Gedanken zum Predigttext für den letzten Sonntag nach Epiphanias, 31.1.2021, 2.Petrus 1,16-19
„Wir sind nicht kunstvoll angelegten Geschichten gefolgt,als wir euch die Macht und die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus offenbarten.”(2.Petrus 1,16)
Wir leben in Geschichten. Auch wenn wir uns zu alt für Märchen fühlen oder keine Romane mögen, weil darin alles erfunden ist, sind wir dennoch umgeben von Geschichten und erzählen sie uns ständig selbst, unsere Lebensgeschichte.
Denn unwillkürlich verknüpfen wir die Ereignisse, die wir erleben, mit unserem Leben. Wir beobachten ihren Einfluss auf uns, suchen nach Verbindungen, einem Sinn, einem roten Faden: Warum passiert das, warum gerade jetzt, warum ausgerechnet mir? Bei der Suche nach einer Erklärung für das Geschehene können Details bedeutsam werden, ein Datum, eine Zahl, ein Gegenstand. Bei dem Versuch, das Erlebte mit unserem jetzigen Leben in Verbindung zu bringen, schreiben wir Geschichte: Unsere Lebensgeschichte. Und bei dem Versuch, zu verstehen, warum geschehen ist, was geschehen ist, erzählen wir uns unsere Lebensgeschichte. Denn wir sehen unser Leben ja nicht als eine Abfolge von Zufällen, sondern möchten darin einen Plan, einen roten Faden, einen Sinn und ein Ziel erkennen.
Das Leben kann man auch deshalb nur als Geschichte erzählen, weil wir nicht von außen auf unser Leben schauen können. Wir sehen die Welt nun einmal mit unseren Augen, aus unserer ganz eigenen Perspektive. Sobald eine zweite Person ins Spiel kommt, kommt auch eine zweite Sichtweise ins Spiel.
Auch der Glaube wird in Form von Geschichten erzählt. Lebensgeschichten, Glaubensgeschichten.
In der Geschichte von der Verklärung Jesu, die an diesem Sonntag das Evangelium ist (Matthäus 17,1-9), sagt Gott über Jesus: „Das ist mein geliebter Sohn, den ich gern habe.” Mit diesem Satz bekennt sich Gott zu Jesus. Durch ihn wird Jesus zu dem, als den wir ihn kennen und bekennen. Mit diesem Satz wird Jesus Teil der Geschichte Gottes mit uns Menschen, mehr noch: Als Gottes Sohn wird er zum Mitautor dieser Geschichte. Durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung kommt zu der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel, dem „Alten Testament”, ein weiterer Abschnitt dazu: das „Neue Testament”. In diesem neuen Abschnitt der Geschichte Gottes mit den Menschen spielen auch wir eine Rolle. Denn erst in der Beziehung zu Jesus entfaltet sich unsere Lebens- und Glaubensgeschichte. Seine Auferstehung ist das Ereignis, das unserem Leben eine Zukunft und einen Sinn gibt, weil wir durch unsere Verbindung zu Jesus daran Anteil bekommen. Mit unserer Lebens- und Glaubensgeschichte sind wir ein Teil der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wir sind Gottes Kinder. Und damit gilt auch uns:
„Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn.Ich habe dich gern.”