Liebe Jubilarinnen und Jubilare,
liebe Gemeinde,
erinnern Sie sich noch an die Predigt zu Ihrer Konfirmation, damals vor 50, 60, 65 oder gar 70 Jahren?
Es ist keine ernst gemeinte Frage:
Ich kann mich jedenfalls nicht mehr an die Predigt zu meiner Konfirmation erinnern, obwohl die bei mir "erst" 38 Jahre her ist. Ich glaube, man hätte mich direkt nach dem Konfirmationsgottesdienst fragen können; da hätte ich schon nicht mehr gewusst, was der Pfarrer gepredigt hat. Das lag sicherlich daran, dass Jungs im Konfirmandenalter keine besonders guten Zuhörer sind; dass ich furchtbar aufgeregt war und dass die Predigt das letzte Hindernis vor der Einsegnung und dem Abendmahl war, auf die es doch eigentlich und überhaupt ankam.
Dabei hat mein Pfarrer sich bestimmt große Mühe mit seiner Predigt gemacht, um uns Konfirmandinnen und Konfirmanden etwas Gutes mit auf den Weg zu geben, so, wie ich das mit meinen Konfirmandinnen und Konfirmanden heute immer noch halte. Und so hat es der Pfarrer, der Sie vor 50, 60, 65 oder 70 Jahren einsegnete, auch getan.
Auch er wollte Ihnen damals in der Predigt etwas sagen, was Sie auf den Weg des Glaubens bringen und auf diesem Weg halten sollte. Nur wissen Sie wahrscheinlich genauso wenig wie ich, was das war.
I. Als Sie damals konfirmiert wurden, war Konfirmation noch etwas Selbstverständliches. 1948 war es auf jeden Fall noch so.
In den 50er Jahren fand dann der harte Konflikt zwischen dem Sozialistischen Staat und der Kirche statt, den Sie als Jugendliche auch zu spüren bekamen:
Sie - oder Ihre Eltern - sollten sich zwischen Jugendweihe und Konfirmation entscheiden.
Erst in den 60er Jahren, als sich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche entspannte, wurde es üblich, beides zu tun: Am Brauch der Konfirmation festzuhalten und seine Pflicht als Staatsbürger zu erfüllen und zur Jugendweihe zu gehen.
Eine schwere Entscheidung, die Ihnen damals abverlangt wurde! Auf der einen Seite wurde es von Eltern, die im Staatsdienst beschäftigt waren, erwartet, dass ihre Kinder zur Jugendweihe gingen.
Auf der anderen Seite erfuhren Christinnen und Christen, die sich offen zu ihrem Glauben bekannten oder von denen man wusste, dass sie Kinder kirchlicher Mitarbeiter oder selbst kirchlich engagiert waren, Demütigungen und Schikanen durch den Staat.
II. Ihrem Sinn nach ist die Konfirmation eine Entscheidung. Ihr Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "Bekräftigung": Mit der Konfirmation wird von den Konfirmandinnen und Konfirmanden bekräftigt, was ihre Eltern durch die Taufe ihrer Kinder für sie entschieden: Dass sie Christinnen und Christen sein sollten.
Aber was bedeutet es, eine Christin, ein Christ zu sein? Das kann einem niemand so genau sagen. Der Konfirmandenunterricht gab damals nicht allzu viel dazu her - man lernte vor allem auswendig.
Was Christsein bedeutet, das ändert sich auch um Laufe der Geschichte. Und auch in Ihrem eigenen Leben haben Sie vielleicht Veränderungen bemerkt, hat es sich für Sie unterschiedlich angefühlt, Christin oder Christ zu sein.
Wenn man wissen will, wie etwas funktioniert, sieht man in der Bedienungsanleitung nach. Wenn man also wissen will, was Christsein bedeutet, schaut man am besten in die Bedienungsanleitung für das Christsein: in die Bibel. Dort findet man z.B. im 34. Psalm, den wir eingangs gebetet haben, die beiden Verse:
"Wer möchte gern gut leben
und schöne Tage sehen?
Lass ab vom Bösen und tu Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach!"
III. Wie, sollte es so einfach sein? Nichts Böses tun, sich um Gutes und um Frieden bemühen? Das ist ja viel weniger als die 10 Gebote, die man als Konfirmandin oder Konfirmand auswendig lernen musste!
