Samstag, 19. Mai 2018

Den Predigttext aufräumen


Dialogpredigt am Pfingstsonntag, 20. Mai 2018, über 1.Korinther 2,12-16:

Wir haben nicht den Geist der Welt bekommen,
    sondern den Geist, der von Gott kommt,
    damit wir erkennen,
    was uns von Gott gegeben wurde.
    Davon reden wir auch
- nicht in Worten,
die uns menschliche Weisheit lehrte,
    sondern - vom Geist gelehrt -
    deuten wir Geistliches als Geistliche.
Der diesseitige Mensch nimmt nicht an,
was von Gottes Geist kommt.
Für ihn ist es Blödsinn,
und er kann es nicht erkennen,
    denn es wird geistlich beurteilt.
    Der geistliche Mensch beurteilt alles
und wird selbst von niemandem beurteilt.
    Denn „wer hat den Willen des Herrn erkannt,
    dass er ihn belehre“? (Jesaja 40,13).
    Wir aber haben den Geist Christi.


Weltgeist, Gottesgeist - was für ein Hin und Her!
Da kommt man ganz durcheinander:
Was ist denn nun was, und vor allem:
Was bedeutet das alles?
    Lass uns etwas Ordnung in das Durcheinander bringen,
    den Predigttext ein bisschen „aufräumen“, sozusagen.
    Schauen wir uns zuerst einmal den „Weltgeist“ an.
Vom Weltgeist heißt es:
Er ist diesseitig,
er beruft sich auf menschliche Weisheit
und nimmt Geistliches nicht an,
sondern hält es für Blödsinn.
Eigentlich eine gute Beschreibung für die Haltung,
der man bei Atheisten begegnet.
    Tja, und die ist nicht einmal neu.
    Vor 2.000 Jahren wurde der Glaube schon
    mit den gleichen Gründen abgelehnt wie heute:
    Ein Jenseits gibt es nicht,
    denn das hat noch niemand gesehen;
    der Glaube lässt sich mit der Vernunft,
    mit unserem wissenschaftlichen Denken nicht vereinbaren,
    deshalb ist er Blödsinn.
    Wer so redet, verlässt sich nur auf seinen Verstand,
    kennt nur seine eigene, kleine Welt.
Aber, entschuldige mal,
worauf soll man sich denn sonst verlassen?
Niemand sieht die Welt so, wie ich sie sehe.
Niemand denkt und fühlt so wie ich.
Mein Verstand ist nun mal das Werkzeug,
mit dem ich diese Welt begreife
und mich in ihr zurechtfinde.
Wenn ich mich auf den nicht verlassen könnte,
wäre ich ganz schön aufgeschmissen!
    Dein Verstand ist nicht vom Himmel gefallen.
    Er hat sich entwickelt,
    ist das Ergebnis deiner Erziehung:
    Andere Menschen haben dich gelehrt,
    die Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen.
Das stimmt.
In der Schule lernte ich,
mich auf Wissen zu verlassen:
Dass 1+1 = 2;
dass alles durch die Schwerkraft nach unten fällt;
dass Mensch und Affe einen gemeinsamen Vorfahren haben.
    Wir haben auch anderes gelernt:
    Dass der Sozialismus siegen wird
    und dass die Partei immer recht hat.
    Dass man gehorsam, fleißig und anständig sein muss.
    Dass Sport die Grundlage für alles ist,
    weil in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist wohnt,
    und dass Religion Opium für’s Volk ist.
Heute lernen Schülerinnen und Schüler,
dass es nicht genügt, gut zu sein:
man muss auch gut aussehen -
am besten so, wie es „Germany’s next Topmodel“ vormacht.
Sie lernen, dass es allein an ihnen liegt,
ob etwas aus ihnen wird, ob sie einen Job bekommen,
und dass nur ihre Leistung zählt.
Sie lernen, dass es nichts bringt,
Rücksicht auf andere zu nehmen,
anderen zu helfen,
weil einen das bloß aufhält
und man sowieso nur ausgenutzt wird.
    Das ist der Weltgeist.
    Seine „Wahrheiten“ ändern sich mit der Zeit
    und mit den Umständen.
    Was gestern wie in Erz gemeißelt war,
    liegt heute auf dem Müllhaufen der Geschichte.
    Bei extremen Vertretern des Weltgeistes
    wie Präsident Trump
