Predigt am Pfingstsonntag, 15. Mai 2016, über Apostelgeschichte 2,1-18
(erstmals gehalten am 23.
Mai 2010)
Liebe
Gemeinde,
draußen
ist draußen
und
drinnen ist drinnen.
Wir sind hier zusammen in einem Raum;
Wir sind hier zusammen in einem Raum;
wir
singen und beten miteinander,
hören
Gottes Wort, essen und trinken
und
erinnern uns an Jesus.
Hier
ist gut sein.
Und draußen?
Da
sind andere, Fremde.
Da
herrschen andere Regeln,
da
herrscht ein anderer Geist.
I
So
werden die Menschen gedacht haben,
die
in einem Haus in Jerusalem versammelt waren:
die
Jünger Jesu, Männer und Frauen,
die
Jesus nachgefolgt waren,
darunter
die 12 Apostel mit Maria, seiner Mutter
und
seinen Brüdern.
Zusammen
in einem kleinen Raum,
so
groß wie ein Wohnzimmer.
Eine
kleine Gemeinschaft,
verbunden
durch das,
was
sie gemeinsam erlebt hatten.
Verbunden
durch die Angst, aufzufallen,
Ärger
zu bekommen,
verfolgt,
verhaftet zu werden.
Hier,
im Haus, fühlten sie sich sicher.
Hier
konnten sie abwarten,
wie
die Sache Jesu weiter gehen würde.
Er
hatte ihnen versprochen:
„Ich
will auf euch senden, was mein Vater verheißen hat.
Ihr
sollt in der Stadt bleiben,
bis
ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.“
„Und
plötzlich geschah ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen
Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.“
Da
kommt etwas vom Himmel.
Die
Verheißung des Vaters.
Kraft
aus der Höhe.
Und
verändert diese eingeschlossene,
in
sich gekehrte,
ängstliche
Gemeinschaft.
Von
außen kommt etwas nach innen,
dringt
in ihre Runde ein.
Was
ist das?
Ein
Wind ist zu hören, ein unheimliches Brausen.
Auch
zu sehen ist etwas:
„Es
erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer;
und
er setzte sich auf einen jeden von ihnen.“
„Weißer
Mann sprechen mit gespaltener Zunge“,
das
kennen wir aus Indianerfilmen,
und
es bedeutet nichts Gutes:
Wem
das ins Gesicht gesagt wird, der lügt.
Hier
aber weisen die gespaltenen Zungen auf die Fähigkeit hin,
in
mehr als einer Zunge,
mehr
als einer Sprache sprechen zu können:
„Sie
wurden alle erfüllt vom heiligen Geist
und
fingen an, zu predigen in andern Sprachen,
wie
der Geist ihnen gab auszusprechen.“
Eine
Kraft, ein neuer Geist
breitet
sich aus im Haus,
und
plötzlich fliegen die Türen auf.
Die
ängstlichen Jüngerinnen und Jünger gehen nach draußen, denn die
neue Sprache
kann
man nur außerhalb des Hauses sprechen.
Die
Jünger fallen auf durch ihre Fremdsprachenkenntnis,
durch
ihr Einfühlungsvermögen,
und
sie haben keine Angst.
Andere
Leute können sie verstehen.
Sie
finden Worte,
mit
denen sie anderen klar machen können,
worum
es geht.
Die
hören erstaunt, wie die Jünger
„in
ihren Zungen von den großen Taten Gottes reden.“
II
Draußen
ist draußen
und
drinnen ist drinnen.
Der
Geist kommt von außen zu denen innen
und
weht dann mit ihnen nach außen.
Grenzen
werden überwunden.
Grenzen
der Sprache:
Menschen
reden miteinander,
die
sich bis dahin nicht verständigen konnten.
Fast
2000 Jahre sind seither vergangen.
Die
Jüngerinnen und Jünger
sind
von drinnen nach draußen gegangen
und
haben, getrieben von Gottes Geist,
von
Gottes großen Taten erzählt,
haben
Mission betrieben
und
das Evangelium verkündet.
Gemeinden
sind entstanden und Kirchen,
das
Christentum hat sich über die ganze Erde ausgebreitet
-
eine Erfolgsgeschichte.
Auch
eine Geschichte der Fehler und Irrtümer,
der
Verbrechen und der Grausamkeiten.
Fast
2000 Jahre sind vergangen,
und
der Glaube hat sich über die Welt ausgebreitet.
Aber
die Welt hat sich verändert.
Heute
würde der brausende Pfingstgeist
wohl
niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken
–
da
müssen schon ganz andere „Events“ her.
Heute
geht es um die Frage,
wie
Gottes Geist Menschen erreicht,
die
schon Christinnen und Christen sind,
die
Gottes Geist bei der Taufe empfangen haben,
aber
von ihm nicht mehr bewegt werden.
III
Draußen
ist draußen
und
drinnen ist drinnen.
Kirche
spielt nicht nur in der Gesellschaft
eine
immer geringere Rolle.
Kirche
ist auch vielen getauften Christinnen und Christen egal.
Kirche
hat zu den großen Problemen unserer Zeit
keine
einfachen Lösungen,
keine
einprägsamen Sprüche.
Sie
hat den Menschen von heute nichts mehr zu sagen,
oder
wird nicht mehr gehört.
Woran
liegt das?
Sind
wir nicht mehr so eine Gemeinschaft,
wie
es damals die Jüngerinnen und Jünger Jesu waren?
Sind
wir nicht mehr vom Heiligen Geist beseelt?
