Mittwoch, 21. März 2012

Leiden


Heute konnte unser Hund nicht mehr aufstehen. Sooft man ihn dazu animierte, jaulte er vor Schmerz auf, zog die Hinterläufe unter den Leib und machte den Rücken krumm. Alles Locken half nichts, der Schmerz war zu groß.
Es bricht einem das Herz, wenn man Leid mit ansehen muss, zumal beim eigenen Haustier. Wie viel schwerer ist es, wenn ein Mensch leiden muss! Man steht hilflos daneben und würde am liebsten weglaufen, weil es kaum auszuhalten ist, dass man nichts tun kann - und doch kann man gar nichts anderes und gar nichts besseres tun, als da zu bleiben und auszuhalten, was nicht zu ertragen ist.
In solchen Momenten schießt einem die Frage nach dem Warum durch den Kopf. Warum muss dieser Mensch, warum muss dieses Tier, warum müssen wir leiden?
Auf diese oft verzweifelt gestellte Frage gibt es keine Antwort. Es scheint, als verstumme Gott gerade in den Momenten, wo man am dringendsten auf eine Antwort wartet, oder wenigstens ein kleines Zeichen seiner Nähe. Selbst Jesus hat diese Erfahrung machen müssen. Am Kreuz schrie er nach Gott: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Matthäus 27,46)
Ja, wo war Gott, als sein Sohn qualvoll am Kreuz starb? Wo ist Gott, wenn Mensch und Kreatur leiden müssen?
Leid ist ein schrecklicher Begleiter des Lebens. Man kann es betäuben, manchmal lindern - los wird man es nicht, und es bleibt niemandem erspart. Man kann es nicht begreifen, man kann es nicht erklären, weil es keinen Sinn hat, wie auch der Tod keinen Sinn hat.
In der Passionszeit setzen wir uns dem Leiden Jesu aus, bis zu seinem schrecklichen Tod am Kreuz, um dem Leiden und dem Tod unseren Glauben, unsere Hoffnung und Liebe entgegen zu halten. In der Passionszeit üben wir den Ernstfall, sozusagen. Wir suchen, wo wir Trost finden können und eine Antwort auf die Frage, wo Gott ist im Leiden. Im Gottesdienst machen wir die Erfahrung: Wir sind nicht allein. Andere fragen wie wir, und gemeinsam geben wir uns Halt, wenn Gewissheiten und Überzeugungen nicht mehr tragen. Das Leiden zerbricht den Glauben in Stücke, aber wenn wir im Gottesdienst die Bruch­stücke unseres Glaubens zusammentragen, entsteht ein Fun­dament, auf dem man aufbauen kann. Dann finden wir den Mut, anderen beizustehen und ihnen tragen zu helfen, was nicht zu ertragen ist. Mit unserem Bruchstück des Glaubens, mit dem, was uns an Hoffnung geblieben ist, und mit unserer Liebe wagen wir es, dem Leid und dem Tod die Stirn zu bieten. Und der Leidende spürt: Ich bin nicht allein.
Jesus war am Kreuz nicht allein. Seine Mutter und sein bester Freund standen bei ihm. Sie standen ihm bei und glaubten für ihn, als er sich von Gott verlassen glaubte. So war Gott bei ihm, bis zuletzt. So ist Gott bei uns: In den Menschen, die uns beistehen und uns mit ihrem Glauben, ihrer Hoffnung, ihrer Liebe festhalten.