Donnerstag, 4. Oktober 2018

Du musst dich entscheiden!

Predigt zur Kirchweih in Rohr am 7.10.2018 über Josua 24,14-16:

Josua spricht:
Nun denn, verantwortet euch vor Gott und verehrt ihn aufrichtig und treu!
Entfernt die Götter, die eure Eltern verehrten jenseits des Euphrat und in Ägypten,
verehrt statt dessen Gott.
Wenn ihr aber meint, es sei verkehrt, Gott zu verehren,
dann entscheidet jetzt, wen ihr verehren wollt:
Die Götter, die eure Eltern verehrten jenseits des Euphrat,
oder die Götter der Amoriter, in deren Land ihr euch aufhaltet.
Aber ich und meine Familie werden Gott verehren.
Das Volk antwortete:
Keinesfalls verlassen wir Gott, um andere Götter zu verehren!


Liebe Festgemeinde,

ständig muss man sich entscheiden!
Sekt oder Selters;
ganz oder gar nicht, gehn oder bleiben;
das Kleine Schwarze, oder Jeans und Pulli?
Manche Entscheidung fällt leicht.
Bei anderen braucht man Zeit zum Überlegen.
Und bei einigen tut man sich richtig schwer,
braucht manchmal einen Anstoß von außen,
bis man sich endlich zu einem Entschluss durchgerungen hat.

Neben diesen bewussten Entscheidungen entscheidet man vieles,
ohne dass es einem überhaupt bewusst wird oder dass man es merkt.
Manches erledigt sich scheinbar von selbst,
indem man es liegen lässt oder aussitzt -
aber, wenn man's ganau nimmt, auch das ist eine Entscheidung.
Manchmal lässt man andere die Entscheidung treffen -
und auch da hat man sich entschieden, nämlich:
andere für mich entscheiden zu lassen.

In die Gruppe der unbewussten, nicht direkt getroffenen Entscheidungen
gehört auch der Glaube.
Wer gläubig ist, kann gewöhnlich nicht sagen, wie lange er oder sie glaubt.
Gefühlt würde man sagen: „schon immer”.
Dabei gebietet es die Logik,
dass der Glaube irgendwann einmal angefangen haben muss.
Man hat es nicht gemerkt; man weiß nicht, wie man dazu gekommen ist.
Nur wenige können den Tag und die Stunde benennen,
in der sie zum Glauben kamen.
Die meisten sind durch Eltern und Großeltern,
durch Kindergottesdienst, Christenlehre und Konfirmandenunterricht
irgendwie hineingerutscht.
Und irgendwann sind sie wieder herausgerutscht aus dem Glauben.
Vielleicht nicht ganz herausgerutscht:
Er spielt keine Rolle im Leben, ist nicht wichtig.
Er stört nicht weiter, man weiß einfach nichts damit anzufangen.

II. Ständig muss man sich entscheiden!
Oder, anders formuliert:
Alles, was man tut, hat Konsequenzen.
Meistens merkt man davon nichts;
darum rechnet man nicht mit den Folgen seines Handelns.
Aber wenn etwas schief geht, bekommt man sie zu spüren.
Dann wird einem unterstellt, man habe sich bewusst so entschieden;
dann wird verlangt, dass man die Folgen trägt und dafür gerade steht.
Dabei hat man doch nur auf einen Link geklickt,
einen Knopf gedrückt, einen Schalter umgelegt,
einen Zettel unterschrieben, ohne groß darüber nachzudenken.

Ständig muss man sich entscheiden,
und man entscheidet ständig -
auch, wenn einem das meist nicht bewusst ist.
Allem, was man tut oder lässt, ist eine Entscheidung vorausgegangen.
Und im Zweifel wird man dafür zur Verantwortung gezogen,
dass man sich so oder so entschieden hat.

Irgendwie ist das unfair.
Wenn man vorher gewusst hätte, dass man dafür geradestehen muss,
hätte man sich anders entschieden.
Wenn man gewusst hätte, dass es schief geht, hätte man es natürlich gelassen.
Bei vielem, was man tut, kann man das Ende noch nicht absehen.
Wenn man bei jedem Fehler zur Rechenschaft gezogen wird,
traut sich niemand mehr, etwas zu riskieren!
Wen wundert's da, dass kaum noch jemand Verantwortung übernehmen will!

