guckt:
Zu sehen ist da nichts.
Früher haben die Menschen sich davor gefürchtet, einen Blitz anzusehen, weil sie dachten, dann reißt für einen Augenblick der Himmel auf und man kann Gott sehen - und das ist gefährlich:
"Kein Mensch wird leben, der mich sieht", sagt Gott zu Mose.
(Exodus 33,20)
Heute haben wir zwar immer noch zu recht Angst vor Gewitter und vor Blitzen, aber man kann hineinschauen, ohne dass einem etwas passiert. Und ohne dass man etwas von Gott sieht.

II
Die Astronauten, die sich ja im Himmel befinden, oder sogar über unserem blauen Himmel, über der Erdatmosphäre, die haben auf ihren Ausflügen in den Weltraum Gott auch nicht gesehen.
Was den ersten russischen Kosmonauten Juri Gagarin zu der Bemerkung veranlasste, es gebe keinen Gott, denn er habe dort draußen keinen gesehen.
Vielleicht war das ein bisschen voreilig von ihm.
Denn nur weil wir Gott nicht sehen, muss das ja nicht heißen, dass es ihn nicht gibt.

I
Aber wir können festhalten:
So, wie wir uns sehen können, so kann man Gott jedenfalls nicht sehen.
Wenn wir also sagen, dass Gott im Himmel ist, dann meinen wir entweder, dass Gott unsichtbar ist - oder dass der Teil des Himmels, in dem Gott ist, für uns nicht sichtbar ist.

Oder wir meinen mit "Himmel", dass Gott ganz weit weg ist - so weit, wie der Himmel von der Erde entfernt ist. So heißt es ja auch im Predigttext aus dem 1. Buch der Könige:
"der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen".

II
Gott ist zu groß, als dass er irgendwo Platz hätte, selbst im Himmel nicht - und dabei geht es nicht um die Körpergröße: Gott, der die Welt geschaffen hat, ist nicht ein Teil der Welt - weder ein Teil des Himmels noch ein Teil der Erde. Die Welt ist Schüpfung, Gott ist der Schöpfer, er steht seiner Schöpfung gegenüber, er ist anders, er geht über sie hinaus, und ist in diesem Sinne größer als sie.
Darum kann man Gott auch nicht fassen, man kann ihn nicht festhalten, ihn auf einen Ort festlegen. Gott ist da, und weil Gott so groß ist, ist er viel wirklicher da als Sie oder ich - aber eben anders "da".
So, dass wir nicht sagen können: Hier ist er - oder hier - oder hier.

I
Und trotzdem weisen wir Gott einen Ort zu:
Wir nennen die Kirche das "Haus Gottes".
Und in diesem Haus Gottes, in der Kirche, ist der Altar der Ort, auf den hin man sich ausrichtet, zu dem hin man spricht, an dem man Gott gegenübersteht.
Der Altar war im Tempel der Ort, wo man mit Gott kommunizierte.

Kommunizieren - das Wort stammt aus dem Lateinischen.
communico heißt "teilen, mitteilen, teilnehmen lassen".
Auf dem Altar wurden früher Tiere geopfert: Menschen teilten symbolisch ihr Essen mit Gott.
Heute teilen wir am Altar das Brot miteinander in Erinnerung an das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat.

II
Wenn wir Abendmahl feiern, sprechen wir die Einsetzungsworte
und sagen über dem Brot: "Das ist mein Leib".
Das Brot wird für uns beim Abendmahl zum Leib Christi.
Gott ist uns im Abendmahl ganz nahe - so sehr, dass wir ihn sogar in uns aufnehmen, wenn wir das Abendmahlsbrot essen.

Gott ist in Jesus Mensch geworden, um uns ganz nah sein zu können.
Er hat unser Leben geteilt, er hat unter uns gewohnt.
Der Schöpfer, der seiner Schöpfung gegenüberstand, hat sich mitten in sie hineinbegeben, ist wie einer von uns geworden.

I
Aber obwohl Gott in Jesus Mensch geworden und in Bethlehem auf die Welt gekommen ist, gibt es keinen Ort, an dem er besonders wäre. Zwar gibt es in Bethlehem die Geburts- und in Jerusalem die Grabeskirche, aber das sind nur Erinnerungsorte an einen, der da war.

Jesus selbst hat von sich gesagt:
"Die Füchse haben Höhlen und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege."
(Matthäus 8,20)
Jesus hatte keinen festen Wohnsitz, keinen Ort, an dem er länger geblieben wäre. Er war mal hier und mal da. Lud sich bei Fremden zum Essen ein, vorzugsweise bei solchen, die von der Gesellschaft ausgestoßen waren.

II
Wo ist denn nun Gott?
Wir sagen: Er ist im Himmel.
Aber finden können wir ihn dort nicht.
Und gleichzeitig umgibt uns Gott von allen Seiten
und hält seine Hand über uns, wie es im 139. Psalm heißt.

Er wurde Mensch in seinem Sohn Jesus Christus.
Aber der ist wieder zurückgekehrt in den Himmel zu seinem Vater.
Und gleichzeitig ist er beim Abendmahl unter uns,
so nah, dass wir ihn in uns aufnehmen können.

Es ist ein Zeichen der Freiheit Gottes,
dass wir niemals sagen können: Hier ist er. Und da ist er nicht.
Gott lässt sich von niemandem auf einen Ort festlegen.
Auch von uns nicht.

Und es ist ein Zeichen der Liebe Gottes,
dass er immer da ist, uns umgibt, wie die Luft zum Atmen.

I
Gott ist im Himmel - und Gott ist da.
Wie geht das zusammen?
Erinnern Sie sich noch an den Anfang des Predigttextes?
"Salomo trat vor den Altar des Herrn angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: Herr, Gott Israels ..."
Salomo betet.
Dazu braucht er keine Telefon- oder Internetverbindung.
Dazu braucht er keine Hilfsmittel wie Kabel, Telefone oder Computer.
Er stellt sich hin und spricht.
Und hat sofort eine Verbindung.

II
Gott ist im Himmel.
Man kann umgekehrt auch sagen:
Wo Gott ist, da ist der Himmel.
Jesus hat davon gesprochen, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Tatsächlich, so ist es:
Wo Gott ist, da kommt uns der Himmel ganz nah.

Wenn wir beten, wenn wir Abendmahl feiern,
stellt Gott eine Verbindung her zwischen Himmel und Erde.
Dann wird Gottes Größe, Gottes Schöpfermacht für einen Moment Wirklichkeit unter uns.
Das kann dazu führen, dass Probleme eine Lösung finden.
Dass verfestige Meinungen und Haltungen sich verflüssigen.
Dass ideenlose Köpfe mit Phantasie gefüllt werden
und kalte Herzen sich erwärmen.

I
Gott ist im Himmel.
Jesus ist nicht mehr da. Er ist zurückgekehrt zu seinem Vater.
Wir sind allein.
Aber wir können beten:
Und wenn wir beten,
dann kann der Himmel die Erde berühren
und Gott ist uns ganz nah.
Das kann uns, das kann die Welt verändern.

Amen.