Aber nicht alles, was leicht aussieht, ist auch leicht. Das hat man selbst erfahren, als man Radfahren lernte, Schwimmen, oder als man den Führerschein machte. Jede*r, die ein Instrument oder eine Sportart beherrscht, weiß: Damit es so leicht und unbeschwert aussieht, dass andere denken: Das ist ja einfach, das kann ich auch!, muss man üben, üben, üben.
Auch das Christsein sieht von außen leicht aus, ist es aber nicht. Gerade der Glaube verlangt besonderen Einsatz. Ich spreche jetzt nicht vom Gottesdienstbesuch. Nein, das Leben in Gemeinschaft, das Leben in einer Gemeinde verlangt diesen besonderen Einsatz. Das Leben in Gemeinschaft bedeutet, aufeinander zu achten, füreinander da zu sein und zu helfen, wenn Hilfe nötig ist. So haben Sie es selbst erlebt, so haben Sie sich selbst verhalten. Und dabei haben Sie erfahren, dass Gemeinschaft auch sehr anstrengend sein kann.
So ist es auch mit den beiden Versen aus dem Psalm:
"Lass ab vom Bösen und tu Gutes;Sie erweisen sich als unglaublich schwer, wenn man versucht, sie zu beherzigen.
suche Frieden und jage ihm nach!"
IV. Mit diesen beiden Versen verhält es sichwie beim Erlernen eine Musikinstrumentes, eines Handwerkes oder einer Sportart: Je öfter man übt, desto besser wird man. Je öfter man übt, desto deutlicher sieht man aber auch,
was man alles noch nicht kann. Wo ein Außenstehender sagt: Das passt, das ist gut, denkt man: Das passt überhaupt noch nicht, das ist noch gar nicht gut,
das muss noch viel besser werden!
"Lass ab vom Bösen und tu Gutes;Diese beiden Sätzchen, so unschuldig und leicht sie daherkommen, können richtig gemein sein, wenn man versucht, sich an sie zu halten. Denn wenn man sie sich zum Vorbild nimmt, merkt man überhaupt erst, wie oft man etwas Böses tat, statt Gutes zu tun, und wem alles man unrecht tat; es wird einem bewusst, wie oft man nicht dem Frieden nachgejagt, sondern Unfrieden gestiftet hat.
suche Frieden und jage ihm nach!"
Die beiden kleinen, unscheinbaren Psalmverse halten uns den Spiegel vor und zeigen uns, dass wir nicht so gut sind, wie wir dachten oder gerne wären. Aber das ist gar nicht ihre Aufgabe. Diese beiden Verse sind nicht dazu da, uns ein schlechtes Gewissen zu machen - gerade heute nicht, an diesem Festtag. Sie wollen uns vielmehr daran erinnern, dass wir immer noch eine zweite Möglichkeit haben, dass es immer auch noch einmal anders geht:
Statt dem anderen seine Bosheit, seine Gemeinheit heimzuzahlen; statt sich über andere zu ärgern; statt neidisch zu sein auf das, was andere haben oder sind, kann man sie sozusagen rechts überholen, indem man sie überrascht und etwas ganz anderes: indem man Gutes tut.
Der Glaube glaubt an das Gute in allen Menschen: an die Liebe.
Der Glaube glaubt an die Möglichkeit, wo es scheinbar keine Möglichkeit mehr gibt: an die Hoffnung.
Der Glaube eröffnet uns eine neue Welt und ein neues Leben, wenn wir am Ende zu sein scheinen.
V. In der Bedienungsanleitung für das Christsein, in der Bibel, stehen viele Sätze wie die beiden Verse des Psalms. Sätze, die uns daran erinnern, welche Möglichkeiten unser Leben hat, selbst dann, wenn wir meinen, wir hätten keine mehr.
Und es stehen darin Sätze wie der, den wir in der Lesung hörten:
"Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen
durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist."
(Römer 5,5)
Es sind Sätze, die uns daran erinnern, dass wir schon alles haben, was wir zum Glück brauchen: Wir sind über alles Geliebte und besitzen Liebe in einer solchen Fülle, dass wir sie niemals aufbrauchen, sie niemals verlieren können.
Aus dieser Liebe Gottes leben wir;
aus dieser Liebe schöpfen wir,
wenn wir anderen Menschen freundlich begegnen;
in dieser Liebe sind wir geborgen
heute, morgen und alle Zeit.
Amen.