Trotzdem bleibt es dabei: Entscheidungen müssen getroffen werden.
Um den Konsequenzen zu entgehen, gibt es verschiedene Strategien:

Man hält sich an bewährte Methoden.
Dann muss man sich, wenn's schief geht, nicht anhören,
dass andere es besser gewusst und gekonnt hätten.
Oder man macht, was alle machen.
Dann ist man, wenn's schief geht, nicht allein schuld.

III. Auch Josua verlangt von den Israeliten eine Entscheidung.
Er stellt ihnen drei Möglichkeiten zur Wahl:
Sie können sich an bewährte Methoden halten;
zurückkehren zu dem, was ihre Eltern glaubten.
Eine solche Rückkehr zum Bewährten legt sich nahe,
wenn die Zeiten unsicher sind.
Es hat zwar schon damals nicht funktioniert,
aber wenigstens wusste man damals,
wer schuld war, dass es nicht geklappt hat.

Die zweite Möglichkeit:
Sie können machen, was alle tun;
den Glauben und die Werte der Gesellschaft übernehmen, in der sie leben.
Das verhindert, dass man aus der Masse heraussticht und negativ auffällt.
Und im Zweifel sind alle schuld.
Und wenn alle schuld sind, ist niemand wirklich schuld.
So kann man am besten vermeiden, die Konsequenzen tragen zu müssen.

Der dritte Weg, den Josua beschreibt und selbst beschreitet,
ist der Glaube an Gott.
Dieser Glaube ist etwas Neues gegenüber den Traditionen der Vorväter.
Er ist auch anders als das, was die Gesellschaft vorlebt.

IV. Der Glaube, den Josua zur Wahl stellt,
ist kein Festhalten an alten Traditionen -
auch, wenn es schön ist, Traditionen zu erhalten und zu pflegen.
Er ist auch kein Anpassen an die Gesellschaft -
auch, wenn es das Zusammenleben in einem Staat erfordert,
dass man sich in die Gesellschaft einbringt,
indem man Steuern zahlt, wählen geht und sich engagiert.

Der Glaube ist vielmehr ein dauerndes Entscheiden.
Nicht für oder gegen Gott; diese Entscheidung ist längst gefallen.
Sondern zunächst einmal dafür,
die Konsequenzen seines Handelns zu akzeptieren
und nicht zu versuchen, sich vor den Folgen zu drücken.
Was man tut, was man lässt, hat Auswirkungen auf andere,
und für diese Konsequenzen ist man verantwortlich. Punkt.
Man kann sich nicht damit herausreden,
dass alle anderen das auch machen;
dass man von nichts gewusst habe;
dass man allein doch sowieso nichts ändern könne.

Glauben bedeutet, sein Leben im Wissen um die Konsequenzen zu leben
und bereit zu sein, dafür gerade zu stehen.
Mit anderen Worten:
Sein Leben zu leben im Bewusstsein,
dass es jemanden gibt - Gott -,
vor dem man es verantworten muss,
und dass es jemanden gibt - die Mitmenschen -,
für die man verantwortlich ist.

V. Wie werden wir entscheiden?
Wenden wir uns zur Vergangenheit zurück,
zu vermeintlicher Größe,
zu angeblich besseren Zeiten,
die doch in Wahrheit niemals so gut waren,
wie sie sich in der verklärenden Rückschau darstellen?

Schwimmen wir mit dem Strom,
lassen wir uns in der Masse treiben,
und wenn man uns fragt,
dann haben wir von nichts gewusst?

Oder wagen wir es,
unser Leben in die Hand zu nehmen
und für die Folgen unserer Entscheidungen geradezustehen?

Wie auch immer wir uns entscheiden:
Gott weicht nicht von unserer Seite.
Gott ist da und macht uns Mut,
unser Leben und unsere Verantwortung anzunehmen.
Wenn wir das wagen,
werden wir kein Abklatsch unserer Vorfahren;
kein namenloses Gesicht in der Masse.
Dann werden wir wahrhaft wir selbst -
so, wie Gott uns gewollt hat und wie er uns haben will.

Amen.