Dorfkirche Dabel |
Predigt am Sonntag Exaudi, 24. Mai 2020, über Jeremia 31,31-34
Zu Pfingsten sind die Geschenke am geringsten,
während Ostern und Weihnachten
mehr einbrachten.
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist ein Glück, dass das Pfingstfest noch nicht vom Kommerz vereinnahmt wurde, wie Weihnachten und Ostern!
Wie soll man auch den Heiligen Geist in eine Form pressen, gar in Stanniol einwickeln - er ist ja nicht zu fassen.
Dabei „bringt” uns, wenn man in wirtschaftlichen Kategorien von Soll und Haben denkt,das Pfingstfest für den Glauben ebenso viel ein wie Ostern und Weihnachten:An Pfingsten wird unser Glaube erwachsen.
Was das heißen und wie man sich das vorstellen soll?
Davon gibt der Predigttext aus dem Buch des Propheten Jeremia eine Ahnung:
„Sieh da, es kommt eine Zeit, sagt Gott,da schließe ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund.Nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern schloss,als ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten.Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war, sagt Gott.
Denn das ist der Bund, den ich schließen will mit dem Haus Israel nach diesen Tagen, sagt Gott:Ich lege meinen Willen in ihren Sinn und schreibe ihn auf ihr Herz,und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.Und keiner wird seinen Freund oder seinen Bruder lehren: Erkennt den Herrn!Sondern alle werden mich erkennen, Klein und Groß, sagt Gott.Denn ich werde ihre Sünde vergeben,und an ihre Schuld werde ich mich nicht mehr erinnern.”
„Alle werden mich erkennen, Klein und Groß”. Das ist Pfingsten.
Aber was soll das bedeuten: Gott „erkennen”,und wie soll das gehen?
Erkennen hat mit dem Sehen zu tun -auch wenn man Gott nicht sehen kann.
Erkennen hat auch mit dem Denken zu tun.Erkenntnis kommt von Erkennen; es geht ihr voraus -auch wenn man von Gott nichts wissen kann, wenn einem niemand etwas von Gott erzählt hat.
Hier ist mit Erkennen noch ein wenig mehr gemeint. „Erkennt den Herrn!”, das bedeutet:Nehmt zur Kenntnis, was Gott von euch und für euer Leben will. Mit anderen Worten: Nehmt Gottes Gebote zur Kenntnis und haltet euch daran.
Als das Volk Israel aus Ägypten auszog und durch die Wüste Sinai wanderte, empfing Mose auf dem Berg Horeb die beiden Tafeln mit den Geboten. Gottes Wille, in Stein gemeißelt. Aber diese steinernen Tafeln vermochten nicht, die Herzen der Menschen zu erwärmen.
So ist es oft mit Geboten und Verboten:Man sieht nicht ein, warum man sich daran halten soll. Insgeheim oder offen lehnt man sich gegen sie auf. Deshalb benötigt das Verhältnis zu Gott eine neue Grundlage. Wenn Gebote oder Verbote von außen auferlegt werden fühlt man sich eingeschränkt und drangsaliert wie ein Kind, das auf seine Eltern hören und z.B. zum Abendbrot zuhause sein muss, statt noch mit seinen Freunden draußen zu spielen, sein Zimmer aufräumen oder seine Hausaufgaben machen soll.
Und man wehrt sich gegen solche Einschränkungen wie ein Kind: trotzig, zornig, uneinsichtig.
Wenn man erwachsen ist, erkennt man, dass es Regeln geben muss, damit das Zusammenleben funktioniertund niemand zurück bleibt oder unter die Räder kommt. Man verinnerlicht diese Regeln, hat sie im Sinn, und nimmt sie sich zu Herzen.
Erwachsensein im Glauben bedeutet dann entsprechend, dass man Gottes Willen verinnerlicht hat. Sich nicht dagegen sträubt, sondern damit einverstanden ist, weil man - - -etwas erkannt hat.
An diesem Punkt des Erwachsenwerdens im Glauben geschieht also das Erkennen,von dem im Predigttext die Rede ist.
Manchmal geschieht es, dass man erkennt,
Manchmal geschieht es, dass man erkennt,
dass ein anderer Mensch mich meint,
wenn sie|er mich anlächelt und ihre|seine Augen strahlen.
Wenn einem diese Erkenntnis widerfährt, ist man verliebt.
Manchmal geschieht es, dass man erkennt,
dass man sich auf einen anderen Menschen verlassen kann,
dass dieser Mensch es ehrlich und gut mit mir meint.
Wenn einem diese Erkenntnis widerfährt, hat man eine:n Freund:in gefunden.
Manchmal geschieht es, dass man erkennt,
dass man für das, was man sagte oder tat,
Verantwortung übernehmen muss - - -
und dabei einem anderen Menschen wieder in die Augen sehen kann.
Wenn einem diese Erkenntnis widerfährt, hat man Vergebung erfahren.
Einmal geschieht es, dass man erkennt, dass Gott einem vergeben hat.
Dass Gott sich nicht an all die Fehler und Peinlichkeiten erinnert,
die man sich selbst nicht vergeben und die man nicht vergessen kann,
sondern eine:n so sieht, wie man wirklich ist, jenseits aller Schwächen und Fehler, und wer man sein könnte.
Man erkennt, dass Gott nicht böse auf eine:n ist, eine:n nicht ständig beurteilt,
sondern liebt. Über alle Maßen liebt,und mit einem lacht und leidet und lebt.
Wenn einem diese Erkenntnis widerfährt:
Das ist Pfingsten.
Pfingsten findet nicht nur einmal im Jahr statt. Dass Gottes Geist mich ergreift und erkennen lässt, wie Gott in Wahrheit für mich ist, dass Gott nur Gutes für mich will, kann jederzeit passieren.
Wenn einem diese Erkenntnis widerfahren ist, braucht man keine Gebotstafeln mehr. Dann hat man Gottes Liebe in Herz und Sinn, strahlt und teilt sie aus an andere.
Das Pfingstfest, auf das wir zugehen, erinnert uns daran, dass wir Erwachsene sind, erwachsen im Glauben. Als Erwachsene leben wir aus einer Freiheit,
die wir uns nicht erkämpfen müssen. Wir besitzen sie, weil Gottes Geist uns erfüllt und uns einen unendlichen Raum schafft, in dem wir so sein können, wie wir sind. Weil wir diese Freiheit in einem solche Maße besitzen, können wir uns unseren Mitmenschen zuliebe beschränken. Denn das ist Gottes Wille für uns:
Wir sollen leben, und der Rest der Welt soll’s auch.
Amen.