Sonntag, 9. Februar 2020

Das leuchtende Angesicht

Andacht über Psalm 31,21
„Du birgst sie im Schutz deines Angesichs
vor den Rotten der Leute,
du verbirgst sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen.“
Diese Erfahrung hat wohl jede* schon einmal machen müssen:
Dass hinter dem Rücken über eine* geredet wird.
Und auch die Erfahrung, dass man sich Gegner*innen gegenübersieht,
die einer* nicht wohlgesonnen sind.
Denen man nicht passt,
die vehement eine andere Meinung vertreten,
sodass man sich in die Ecke gedrängt fühlt.

Das Psalmwort spricht Menschen,
die sich in einer solchen Situation befinden, Gottes Schutz zu.
Es spricht von Geborgenheit in „Gottes Hütte“.
Die „Hütte Gottes“ ist eine Umschreibung für ein Gebäude,
das durch seine Größe und Pracht das Gegenteil einer Hütte ist:
Der Tempel in Jerusalem.
In biblischer Zeit war der Tempel auch ein Flucht- und Rückzugsort.
Selbst ein Verbrecher, dem die Flucht in den Tempel gelang
und der sich dort an den Altar klammerte,
hatte dadurch sein Leben gerettet.
„Asyl“ nannte man das damals.
Ein Rechtsgut, das manche heute infrage stellen
und das immer mehr beschnitten wird.

Den Tempel gibt es nicht mehr.
Er wurde im Jahr 70 n.Chr. von den Römern zerstört.
Für uns Christ*innen ist die „Hütte Gottes“ die Kirche.
Kirchen waren schon immer auch Zufluchtsorte, und sie sind es bis heute.
Auch heute noch bieten sie Menschen, die vor Verfolgung fliehen, Asyl.
Auch uns, die wir nicht um unser Leben bangen müssen.
Auch wir finden Zuflucht in der Kirche,
wenn z.B. hinter unserem Rücken über uns geredet wird.
Wenn wir wegen unserer Meinung angefeindet, ausgegrenzt werden.
In eine Kirche kann man buchstäblich fliehen,
man kann sich in ihr verstecken, wie es im Psalm heißt.
Die bösen Worte, die giftigen Blicke hinter sich lassen.
Und Kraft schöpfen.
Kraft, die einer* von Gottes Angesicht zufließt.
Denn Gott sieht uns wohlwollend und freundlich an.
Im Gegensatz zu den unfreundlichen
oder sogar hasserfüllten Gesichtern der Gegner*innen
ist Gott uns freundlich zugewandt.
Ja, mehr noch: Gottes Angesicht leuchtet, wenn er uns ansieht.

Ein Gesicht leuchtet, wenn man sich über eine* andere* freut.
So leuchtet das Gesicht der Eltern, wenn sie ihr Kind ansehen.
So leuchten die Gesichter der Liebenden.
So leuchtet einer* das Gesicht über einen unerwarteten Besuch,
eine freundliche Geste.
So leuchtet Gottes Gesicht, wenn er uns ansieht.
Wir sind Gott eine Freude.
Diese Zu-Neigung Gottes zu uns gibt uns Kraft und Selbstvertrauen,
unseren Gegner*innen die Stirn zu bieten.
Solche Zuneigung Gottes finden wir nicht nur in der Kirche, auch im Gebet.
Die Kirche gibt uns den Freiraum und die Ruhe, Gott zu begegnen
um das Leuchten von Gottes Angesicht in unseren Alltag zu tragen.


EG 70,4 Von Gott kommt mir ein Freudenschein