Montag, 28. März 2016

Schwerer als der Glaube an die Auferstehung

Predigt am Ostermontag, 28. März 2016, über 1.Korinther 15,12-20:

Wenn aber Christus verkündigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wieso sagen einige bei euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferstanden. Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, dann ist auch unsere Verkündigung inhaltsleer, leer auch euer Glaube. Außerdem stehen wir als falsche Zeugen Gottes da, weil wir im Widerspruch zu Gott bezeugt haben, dass er Christus auferweckt habe, den er nicht auferweckte, wenn, wie sie sagen, die Toten nicht auferstehen. Wenn nämlich die Toten nicht auferstehen, ist auch Christus nicht auferstanden. Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, ist euer Glaube nichtig, seid ihr noch in euren Sünden, sind auch die in Christus Entschlafenen der Macht des Todes verfallen. Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus hoffen, sind wir bemitleidenswerter als alle Menschen.
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erster der Entschlafenen.
(Eigene Übersetzung)

Liebe Schwestern und Brüder,

auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus trifft Jesus zwei seiner Jünger, denen er einiges erklären muss. Sie haben nicht verstanden, was geschehen ist. Vor allem aber verstehen sie nicht, was die Auferstehung bedeutet.
Richtig peinlich, die Jünger. Alles muss Jesus ihnen erklären: die Gleichnisse muss er ihnen auslegen. Bei seiner Verklärung begreifen sie nicht, was geschieht. Als Jesus seinen Tod ankündigt, will Petrus ihn von seinem Weg abbringen. Bei der Fußwaschung will Petrus sich erst gar nicht waschen lassen, dann aber auch noch den Kopf gewaschen bekommen. Und dann ist da noch der ungläubige Thomas, der nicht glauben kann, ohne seinen Finger in die Wunde zu legen.
Quer durch die Evangelien zieht sich die Begriffsstutzigkeit, das Unverständnis der Jünger. Waren sie einfach zu dumm?

I
Sind wir ehrlich, geht es uns auch nicht anders als den Jüngern: Vieles an unserem Glauben verstehen wir nicht. Selbst die zwei Jahre Konfirmandenunterricht reichen nicht aus, um alles über den Glauben zu lernen - im Gegenteil: Je mehr man über den Glauben weiß, desto mehr Fragen hat man. Selbst ein so großer Theologe wie Martin Luther bekannte auf dem Sterbebett: „Den Vergil kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirt oder Landmann gewesen. Den Cicero in seinen Briefen versteht niemand, wenn er nicht zwanzig Jahre in einem hervorragenden Staatswesen sich betätigt hat. Die Heilige Schrift meine niemand genügend geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre mit den Propheten Kirchen geleitet. Wir sind Bettler. Das ist wahr.“ (WA 5 Nr. 5677, 317f)

Ist der Glaube tatsächlich so schwer zu verstehen?
Glauben an sich ist ja kinderleicht - jedenfalls haben ihn viele von uns bereits als Kinder kennen gelernt,
und seitdem gehen wir mehr oder weniger selbstverständlich davon aus, dass Gott existiert, dass man mit ihm reden kann.
Im „Mehr oder weniger“ - da liegt das Problem:
Wenn wir erklären sollten, was wir eigentlich glauben, und wie wir uns das so vorstellen mit Gott und der Welt, fehlen uns oft die Worte. Wie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, können auch wir uns auf Vieles keinen Reim machen.

II
Die Auferstehung ist dabei wohl der größte Brocken, den der Glaube einem zu schlucken geben kann. Sie rangiert noch vor der Jungfrauengeburt und der Erschaffung der Welt in sieben Tagen, die jeder für sich schon unglaublich genug sind. Es ist ein schwacher Trost, dass es nicht nur uns Heutigen so geht, sondern schon die ersten Christen ihre Schwierigkeiten mit der Auferstehung hatten. So auch die Christen in Korinth, denen Paulus schreibt. Einige von ihnen waren der Meinung, dass man auch ohne Auferstehung an Christus glauben kann. Dass die Auferstehung sozusagen ein entbehrliches Extra ist, das man auch weglassen kann, um den Glauben nicht mit etwas Unglaublichem zu belasten. Ich denke, diese Auffassung der Korinther teilen noch heute viele Menschen. Paulus aber widerspricht dieser Auffassung ungewöhnlich scharf, ja, er spricht denen, die die Auferstehung weglassen wollen, geradezu den Glauben ab: Wer nicht an die Auferstehung glaubt, glaubt gar nicht. Wer Christus nur als einen besonderen, vorbildlichen Menschen wie den Mahatma Gandhi oder die Mutter Theresa sehen will, ist „bemitleidenswerter als alle Menschen“.

III
Paulus nimmt den Mund ziemlich voll.
Man sollte meinen, wenn einer so schroff und absolut anderen den Glauben abspricht, hat er gute Gründe dafür. Hat Paulus die? Auf den ersten Blick klingt es ja ganz überzeugend, was Paulus da sagt, aber hört man genauer hin, wiederholt er sich einfach nur: Die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten hängen zusammen. Wenn die Toten nicht auferstehen, ist Jesus auch nicht auferstanden, dann gibt es also kein Ostern. - Na gut, könnte man einwenden, kein Ostern zu haben, wäre zwar schade, aber richtig fehlen würde es einem auch nicht - im Gegensatz zu Weihnachten - oder?

IV
Warum ist der Glaube „leer“ und „nichtig“, wenn es keine Auferstehung der Toten gibt? Paulus erklärt es nicht - die Korinther scheinen zu wissen, was er meint. Er hat es ihnen offenbar gepredigt. Was wissen die Korinther, was wir nicht wissen?