    kann man sogar beobachten,
    dass so etwas wie „Wahrheit“ für sie nicht mehr existiert:
    Sie drehen die Dinge so, wie sie sie gerade brauchen,
    und behaupten notfalls das Gegenteil von dem,
    was sie gestern sagten.
Wie gut, dass ich nicht so bin!
Ich stehe zu meinem Wort
und drehe mein Mäntelchen nicht nach dem Wind!
    Sorry, aber nur, weil du nicht so bist wie Donald Trump
    brauchst du dir nicht einzubilden,
    du wärst frei vom Weltgeist!
    Wir leben in einer Gesellschaft -
    wir werden alle davon beeinflusst.
    Man kann zwar seine Tür vor unliebsamen Menschen verschließen,
    aber der Weltgeist dringt durch alle Ritzen.
Das Verhalten und besonders das Reden der anderen beeinflussen,
wie wir denken und handeln.
Ohne es zu merken übernehmen wir die Maßstäbe,
die sie an andere anlegen.
Da werden äußerliche Dinge
wie die Figur, die Hautfarbe,
die Herkunft oder die Kleidung
zu Maßstäben, nach denen wir andere beurteilen
- und uns selbst beurteilt finden.
Dabei wissen wir es eigentlich besser:
Wir wissen, dass das Äußerliche nichts über den Menschen sagt,
weil wir selbst uns ungerecht behandelt fühlen,
wenn man uns nur oberflächlich beurteilt.
    Jetzt haben wir genug vom Weltgeist gehört.
    Ich denke, jeder und jedem ist klar,
    was damit gemeint ist.
    Wie ist es nun mit dem Geist Gottes?
Ich finde es gar nicht so einfach,
dazu etwas zu sagen.
Man bekommt ihn nicht so richtig zu fassen.
„Vom Geist gelehrt, deuten wir Geistliches als Geistliche“
- was soll das heißen?
Ist das nicht, mit Verlaub, Blödsinn?
    Das ist das Problem,
    wenn man mit der Logik des Weltgeistes
    den Geist Gottes verstehen will:
    Es geht nicht.
    Gottes Geist ist nicht so sehr eine andere Art und Weise,
    die Welt und die Dinge zu sehen -
    das ist eher ein Nebenprodukt
    und passiert quasi von selbst,
    wenn man von Gottes Geist ergriffen wird.
Wenn du von „ergriffen“ sprichst,
erinnert mich das an das Bild,
das Paulus von der Taufe gebraucht.
Er sagt, wir hätten „Christus angezogen“,
wie man Kleidung anzieht.
    Das Äußere sagt nichts über einen Menschen aus,
    aber es bestimmt darüber, wie man sich fühlt.
    Wer mit seinem Körper unzufrieden ist,
    fühlt sich „nicht wohl in seiner Haut“,
    ist unsicher anderen gegenüber.
    Und wenn es einem gut geht
    oder man sich auf etwas freut -
    deinen Geburtstag, ein Fest -,
    macht man sich chic und zieht etwas Besonderes an.
Wenn man „Christus angezogen“ hat,
fühlt man sich anders,
weil das Äußere keine Rolle mehr spielt.
Da ist ja jetzt Christus,
der uns wie ein Panzer vor den abschätzenden Blicken schützt;
der uns schön aussehen lässt,
wie ein perfekt sitzendes Kleid,
wie ein gut geschnittener Anzug.
    Genau so ist es auch mit dem Heiligen Geist,
    nur, dass der uns nicht von außen umgibt,
    sondern uns innerlich erfüllt.
    Das ist wie beim Verliebtsein:
    Da ist man so glücklich,
    dass man die ganze Welt umarmen könnte.
    Da ist man nicht kleinlich, neidisch oder egozentrisch.
Der Geist Gottes erfüllt uns mit einer Wärme,
die uns warmherzig macht.
Warmherzig und barmherzig klingen nicht nur zufällig ähnlich.
Wer kein Herz aus Stein hat,
sondern ein warmes Herz,
lässt sich anrühren vom Schicksal anderer
und wertet andere nicht ab,
nur, weil sie anders sind:
der oder die ist barmherzig.
    An Pfingsten feiern wir,
    dass dieser Geist Gottes uns erfüllt.
    Geben wir ihm Raum in uns,
    dass dieser Geist aus unseren Augen strahlt
    und in unseren Herzen brennt.
    Amen.