Samstag, 29. Dezember 2018

Das Bild vom Rauch

Predigt am Altjahrsabend, 31.12.2018, über Jesaja 51,4-6:

Gott spricht:
Hört auf mich, mein Volk!
Passt auf, meine Leute!
Denn Weisung geht von mir aus
und mein Rechtsspruch erleuchtet die Völker im Nu.
Meine Gerechtigkeit ist nah.
Meine Hilfe kommt.
Meine Macht wird die Völker versöhnen.
Auf mich hoffen die fernen Länder.
Sie warten auf meine Macht.
Schaut hinauf zum Himmel
und blickt hinab auf die Erde.
Denn der Himmel zerflattert wie Rauch
und die Erde zerfasert wie Kleidung,
und ihre Bewohner werden auf die selbe Weise sterben.
Aber meine Hilfe bleibt ewig
und meine Heilstaten nehmen kein Ende.


Liebe Schwestern und Brüder,

wieder ist ein Jahr vorüber.
Die Zeit vergeht, und mit ihr die Dinge,
die uns umgeben und mit denen wir täglich umgehen.
Das Geschirr ist hier und da angeschlagen;
manche Tasse hat einen Riss oder ging zu Bruch;
vom Service fehlt das eine oder andere Teil.
Die Kleidung nutzt sich ab, bekommt Löcher, wird fadenscheinig.
Manches Kleidungsstück ist über die Feiertage plötzlich zu eng geworden.

Auch an uns geht die Zeit nicht spurlos vorüber.
Auch wir haben so manche Delle abbekommen,
sind hier und da angeschlagen,
und unsere Seele oder unsere Nerven sind an manchen Stellen
arg durchgescheuert.

Das Bild vom Rauch, der verweht;
von der Kleidung, die irgendwann abgelegt wird,
weil sie aufgetragen wurde,
ist ein Symbol für die Vergänglichkeit alles dessen,
was uns lieb ist.
Ein Symbol der Vergänglichkeit auch unseres Lebens.

Wenn Jesaja die Bilder vom Rauch und der abgetragenen Kleidung benutzt,
geht es ihm nicht um die Vergänglichkeit.
Wenn er davon spricht, dass der Himmel wie Rauch zerflattert,
denkt man vielmehr an das Kohlendioxid,
das für die Klimaerwärmung verantwortlich ist;
an die Fluorchlorkohlenwasserstoffe,
die die Ozonschicht zerstören;
an die Auto- und Industrieabgase, die den Himmel verfinstern
und für den Smog in den Städten verantwortlich sind.

Wenn Jesaja die Erde mit einem abgelegten Kleidungsstück vergleicht,
das sich in seine Bestandteile aufgelöst hat,
denkt man daran, wie wir Wasser, Erde und Luft
abnutzen, verdrecken und verschwenden -
bis man nichts mehr flicken oder reparieren kann.

Erschreckend ist dann seine Schlussfolgerung:
„Die Bewohner der Erde werden auf die selbe Weise sterben“.
Wir gehen an dem zugrunde, was wir an Abgasen in unsere Atmosphäre blasen.
Was wir der Erde antun, fällt auf uns zurück.
Schon jetzt essen wir in winzigen Mengen das Plastik,
das wir achtlos in die Umwelt „entsorgt“ hatten.

Wer sich über dieses „Wir“, die Vereinnahmung, ärgert,
weil er von jeher den Müll ordentlich getrennt hat,
kann daran die Schicksalsgemeinschaft erkennen,
die wir als Menschheit bilden.
Das Leid und Elend der Menschen in anderen Teilen der Welt
kann uns nicht gleichgültig sein,
weil auch ihr Müll und ihre Umweltverschmutzung uns betrifft.

Die Menschen der sogenannten „Dritten Welt“ fangen gerade erst an,
die Umwelt so zu verschmutzen, wie wir es seit Jahrzehnten tun.
Stellen Sie sich vor, was mit unserer Erde passieren würde,
wenn eine Milliarde Chinesen und eine Milliarde Inder beschließen würden,
genauso viel Wasser zu verbrauchen,
genauso viel Kohlendioxid in die Luft zu pusten, wie wir es tun!

Darum ruft Gott dazu auf, hinzuhören und hinzusehen.
Auf seinen Rat zu hören und seine Gerechtigkeit anzuerkennen.
Gottes Gerechtigkeit bedeutet: Gleiches Recht für alle.
Gleiches Recht für alle heißt auch,
das gleiche Recht, die Umwelt zu verschmutzen, das wir uns herausnehmen.
Wenn wir nicht wollen, dass andere in derselben Weise die Natur ausbeuten,
die Umwelt zerstören und verschmutzen, wie wir es so lange getan haben,
müssen wir umdenken
und mit gutem Beispiel vorangehen.

Wenn das Klima sich weiter erwärmt,
wird es zu Kriegen um Wasser und Nahrung kommen.
Wenn der Meeresspiegel weiter steigt,
werden noch mehr Menschen ihre Heimat verlassen,
weil sie sie verloren haben, und zu uns kommen.
Wenn wir keinen Krieg wollen,
müssen wir Gottes Weisungen beachten,
die uns lehren, wie man teilen,
wie man zusammenrücken und zusammen leben kann.

Es muss mit uns dahin kommen,
dass wir Gottes Weisungen nicht als Gesetze auffassen,
die man nach Möglichkeit umgeht.
Sondern dass wir entdecken,
dass Gottes Weisung seine Hilfe für uns ist,
seine Heilstat, mit der er unser Leben ermöglicht und erhält.

Darum kann man nur bitten.
Denn dass wir Menschen endlich zur Einsicht kommen,
ist auch im neuen Jahr nicht zu erwarten.
Wir haben bereits zu viel Zeit, zu viele Gelegenheiten verstreichen lassen.
So, wie wir nun einmal sind,
werden wir auch in Zukunft die Hände in den Schoß legen,
solange uns das Wasser nicht bis zum Hals steht.

Gott aber kann uns zur Einsicht bringen.
Gott kann uns seine Gebote ins Herz schreiben.
Gott kann uns von seiner Weisung durchdrungen sein lassen.

Gott darum zu bitten,
könnte ein guter Vorsatz für das kommende Jahr sein.