Dialogpredigt
zum Sonntag Reminiszere, 12. März 2017,
über
Matthäus 12,38-42 und „Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen“
Vor
der Predigt singt der Chor: Ich lobe meinen Gott
Anna!
Ja?
War das nötig, dass
ihr dieses Lied heute
singt?
Wieso?
Was ist mit dem Lied?
Ist
doch schön - oder gefällt es dir etwa
nicht?
Doch.
Sehr sogar!
Aber
du als Kantorin müsstest doch eigentlich wissen,
dass man in der Passionszeit kein Halleluja
singt.
Klar
weiß ich das.
Ich
hab' dich übrigens daran erinnert -
du hattest es glatt vergessen!
Aber
kannst du mir mal verraten, warum man in der Passionszeit Gott nicht
loben soll?
Denn
das bedeutet doch „Halleluja“:
Lobt Gott.
Gute
Frage, auf die ich jetzt so spontan keine Antwort
weiß.
Du hast aber recht: Warum sollte man
in der Passionszeit Gott nicht loben?
Ich
kann mir vorstellen, dass es mit dem Leiden zu tun hat.
Es gibt ja
keinen Grund, Gott für das Leid zu loben - im Gegenteil:
Es wäre
ziemlich eigenartig, wenn jemand sagen würde:
„Danke,
Gott! Wie schön, dass ich leiden darf!“
Stimme
dir zu.
Aber
es ist ja nicht irgendwer, der leidet, sondern
Jesus.
Was
soll denn das heißen, „nicht irgendwer“?!
Willst
du damit sagen, dass nur das Leid von Jesus zählt, und das aller
anderen nicht,
dass
sie alle umsonst leiden?
Nein,
nein! Entschuldige, da habe ich mich missverständlich
ausgedrückt. Ich meinte es theologisch:
Das Leiden von Jesus ist so einzigartig
und besonders, weil er für uns
leidet.
Er
leidet, damit das Leiden aufhört; er opfert sich, um
alle Opfer überflüssig zu machen.
Niemand soll
mehr denken oder sagen müssen: „Ich
opfere mich für dich auf“, und
niemand muss von anderen mehr zum Opfer
gemacht werden - so, wie es zur Zeit mit den
Flüchtlingen passiert.
Aber
das ist doch ein Grund zur Freude und zum Halleluja-Singen!
Dann
verstehe ich erst recht nicht, warum
das Halleluja ausgerechnet in der Passionszeit schweigen soll.
Aber
was soll dieses „Theologisch“?
Das
klingt für mich ganz schön abgehoben.
Leiden,
das ist doch etwas ganz Reales, das
kennt jede und jeder aus eigener Erfahrung.
Für
meinen Geschmack gibt es viel zu viel Leid auf der Welt.
Ich kann
die Bilder der verhungernden Kinder oft kaum noch ertragen.
Jetzt
hast du gerade eine gute Begründung dafür
geliefert, warum man in der Passionszeit nicht
Halleluja singen sollte:
In
der Passionszeit denken wir daran, was
Jesus um
unseretwillen auf sich nahm.
Dabei werden wir
empfänglich und aufmerksam für das Leid um
uns herum, für das Leid in der Welt.
Kein
Wunder, dass es einem da die Sprache verschlägt
und einem das Lob Gottes im Hals
stecken bleibt. Weil man lieber fragen will: Warum,
Gott? Warum gibt es so viel Leid in der
Welt?
Ja,
wie denn nun?
Halleluja
singen oder nicht singen?
Du
weißt ja selbst nicht, was du willst!
Stimmt.
Unsere Unterhaltung hat mich unsicher
gemacht.
Ich
weiß nicht mehr, was richtig ist.
Vielleicht
sind dazu Traditionen da: Damit man sich
an etwas halten kann, wenn man selbst nicht
weiter weiß, und sich nicht so viele Gedanken
machen muss wie wir gerade.
Das
finde ich aber schlecht, wenn man nicht mehr nachdenkt.
Und
ich finde es falsch, wenn man etwas macht, nur, weil es „immer
schon“ so gemacht wurde.
Dein
Amtsbruder Thomas Morus hat mal gesagt:
„Tradition
ist nicht das Halten der Asche,
sondern das
Weitergeben der Flamme“.
Thomas
Morus ist nicht mein Amtsbruder.
Erstens
war er katholisch, und zweitens lebte
er zur Zeit Luthers in England als Thomas More.
Aber der Spruch ist gut, den
merke ich mir.
Wenn
wir auf diesem Weg nicht weiterkommen,
sollten wir vielleicht tun, was Luther
in einem solchen Fall vorschlägt: die
Bibel befragen.
Wir
sind zwar in der Kirche, aber ich habe hier keine Bibel zur Hand und
würde auf die Schnelle auch gar keine passende Stelle finden.
Ich
auch nicht. Aber
das brauchen wir auch nicht.
Wir
haben doch eben das Evangelium gehört; vielleicht
kann das uns weiterhelfen.
Wie
soll uns das Evangelium vom „Zeichen des Jona“ bei der Frage
helfen, ob man in der Passionszeit das Halleluja singen darf oder
nicht?
Hmm.
Mal überlegen.
In
dieser Geschichte geht es darum, dass die Pharisäer
ein Zeichen von Jesus wollen …
…
also eine Art Beweis, dass er der ist, der
er zu sein behauptet.
Nein.
Ein „Zeichen“ ist nicht dazu da, etwas zu
„beweisen“. Ein Zeichen ist vielmehr eine andere Art, etwas zu sagen - so, wie es neben den
Worten die Musik gibt, oder die Kunst.
Musik
und Kunst „sprechen“ anders zu uns als
Worte, viel direkter und unmittelbarer.