Die Emmausgeschichte und der Brief des Paulus an die Korinther sind lange nach dem Tod Jesu enstanden. Paulus schrieb etwa 30 Jahre nach dem Tod Jesu nach Korinth; Lukas schrieb sein Evangelium erst 50 Jahre nach Jesu Tod.
Der Brief und das Evangelium wurden geschrieben mit dem Wissen um Jesu Tod und Auferstehung. Sie sind überhaupt nur deswegen entstanden, weil Jesus nicht nur ein besonderer Mensch war, sondern weil er auferstanden ist. Denn erst mit seiner Auferstehung bewahrheitete sich, was er gepredigt hatte: Dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen war.
Das Reich Gottes - das ist nicht der Himmel auf Erden, und das ist auch kein Gottesstaat. Das Reich Gottes, das ist vielmehr der Einbruch einer anderen Wirklichkeit in unsere. Auferstehung erwartet uns nicht erst am Ende der Zeiten, wenn die Posaune erschallt und die Toten auferstehen. Auferstehung hat direkt etwas mit uns zu tun, sie betrifft unseren Alltag, unser Hier und Jetzt - aber wie?

V
Im Wort Auferstehung steckt das Aufstehen, und das ist mehr als ein Wortspiel.
Die Auferstehung Christi bewirkt, dass wir aufstehen können, immer und immer wieder. Denn mit der Auferstehung Christi ist nicht nur das Reich Gottes Wirklichkeit geworden, sondern auch etwas anderes, das Jesus verkündigt hat: die Vergebung der Sünden. Die Vergebung der Sünden ist die Möglichkeit, jeden Tag neu anzufangen. Weil mir vergeben ist, kann ich jeden Tag hinter mir lassen, was war. Es ist nicht vergessen, es bleibt als Fehler, als Schuld, als Belastung. Aber Gott legt mich nicht darauf fest. Gott gibt mir die Chance, es noch einmal neu zu versuchen - auch wenn es möglicherweise ein weiteres Mal in die Hose geht. Ich kann die Konsequenzen tragen und mit ihnen leben, weil das, was ich tue, nicht darüber entscheidet, wer ich bin. Gott legt mich nicht auf meine Fehler fest, sondern auf meine Möglichkeiten - meine Möglichkeit, zu lieben und gut zu sein.

Die Auferstehung schafft also neben dem, was wir als Wirklichkeit vorfinden, noch eine andere Wirklichkeit. 
In der vorfindlichen Wirklichkeit habe ich einen Fehler gemacht, habe vielleicht sogar versagt. 
In der vorfindlichen Wirklichkeit fühle ich mich hässlich, minderwertig, zu dick oder zu unsportlich. 
In der vorfindlichen Wirklichkeit habe ich keinen Erfolg, keinen tollen Job, keinen großen Besitz, keine einflussreichen Freunde.
Aber in der anderen Wirklichkeit bin ich von Gott über alles geliebter Mensch.
In der anderen Wirklichkeit mag Gott mich so, wie ich bin.
In der anderen Wirklichkeit sieht Gott nicht meine Fehler und Schwächen, sondern meine Möglichkeiten, mein Bemühen, meine gute Absicht.

VI
Schön und gut, diese andere Wirklichkeit - aber muss man dazu unbedingt an die Auferstehung glauben? Hier sind wir - und da ist Gott. Hier ist unsere Wirklichkeit, und da Gottes. Das geht auch ohne Auferstehung, die braucht man dazu nicht. Man kann einfach glauben, dass Gott uns lieb hat.

Nein, das kann man nicht.
Und zwar aus dem einfachen Grund, dass ohne die Auferstehung die andere Wirklichkeit Gottes keine Wirklichkeit wäre, sondern nur eine Einbildung.
Mit der Zumutung der Auferstehung steht und fällt, ob wir Gott für real halten, oder nur für eine nette, hilfreiche Phantasie, die niemandem schadet.

VII
Der Glaube an die Auferstehung ist eine Zumutung.
Es ist ganz schön viel verlangt, dass wir diese Kröte schlucken müssen, um glauben zu können.

Aber es ist noch die Frage, was schwerer ist:
An die Auferstehung zu glauben, oder daran, dass ich gut und schön und richtig bin, wie ich bin? Dass es nicht auf meine Leistung, auf meinen Erfolg ankommt und nicht darauf, wie ich dastehe und was die anderen von mir halten, sondern allein darauf, was Gott von mir hält?

Es ist noch die Frage, was schwerer ist:
An die Auferstehung zu glauben, oder daran, dass Gottes Liebe nicht nur mir gilt und den Menschen, die ich mag und nett finde. Sondern auch und gerade denen, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Sie gilt den bedrohlich dunkeläugigen Flüchtlingen mit ihren befremdlichen kopftuchtragenden Frauen. Sie gilt den nervigen Nachbarn. Sie gilt den alten Feinden.
Wobei es nicht allein darauf ankommt, das einfach so dahinzusagen und zuzugeben. Wer tatsächlich glauben möchte, dass Gottes Liebe *allen* Menschen gilt, der muss auch so leben: Der muss *alle* Menschen als Gottes geliebte Kinder ansehen. Das ist oft sogar noch schwerer, als an so etwas unvorstellbares wie die Auferstehung zu glauben.

An die Auferstehung zu glauben ist nicht so schwer.
Viel schwerer ist es, sie für mich gelten zu lassen.
Noch schwerer ist es, sie für meine Mitmenschen gelten zu lassen.

Zu diesem Glauben will Paulus uns ermutigen.
Für diesen Glauben ließ Jesus sich ans Kreuz schlagen.
Damit dieser Glaube wahr wird, hat Gott ihn auferweckt.

Amen.