Sonntag, 23. Dezember 2018

To begin at the beginning

Predigt am 1. Weihnachtstag, 25.12.2018, über Johannes 1,1-5.9-14.16-18

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem Anfang fängt es an.
In einer sternklaren Nacht.
Es ist kalt und ganz still.
Da, am Rand des Ortes, steht ein Stall.
In diesem Stall, bei Ochs und Esel, wird ein Kind geboren.
Es liegt auf Heu und Stroh in einer Futterkrippe.
Die Eltern sind einfache Leute.

Wenn erzählt wird,
dass das Wort Fleisch wurde,
stellt man sich eine Winternacht vor.
Eine verschneite Landschaft,
vom Mondlicht verklärt.
Darin ein malerischer, warmer Stall
mit freundlichen Tieren und redlichen Hirten.

Zur Fleischwerdung des Wortes gehören aber auch
Kälte, Armut und volle Windeln,
Gestank der Tiere, Blut und Tränen
und „die bittere Scham,
nicht allein zu sein,
die dem Armen eigen ist“.

Oder muss man weiter zurückgehen?
Wann beginnt menschliches Leben?
Mit der Geburt? Oder schon mit der Zeugung?
Beginnt die Geschichte also mit der Verkündigung des Engels an Maria?
Beginnt sie mit Johannes dem Täufer,
dem Vorläufer und Wegbereiter?
Oder muss man, wie das Johannesevangelium es tut,
noch weiter zurückgehen?
In die Ewigkeit vor aller Zeit,
als es  nur Gott gab
und das Wort.

Ein Wort steht am Anfang einer Erzählung.
Wird es ausgesprochen, wird es zur Tat.
Wird erst Licht, dann Leben.
Mit dem einen Wort beginnt eine Erzählung,
die man bis heute erzählt:
Die Geschichte Gottes mit uns Menschen.
Wir werden hineinerzählt in diese Erzählung.
Wir sind mit ihr verwoben,
sind ein Teil von ihr.
So kommen wir in Berühung mit dem Wort, das Fleisch wurde.

Wenn wir uns berühren, spüren wir,
wie das ist, ein Mensch zu sein.
Können wir empfinden, was er empfand,
als Maria Magdalena seine Füße mit ihren Tränen wusch,
sie küsste und salbte;
als sie ihn schlugen, ihn anspuckten,
ihm die Dornenkrone in die Haare drückten;
als sie den Nagel durch seine Hand ins Holz trieben.

Verwickelt in seine Geschichte, fühlen wir mit ihm.
Wer mit dem am Kreuz Leidenden mitfühlt,
den berührt auch das Leid der Mitmenschen.
Sie alle sind in seine Geschichte verwoben.
Mit ihnen allen sind wir in eine Erzählung verknüpft.
Darum begegnet er uns in allen Menschen wieder,
die unsere Schwestern und Brüder sind,
weil er unser Bruder wurde.

Oder sind wir zu weit zurück gegangen,
liegt der Anfang viel weiter vorn?
Nicht in der Ewigkeit vor aller Zeit,
nicht in einer Futterkrippe in einem Stall vor 2000 Jahren,
sondern heute und hier?
Aber wie kann das sein?
Wie wird das Wort unter uns lebendig,
so dass wir uns als Geschwister unseres Bruders Jesus erkennen?

Die Erzählung beginnt mit dem Ende.
Der, von dem die Rede ist,
das Wort, das vor aller Zeit war
und in einem Stall Fleisch wurde,
ist der am Kreuz Gestorbene und nach drei Tagen Auferstandene.
Am Anfang war die Auferstehung.
Wär er nicht erstanden,
so hätte es keinen Anfang gegeben,
der des Erzählens wert gewesen wäre.

Die Erzählung hat einen Anfang,
weil er auferstanden ist und lebt.
Dadurch schließt sich der Kreis,
kehrt von der Auferstehung zurück
zum Wort, das vor aller Zeit war.
Und von dort zurück zu uns,
die wir dieses Wort hören
und in seine Geschichte verwickelt werden,
uns in sie verwickeln lassen.

Mit der Auferstehung schließt sich der Kreis.
Dadurch ist es eine Erzählung voller Anfänge,
voller Möglichkeiten:
eine Geschichte der Fülle.
Aus dieser Fülle schöpfen wir Gnade um Gnade.
Wenn wir uns an das Wort halten,
schöpfen wir für uns
jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick
einen neuen Anfang.
Wir halten am Wort fest
und machen es so zum Anfang einer neuen Geschichte.
Unsere Geschichte, Teil der großen Erzählung,
in die wir verwoben sind.

Das Wort hat die Macht dazu,
einen neuen Anfang zu schaffen.
Die Macht des Wortes kommt aus der Auferstehung,
die das Wort ins Recht setzt und es bekräftigt.

Die Geschichte des Wortes, das Fleisch wurde,
wird von ihrem Ende her erzählt:
Von der leiblichen Auferstehung.
In diese Geschichte sind wir verwickelt.
Darum hat auch unser Leben ein Happy End.
Darum muss man auch die Geschichte unseres Lebens
von ihrem Ende her erzählen:
Von der Auferstehung.

Das Leben bei Gott, das uns erwartet,
bestimmt über unser jetziges Leben.
Weil die Geschichte unseres Lebens gut ausgeht,
brauchen wir keine Angst zu haben.
So schwer das Leben manchmal ist,
so bitter, so erbärmlich, so schmerzhaft:
Es gibt ein Happy End.

Der Gestank voller Windeln,
die Armut eines Stalles,
der Spott, die Schläge,
die Dornen und das Kreuz
bestimmen nicht darüber,
wer Jesus für uns ist.
Sie bestimmen auch nicht über unser Leben.

Unser Leben fängt gerade erst an.
Heute morgen, als wir aufgestanden sind,
sind wir von der Auferstehung hergekommen.
Jetzt gehen wir auf sie zu.
Unser Leben schwingt in einem großen Kreis,
der von der Schöpfung bis in die Ewigkeit reicht.
Es hat Anteil an beiden:
Am Anfang vor aller Zeit
und am Ende, das ein neuer Anfang sein wird.