Sind
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche,
die
Pastorinnen und Pastoren,
nicht
einfallsreich, nicht fleißig genug?
Sind
wir als Kirche nicht einladend genug,
gehen
wir zu wenig auf andere zu?
Es
liegt nicht an unserem Machen, Wollen oder Tun,
wenn
Menschen sich fragen,
wozu
Kirche gut sein soll.
Es
liegt an unserem Selbstbewusstsein.
Es
ist uns nicht bewusst,
und
wir sind uns selbst nicht bewusst,
dass
dies unser Haus,
dass
dies unsere Gemeinde, unsere Kirche ist.
Dass
wir alle Kirche sind und Kirche gestalten,
dass
wir alle Verantwortung dafür tragen
und
nicht nur die,
die
von unseren Kirchensteuern dafür bezahlt werden.
Es
liegt an unserem Kirche-Sein,
ob
Kirche noch etwas bedeutet oder nicht.
Wieso
sollten andere in die Kirche kommen,
wenn
wir selbst nicht hingehen?
Wieso
sollten andere etwas mit dem Glauben anfangen,
wenn
wir selbst nicht viel damit anfangen können?
Wieso
überlassen wir die Kirche und den Glauben
den
hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Pfingsten
ist das Fest,
das
uns daran erinnert,
dass
Kirche keine Veranstaltung ist,
kein
Event, und auch kein Museum.
Kirche
lebt von denen und durch die,
die
Kirche sein wollen.
Man
nennt das „Priestertum aller Gläubigen“.
Und
das Pfingstfest erinnert uns daran:
an das Priestertum aller Gläubigen.
an das Priestertum aller Gläubigen.
„Es
soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott,
da
will ich ausgießen von meinem Geist auf alle Menschen;
und
eure Söhne und Töchter sollen weissagen,
und
eure Jugendlichen sollen Gesichte sehen,
und
eure Alten sollen Träume haben.“
IV
Draußen
ist draußen
und
drinnen ist drinnen.
Dass
der heilige Geist das verändert hat,
ist
schwer zu glauben.
Nicht
nur für die, die drinnen sind,
sondern
auch für die draußen.
Jesus
hat den Armen das Evangelium verkündigt;
er
hat den Gefangenen gepredigt, dass sie frei sein sollen,
den
Blinden, dass sie sehen sollen,
den
Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen.
Er
hat uns die Gnade Gottes zugesagt.
Von
nun an sind wir frei von Ansprüchen anderer;
niemand
darf uns sagen,
so
und so musst du sein,
damit
Gott und die Menschen dich lieben.
Wir
sind frei, weil Gott uns mit seinem Geist anspricht.
Wir
sind frei und gerade deshalb in der Lage,
anderen
Menschen das weiter zu geben,
was
wir selbst bekommen haben,
selbst
denen, die uns fremd sind
und
die wir nicht leiden können.
Wir
selbst waren arm, gefangen,
blind
und zerschlagen,
und
wir sind es immer wieder.
Wir
leben aus der Kraft des Heiligen Geistes,
der
uns hilft, unsere Hilflosigkeit, unser Leid zu tragen.
Wir
leben aus der Kraft dieser Gemeinde,
in
der wir einander tragen,
in
der wir uns gemeinsam versichern,
dass
Gottes Geist unter uns ist.
Wir
leben davon,
dass
Gott uns mit seiner Fülle beschenkt
–
vielleicht
fehlt uns nur, das zu erkennen,
und
vielleicht müssen auch andere das zu sehen lernen,
um
selbst zu schenkenden,
hilfsbereiten
Menschen zu werden.
Nach
süßem Wein, so klingen diese Worte
-
so wie damals, als man Petrus vorwarf, betrunken zu sein.
Der
Geist macht Mut,
Rechenschaft
zu geben von der Hoffnung,
die
seit Jesu Auferstehung in uns ist:
Der
Hoffnung,
dass
wir nicht auf Kosten anderer leben müssen,
sondern
das eigene Leben
und
das Leben der Gesellschaft
auf
Gerechtigkeit aufbauen können.
Der
Geist ermutigt uns dazu,
die
Grenzen zwischen Drinnen und Draußen zu öffnen:
Fremde
und Fremdes hereinzulassen,
und
zu den Fremden hinauszugehen.
Das
Fremde, die Fremden,
das
sind immer weniger exotische Menschen
aus
fernen Ländern,
deren
Sprache wir nicht sprechen.
Fremde
Menschen,
das
sind immer mehr die Menschen,
die
manchmal nur ein paar Straßen von uns entfernt leben,
in
einem anderen Stadtteil.
Menschen,
die scheinbar eine andere Sprache sprechen,
weil
sie ihre Muttersprache
auf
der Schule nicht richtig lernen konnten.
Vielleicht,
weil sie nicht wollten.
Vielleicht,
weil sie nicht konnten.
Vielleicht,
weil man ihnen keine Chance gab.
Gottes
Geist schickt uns von drinnen nach draußen,
aus
unseren guten Stuben
hinaus
auf die Straße, wo wir Menschen begegnen;
aus
unserer bürgerlichen Sattheit, unserem Wohlstand
zu
denen, die Hunger haben nach Bildung,
nach
Arbeit, nach Respekt und Anerkennung.
„Und
es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen
Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es
erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich
auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem
Heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der
Geist ihnen gab auszusprechen.“
Innen
und außen
-
ein neuer Geist und viele, vielfältige Gaben.
Und
die Predigt nicht so sehr mit Worten,
sondern
vor allem mit Taten
-
Taten der Mitmenschlichkeit
und
der Liebe.
Amen.