Mittwoch, 5. Dezember 2012

Post vom Nikolaus


Liebe Kinder,

wenn ihr dies lesen könnt, seid ihr alt genug, um die Wahrheit zu erfahren.
Nicht darüber, wer Euch in der Nacht zum 6. Dezember die Süßigkeiten in die Schuhe legt. Dass eure Eltern dahinter stecken, habt ihr natürlich längst herausgefunden. Ihr tut so als ob, um ihnen die Freude an der Überraschung nicht zu verderben. Das rechne ich Euch hoch an. Schön, wenn man anderen die Über­raschung nicht verdirbt! Als ich den drei Töchtern eines armen Witwers half, indem ich jeder von ihnen nachts heimlich Geld durchs Fenster warf, lauerte mir ihr Vater auf, um herauszufinden, von wem das Geld stammte. Damit verdarb er mir meine Freude und die Überraschung. Dass ihr neugierig seid, vor allem auf die Weihnachtsgeschenke, kann ich gut verstehen. Darum bin ich stolz auf euch, dass ihr eure Neugier im Zaum haltet und euren Eltern die Freude gönnt, euch überrascht zu haben.

Die Wahrheit, für die ihr alt genug seid, ist die Wahrheit über mich:
ich bin nicht der dicke, freundliche, kitschig-gemütliche Herr im roten Mantel mit weißem Rauschebart, den ihr als Schokoladen­nikolaus in euren Schuhen findet. Das habt ihr euch wahrscheinlich auch gedacht. Ebenso, wie ihr wisst, das ich keine Geschenke bringe und auch nicht mit der Rute drohe. Ich bin anders: ich bin ein Heiliger. Was nicht bedeutet, dass ich keinen Humor verstünde oder mich etwa über die roten Nikoläuse ärgern würde. Ganz im Gegenteil: die finde ich nett! Aber ich war nie so harmlos, wie ich dargestellt werde. Ich konnte aufmüpfig und unbequem sein, wenn es nötig wurde. Als z.B. bei uns eine Hungersnot herrschte, da habe ich von einem Schiff der Regierung Getreide stehlen lassen, das für Rom bestimmt war, damit die Menschen nicht verhungern mussten. Nur durch ein Wunder kam das nicht heraus. Ich hatte auch keine Angst, drei zu Unrecht verurteilten Soldaten beizuste­hen und ihnen das Leben zu retten: Ich stahl einfach das Schwert des Scharfrichters. Mein Glaube half mir, aufmerksam zu werden für die Not anderer Menschen. Durch ihn wusste ich, wo und wie ich helfen konnte. Mein Glaube gab mir Mut, zu tun, was andere nicht wagten.

Es freut mich sehr, wenn ihr zu Nikolaus und zum Weihnachtsfest einander mit Geschenken überrascht, und es ist schön, wenn ihr anderen die Freude nicht verderbt. Aber die heile Welt der Festtage ist nicht die Wirklichkeit. Genießt sie, aber lasst euch nichts vormachen. Bleibt aufmerksam und wachsam für die Ungereimt­heiten und Unwahrheiten in der Welt, für die Not der Menschen in eurer Nähe und in der Ferne. Wenn es nötig und die Zeit reif ist, werdet auch ihr Heilige werden. Ihr werdet euch, wie ich, vom Glauben leiten lassen. Euer Glaube zeigt euch, wann und wofür ihr Regeln brechen und im richtigen Moment aufmüpfig sein müsst. Gott wird euch helfen zu sehen, wo eure Hilfe nötig ist, und euch im richtigen Augenblick den Mut und die Kraft zum Handeln geben.

In diesem Sinne wünscht euch einen schönen Nikolaustag und frohe Weihnachten!

Euer

Bischof Nikolaus von Myra