Sonntag, 24. Juni 2018

Jede eine Trainerin

Predigt am Johannistag, 24. Juni 2018, über 1.Petrus 1,8-12:

Obwohl ihr Christus nicht seht, habt ihr ihn lieb.
Und obwohl ihr ihn jetzt nicht seht, glaubt ihr doch an ihn.
Ihr seid unaussprechlich, himmlisch glücklich,
weil ihr das Ziel eures Glaubens erreicht habt:
den Frieden für eure Seele.
Nach diesen Frieden suchten und forschten die Profeten.
Sie profezeiten das Gute, das euch von Gott zuteil geworden ist.
Sie grübelten darüber nach, welche Zeit der Geist Christi meinte,
der in ihnen war, als er im Voraus erkennen ließ,
welche Leiden Christus erwarteten
und welche Herrlichkeiten danach folgen sollten.
Und ihnen wurde gezeigt,
dass sie mit ihren Profezeiungen nicht sich selbst dienen würden,
sondern euch. Denn euch wird es jetzt von denen verkündigt,
die euch das Evangelium im Heiligen Geist predigten,
der vom Himmel gesandt wurde.
In dieses Evangelium würden sogar die Engel gern einen Blick werfen.


Liebe Schwestern und Brüder,

Trainer ist eine undankbare Aufgabe.
Man erklärt den Spielern, wie sie den Gegner bezwingen können,
man paukt Taktik, übt Spielzüge mit ihnen -
um dann während des Spiels am Spielfeldrand ohnmächtig mit ansehen zu müssen,
wie sie alles Geübte vergessen, den Ball an den Gegner verlieren
und nach einem Gegentor wieder in alte Muster verfallen.
Zum Glück ist das gestrige Spiel gegen Schweden gerade noch gut gegangen.
Das kroosartige, erlösende Tor fiel in allerletzter Minute.

Trainer ist eine undankbare Aufgabe.
Auch deshalb, weil jede Fernsehzuschauerin und jeder Fernsehzuschauer mittrainert
und es im Grunde viel besser weiß, besonders bei einer WM.
Viele hätten in der Halbzeitpause die Spieler in der Kabine
wohl so richtig zusammengefaltet.
Aber das hat Jogi Löw nicht getan.
Er hat zur Geduld gemahnt, das ja.
Aber vor allem hat er den Spielern Hoffnung gemacht,
dass sie noch zwei Tore aufholen können.
Und das haben sie ja auch geschafft.

Das 2:1 von Toni Kroos im Vorrundenspiel Deutschland-Schweden

I. Die Profeten, von denen der Predigttext erzählt,
waren auch so etwas wie Trainer -
wenn auch nicht in einem Fußballturnier.
Der Fußball war damals noch nicht erfunden.
Auch sie gaben den Gläubigen aus dem Volk Israel
Tipps und gute Ratschläge und mussten dann mit ansehen,
wie die Israeliten ihre Worte in den Wind schossen
und immer wieder in alte Muster verfielen.

Wenn das geschah, kam es zu mancher Gardinenpredigt.
Und die Profeten konnten es auch nicht lassen,
„siehste!“ zu sagen, wenn das Unglück eingetroffen war,
das sie angekündigt hatten.
Aber im Grunde waren auch sie schon wie Jogi Löw:
Sie machten Mut, verbreiteten Zuversicht und Hoffnung.

Selbst nach der bitteren Erkenntnis,
dass die Israeliten für ihr Unglück selbst verantwortlich waren,
stärkten sie ihren Glauben an die Zukunft.
Sie schenkten ihnen Bilder wie das von der Stimme des Predigers in der Wüste:
„Es ruft eine Stimme:
In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg,
macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
Alle Täler sollen erhöht werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden,
und was uneben ist, soll gerade,
und was hügelig ist, soll eben werden.
Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden,
und alles Fleisch miteinander wird es sehen“.
An solchen Bildern kann die Hoffnung sich fest machen.
Sie trösten nicht nur, sondern geben Orientierung.
Sie sind so etwas wie die Laufwege,
die ein Trainer für die Spieler vor der Einwechslung aufzeichnet:
Sie geben eine neue Richtung vor,
wenn man in eine Sackgasse geraten ist und nicht mehr weiter weiß.

II. Die ersten Christen lasen diese Botschaften an das Volk Israel,
und plötzlich wurde ihnen klar, von wem die Profeten da sprachen:
Für sie wiesen die Worte der Profeten auf Jesus hin. -
Wer weiß, was Menschen einmal in die Laufwege von Jogi Löw hineinlesen,
wenn sie seine Zettel in 500 Jahren in Händen halten!
Die Laufwege, die die Profeten den Israeliten vor Augen gemalt hatten -
weg von den Götzen, hin zu dem einen Gott;
weg vom Vertrauen auf Waffen, auf Verbündete und die eigene Kraft
hin zum Vertrauen auf Gott,
der andere Wege führt, als die Mächtigen der Welt sie gehen -
diese Laufwege für das Volk wurden ihnen zum Weg Christi.
Sie sahen seinen Weg ans Kreuz darin vorgezeichnet,
fanden Hinweise auf seine Auferstehung
und auf den Geist, den er den Gläubigen zu Pfingsten schenkte.
Und die Stimme des Predigers in der Wüste war für sie natürlich
niemand anders als Johannes der Täufer,
der Jesus den Weg bereitet hatte.