Die
Propheten haben Zeichen benutzt, um damit
ihre Botschaft auf andere Weise an die Frau
und an den Mann zu bringen. Deshalb gehört
es sich für Jesus, der wie ein Prophet auftritt,
ein Zeichen, eine Zeichenhandlung zu
präsentieren.
Die
Leute haben die Propheten trotz ihrer Zeichen nicht verstanden -
oder nicht verstehen wollen.
Genau.
Weil ein Zeichen nun mal nicht eindeutig
ist. Denk an die Musik: Einer wird
von einer Melodie ergriffen, eine andere
lässt sie kalt.
Aber
das „Zeichen des Jona“ ist doch völlig klar und eindeutig:
Die
drei Tage, die Jona im Bauch des Fisches verbringt, sind die drei
Tage, von denen wir im Glaubensbekenntnis sprechen:
„Am
dritten Tage auferstanden von den Toten“.
Für
dich und mich ja.
Aber
wenn man nicht gläubig ist oder die Ostergeschichte
nicht kennt, sagen einem die
drei Tage überhaupt nichts.
Dann
fällt einem eher auf, dass der Fisch so etwas
wie eine „Zelle“ darstellt; ein Gefängnis, in
dem Jona auf sich zurückgeworfen wird, ins
Nachdenken kommt und schließlich erkennt, dass
er einen Fehler gemacht hat - was wieder gut
in die Passionszeit passt.
Wo
du gerade davon sprichst:
Mir
fällt etwas ganz anderes an der Geschichte auf, das auch wirklich
eine Antwort gibt auf unsere Frage nach dem Halleluja-Singen.
Keine
Ahnung, was Du meinst.
Ich
meine die Stelle von den Nineviten und der Königin von Saba.
Die
im Gericht als Zeugen gegen die auftreten, die
Jesus nicht geglaubt haben?
Da
sehe ich aber keinen Grund zum Loben.
Gericht
- das ist doch eher was zum Fürchten!
Nun
wart's doch mal ab!
Was
ist in Ninive passiert?
Jona
hielt seine Bußpredigt, die Nineviten gingen
in sich, taten Buße - und Gott vergab ihnen
und machte seine Drohung, die Stadt und
ihre Bewohner nach 40 Tagen zu vernichten, nicht
wahr - was Jona übrigens ziemlich geärgert hat
…
Genau.
Und die Königin von Saba?
Die
kam zu Salomo, weil sie von seiner Weisheit gehört
hatte und sich selbst davon überzeugen wollte.
Eine kluge Frau, die einen
klugen
Mann zu
schätzen wusste …
Na,
siehst du!?
Äh
… nein?
Es
ist doch etwas Schönes,
dass die Nineviten in
sich gegangen sind und verschont wurden, ein
Grund zur Freude - und ein Grund, Gott zu danken
und zu loben!
Und
auch bei der Königin von Saba geht es um etwas Schönes: Um
Weisheit.
Und
außerdem wird es zwischen den beiden bestimmt nicht traurig
zugegangen sein, eher
ziemlich prickelnd …
Ah!
Ich verstehe allmählich, worauf du hinauswillst!
Ein toller Gedanke: Wenn Jesus sagt:
„Hier ist mehr als Salomo“, will er sich nicht
größer machen als der alte König, sondern
will sagen, dass es bei ihm noch mehr Grund
zur Freude gibt, weil er für die Menschen gelitten
und sich für sie am Kreuz geopfert hat!
Jetzt
hör mal bitte mit diesem gräßlichen Leiden und Geopfere auf!
Jesus
ist doch nicht toll, weil er tot ist, sondern weil er lebt!
- Als
Lebender ist er mir sowieso viel, viel lieber …
Ok,
ok, du hast schon wieder recht.
Wir
Theologen denken um zu viele Ecken und
übersehen dabei das Naheliegende.
Schön,
dass du es einsiehst.
Da,
wo Jesus war, gab es Grund zur Freude wegen
all dem,
was er für Menschen tat:
Dass
er sich z.B. bei
dem unbeliebten Zachäus einlud, oder dass er die Ehebrecherin vor
der Steinigung rettete, indem er den Richtern deutlich machte, dass
sie nicht besser waren als sie - lauter tolle, Mut machende und
fröhlich machende Geschichten.
Aber
Grund zur Freude gab es nicht nur, weil Jesus so tolle Sachen
gemacht und gesagt hat, sondern vor allem einfach, weil er da
war.
Weil
er der Sohn Gottes
ist.
Und
weil er die Liebe ist.
Und
die ist ja wohl etwas absolut Schönes, etwas, das einen
zum Singen bringt: Halleluja!
Ich
verstehe: Wenn wir immer nur von Jesus als dem
Leidenden und Gekreuzigten sprechen,
machen
wir aus einem lebendigen Menschen eine
graue Theorie, die wenig mit unserem Leben zu
tun hat.
Jesus,
der Menschensohn, hat Menschen glücklich
gemacht. Und tut es noch heute.
Denn
wir, seine Gemeinde, sind ja der Leib Christi.
Wir sind füreinander Jesus, in uns und
mit uns und unter uns ist er gegenwärtig und
verbreitet Freude.
Jetzt
hast du es kapiert! Halleluja!
Darum
singe ich auch in der Passionszeit das Halleluja:
Weil Jesus hier unter uns ist, hier und heute,
in diesem Gottesdienst, lebendig und
wahrhaftig, und nicht nur theoretisch.
Jesus
ist hier, um uns fröhlich zu machen und um uns glücklich zu sehen,
auch und gerade in einer
Zeit, in der wir an das Leiden erinnert werden.
Dazu
kann ich nur sagen:
Amen,
Schwester!
Und:
Halleluja!