Gedanken zum Predigttext für den 3. Sonntag nach Epiphanias, 24.1.2021, Rut 1,1-19a
„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.”
Dieses Versprechen, das Rut ihrer Schwiegermutter gibt, ist der wohl beliebteste und bekannteste aller Trausprüche. Kein Wunder, denn was ist eine Ehe, wenn nicht das Versprechen, ein Leben lang beieinander zu bleiben und alle Wege gemeinsam zu gehen. Nicht unbedingt die Wege zum Bäcker, zur Arbeit oder zur Ärztin, sondern den Lebensweg.
Der Lebensweg - das klingt so geradlinig und überschaubar. Man hat ein Ziel vor Augen, wenn man sich auf den Weg macht, und weiß meistens, was einen unterwegs erwarten wird. Doch ein Lebensweg verläuft selten gerade, sondern in vielen Kurven, manchmal auch Umwegen. Wir sehen immer nur ein kurzes Stück voraus, und ob wir das Ziel, das wir uns stecken, wirklich erreichen, wissen wir nicht. Corona hat uns schmerzhaft bewusst werden lassen, wie leicht unsere Pläne durchkreuzt, Wege versperrt werden können, sodass das Ziel in weite Ferne rückt.
Als Rut ihrer Schwiegermutter dieses Versprechen gibt, sind ihre Pläne durch einen Schicksalsschlag durchkreuzt, ihr bisheriger Lebensweg versperrt worden. Ihr Mann ist gestorben, und ihre Schwiegermutter, die als Fremde im Land lebt und nun außer ihren beiden Schwiegertöchtern keine Angehörigen mehr hat, möchte in ihre alte Heimat zurückkehren. Wie soll Ruts Weg nun weitergehen? Ihre Schwägerin hat sich entschieden, zu ihrer Familie zurückzukehren. Das könnte Rut auch tun. Aber sie folgt ihrer Schwiegermutter in ein fremdes Land. Warum tut sie das? Doch wohl aus Liebe - deshalb sind ihre Worte ein so beliebter Trauspruch geworden. Sie lässt sich von der Liebe leiten, lässt die Liebe über ihr Leben bestimmen.
Auch wir stehen immer wieder einmal wie Rut vor Entscheidungen, die wir treffen müssen, weil unser Lebensweg von jemandem oder von etwas durchkreuzt wurde. Nur selten sind es so tiefgreifende, das Leben verändernde Entscheidungen, wie Rut sie trifft. Meistens ist das, was, oder die Person, die uns in die Quere kommt, nur eine kurze Störung unseres Weges - jemand möchte, dass wir ihr etwas vom Einkaufen mitbringen, oder etwas für ihn erledigen. Wir halten jemandem die Tür auf, geben eine Auskunft oder wechseln einen Geldschein. Manchmal werden wir auch stärker in Anspruch genommen: Wenn uns jemand um Hilfe bittet, wenn wir uns Zeit nehmen für einen anderen Menschen. Meistens tun wir das gern. Aber manchmal durchkreuzt es auch unsere Pläne, kommt ungelegen. Hin und wieder erleben auch wir einen so tiefen Einschnitt in unser Leben, wie Rut ihn durchmacht. Das passiert immer dann, wenn wir für das Leben eines anderen Menschen Verantwortung übernehmen. Wenn wir uns verlieben. Wenn wir Mutter oder Vater werden. Wenn wir einen Menschen pflegen oder in seinem Sterben begleiten. Die Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen, trifft man selten nach reiflicher Überlegung, und oft weiß man nicht, worauf man sich da eingelassen hat. Man entscheidet „aus dem Bauch heraus”. Aus Liebe.
Die Liebe ist ein Geschenk und eine Kraft Gottes. Jesus hat aus dieser Liebe gelebt, und er ist gestorben, um die Macht der Liebe über Hass, Gewalt und sogar den Tod zu erweisen. Sein Heiliger Geist weckt in uns die Fähigkeit, zu lieben. Der Heilige Geist verführt uns dazu, auf unser Herz zu hören und uns von der Liebe leiten zu lassen. Manchmal führt das dazu, dass wir den geplanten Weg unseres Lebens verlassen, eine Kurve oder sogar einen Umweg gehen. Aber wir werden dabei so beschenkt, dass wir am Ende reicher sind, als wir es waren, als wir aufbrachen.
So ergeht es auch Rut. Nachdem sie anfangs für ihre Schwiegermutter und sich die liegengebliebenen Ähren vom Acker aufsammeln muss, um überhaupt etwas zu Essen zu haben, verliebt sich bald Boas in sie, ein Verwandter ihrer Schwiegermutter. Er heiratet sie, und Rut wird die Urgroßmutter von König David.