III. Johannes der Täufer - auch so eine Art Trainer.
Auch er hatte gute Ratschläge für die Gläubigen.
Er forderte Früchte des Glaubens
und mahnte zur Bescheidenheit:
„Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat;
und wer zu essen hat, tue ebenso.
Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
Tut niemandem Gewalt oder Unrecht
und lasst euch genügen an eurem Sold!“
Damit gab Johannes einen Weg vor,
der auch heute noch gangbar ist.
Es ist der Weg der Barmherzigkeit.

Wir sehen Menschen heute andere Wege gehen:
Wege der Gewinnmaximierung.
Wege des geringsten Widerstands.
Wege, die andere von Wohlstand und Freiheit ausschließen.
Wege, die anderen Menschen das neiden,
was sie haben oder bekommen.
Wege, die fordern: „Ich zuerst!“.
Es sind Wege, die auch wir gehen.
Denn es sind eingelaufene Pfade,
man geht sie schon fast von selbst.
Die vor, hinter und neben einem laufen sie entlang,
da geht man einfach mit.
Denn wer die ausgetretenen Pfade verlässt, fällt auf.
Wer nicht mit den anderen geht, ist allein.
Wer neue Wege ausprobiert, kann in die Irre gehen.

IV. Die ersten Christen gingen neue Wege -
und wurden dadurch auffällig.
Sie machten sich dadurch unbeliebt,
sie wurden verfolgt. Das geht bis heute vielen so,
die den Weg der Barmherzigkeit gehen,
den Johannes verkündet hat.
Und auch, wenn man sich keine Blessuren dabei holt,
wird man doch müde und unsicher.
Man fragt sich, ob man auf dem richtigen Weg ist,
wenn so viele auf anderen Wegen unterwegs sind.

Ihnen - uns - gelten die Worte des Predigttextes.
Denn auch dessen Worte sind die Worte eines Trainers,
der uns, wie Jogi Löw in der Halbzeitpause,
Mut machen will.
Dazu benutzt er starke Bilder.
Zum Beispiel das Bild, dass wir etwas haben,
was nicht einmal die Engel kennen
und worauf sie ziemlich neugierig sind:
Das Evangelium.

Das Evangelium ist noch etwas mehr
als die guten Worte der Profeten.
Denn es ist die Erfüllung dessen, was sie verheißen haben.
Es ist wie ein Lottogewinn, den man sich wünscht,
aber nie bekommt.

Wenn man einmal den Jackpot im Lotto knacken könnte,
hätte man so viel Geld, dass man es im Leben nicht ausgeben könnte.
Dann wären - so stellt man sich vor - alle Sorgen vorbei
und man wäre glücklich, weil man sich jeden Wunsch erfüllen könnte.
Wenn man genauer nachdenkt, merkt man,
dass das nicht sein kann,
weil man Glück, Zufriedenheit und Gesundheit,
die Liebe und den Respekt von anderen nicht kaufen kann.

Aber das Evangelium ist tatsächlich ein Lottogewinn.
Denn es sagt uns, dass wir ausgesorgt haben.
Über uns und unser Leben ist schon entschieden,
es ist alles gut, es kann gar nichts mehr schief gehen.
Was auch immer geschieht: Wir sind und bleiben Kinder Gottes.
Wir sind wer, ob wir nun Weltmeister werden oder nicht.
Unser Leben ist gelungen, auch, wenn wir viele Fehlpässe geschlagen haben.
Und wir sind geliebt, auch wenn das Publikum uns auspfeift.

V. Der Predigttext gibt uns diese guten Worte mit auf den Weg,
weil der Weg der Barmherzigkeit kein leichter Weg ist
und weil das Leben uns immer wieder foult.
Nach einem solchen Foul des Lebens,
nach einem Gegentreffer trotzdem,
wie die Nationalmannschaft in der zweiten Halbzeit,
die Hoffnung nicht aufzugeben
und es wieder und wieder zu versuchen:
Dazu braucht es Ermunterung und gute Worte.
Dazu braucht es die Trainer-Profeten,
wie Johannes der Täufer einer war.

Und weil wir in der WM alle Trainerinnen und Trainer sind -
wie wäre es, wenn wir uns an Johannes und an Jogi Löw ein Beispiel nähmen:
Statt andere zu kritisieren und ihnen Gardinenpredigten zu halten,
könnten wir es ja mal mit einer Ermutigung probieren,
weil auch wir hin und wieder eine Ermutigung nötig haben.
Amen.