Sonntag, 29. November 2020

hoher Besuch

Predigt am 1.Advent, 29.11.2020, über Sacharja 9,9-10:
 
Du, Tochter Zion, freue dich sehr,  
und du, Tochter Jerusalem, jauchze!  
Siehe, dein König kommt zu dir,  
ein Gerechter und ein Helfer,  
arm und reitet auf einem Esel,  
auf einem Füllen der Eselin.  
Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim  
und die Rosse in Jerusalem,  
und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden.  
Denn er wird Frieden gebieten den Völkern,  
und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern  
und vom Strom bis an die Enden der Erde.
 
 
Liebe Schwestern und Brüder,
 
dein König kommt!
Das ist die gute Nachricht für heute,
die den Grundton der ganzen Adventszeit bildet:
Dein König kommt!
Und mit diesem König ist etwas im Kommen:
Friede -
der Friede, den die Engel am Heiligen Abend
den Hirten verkünden werden.
Friede für die Welt
und Friede für die Herzen,
für jede und jeden von uns.
 
Dein König kommt!
Jemand, auf den man lange gewartet hat,
jemand, auf den man sich schon lange freut,
hat endlich sein Kommen angekündigt.
Das gibt einen Kraft- und Motivationsschub;
den können wir in diesen dunklen und beschwerlichen Zeiten
gut gebrauchen.
 
Man sagt, große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus.
Aber der, der da kommt, wirft sein Licht voraus.
Mit einem Mal erscheint alles ein wenig heller,
obwohl wir bald den kürzesten Tag
und die längste Nacht des Jahres erreichen.
Mit einem Mal entdecken wir auch in uns
einen Funken Hoffnung,
einen Hauch Wärme,
einen Lichtstrahl,
der uns beharrlich die Richtung weist,
in die es geht:
Es geht in diesen Tagen darum,
gut zu sein;
etwas bessere Menschen,
als wir sonst sind:
geduldiger,
freundlicher,
zuversichtlicher.
 
So verändert sein Kommen uns schon jetzt,
lange, bevor er da ist.
Wenn ein besonders lieber Besuch kommt,
gibt man sich auch ganz besonders Mühe,
die Wohnung aufzuräumen,
sie schön und einladend zu gestalten -
wie auch wir jetzt, in der Vorweihnachtszeit,
alles festlich schmücken und herrichten.
Man malt sich aus, wie es sein wird,
wenn der sehnlich erwartete Besuch endlich da ist:
Was man Schönes unternehmen,
über welche Dinge man sprechen wird.
 
Für das Kommen des Königs  
räumen wir unser Inneres auf, sozusagen.
Wir fegen den alten Groll hinaus,
stopfen Neid und Eifersucht in die Mülltonne,
werfen Verbitterung und Kränkung ins Altpapier.
Denn wir wollen ihm mit Freude entgegengehen.
 
Von dieser Freude, die sein Kommen in uns weckt,
bekommen auch unsere Mitmenschen etwas ab.
Ein Guter Wille entsteht und steckt andere an.
Und so entsteht unter uns, was uns der König bringt:
Friede.
Und dieser Friede breitet sich aus,
wie der gute Wille sich ausbreitet,
dem König ein angemessenes Willkommen zu bereiten.
 
Wenn in England die Queen irgendwo zu Besuch kommt,
werden Fahnen geschwenkt.
Alles ist frisch geputzt, frisch gestrichen und mit Girlanden geschmückt.
Eine Kapelle spielt festliche Musik.
Die Polizei trägt Ausgehuniform,
und auch die Zaungäste haben ihre beste Kleidung angezogen.
 
Der König, den wir erwarten, kommt anders zu uns:
als armer, demütiger Eselsreiter.
Weil er so schlicht und einfach kommt,
erwartet er von uns keine äußerliche Prachtentfaltung;
kein Pomp & Circumstance,
keinen Jubel und keinen Aufwand.
Er kommt ohne Erwartungen an uns,
aber mit einem Geschenk: Sich selbst.
 
Unser König kommt zu uns,
nicht, damit wir ihm huldigen,
vor ihm auf die Knie fallen
oder ihn als unseren Anführer anhimmeln.
Er kommt zu uns,
um uns Frieden zu bringen.
 
Die Fahnen, die wir schwenken,
sind unsere offenen, freundlichen Gesichter.
Die geputzte und geschmückte Straße,
durch die sein Zug führt,
ist unser aufgeräumtes Inneres,
das von einem guten Willen beseelt ist.
Und unsere Sonntagskleidung,
das ist unser Mitgefühl.
Unser Mitgefühl mit dem Eselsreiter.
 
Denn der Esel trägt zwar einen König,
was bestimmt keine leichte Last ist.
Dieser König aber trägt unseren Kummer,
unsere Bosheit und Gemeinheit,
unsere Bitterkeit und Verstocktheit,
unsere Sorge und unseren Schmerz.
Und nicht nur unsere,
sondern die aller Menschen -
eine ungeheure Last.
 
Er trägt sie für uns.
Er befreit uns davon.
So kann der Friede, den der König bringt,
in unsere Herzen und Häuser einziehen.
So kann dieser Friede sich unter uns ausbreiten
und unseren guten Willen wecken,
es besser zu machen,
bessere Menschen zu sein.
 
Und so kann es,
trotz aller Dunkelheit,
trotz aller Sorgen, Ängste und Ungewissheiten,
trotz Corona
für uns auch dieses Jahr Weihnachten werden.
Für uns,
für die Menschen, die wir lieben,
für die, mit denen wir zusammenleben
und für alle anderen auch.
 
Amen.