Samstag, 9. Januar 2021

einzigartig

Gedanken zum Predigttext am 1.Sonntag nach Epiphanias, 10.1.2020, über Römer 12,1-8:

Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.

Jeder Mensch ist einzigartig. Das klingt sehr schön, sehr ermutigend. Doch wenn alle Menschen einzigartig sind, ist es nichts Besonderes mehr. Wenn jede*r einzigartig ist, ist es im Grunde niemand.
Was macht einen Menschen einzigartig? Das Aussehen. Kein Mensch sieht aus wie der andere. Selbst eineiige Zwillinge unterscheiden sich voneinander. Jeder sieht anders aus als die oder der andere. Damit ist das Aussehen aber nichts wirklich Besonderes, es macht uns nicht einzigartig.
Dass man geliebt wird, macht einen Menschen einzigartig. Unter all den Menschen auf dieser Welt hat sich jemand ausgerechnet in mich verliebt, findet jemand ausgerechnet mich schön und besonders und liebenswert. Das macht mich wirklich einzigartig! Doch wir müssen im Leben leider auch die Erfahrung machen, dass eine Liebe endet oder abhanden kommt. Was wird dann aus meiner Einzigartigkeit? Und wie ist es mit denen, die noch keine Liebe gefunden, oder die einen geliebten Menschen verloren haben? Sind sie nicht auch jemand Besonderes? Die Liebe macht uns einzigartig. Aber sie ist nicht der Grund dafür, dass jede*r ein besonderer Mensch ist.
Paulus schreibt: „Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.” Unsere Gaben machen uns einzigartig. Eine kann wunderbar malen, ein anderer hat eine schöne Singstimme, eine dritte spielt ein Instrument … Wenn man’s recht bedenkt, besitzen auch andere solche Gaben. Wie leicht findet sich jemand, die besser malt, schöner singt oder ihr Instrument besser beherrscht als ich. Ich wüsste von keiner Gabe, die wirklich einzigartig ist. Ich kann nichts, was nicht auch andere tun. Nur Genies und außerordentliche Talente können tun, was niemand anderes kann. Wenn das so ist, wäre nicht jede*r einzigartig, sondern nur sehr, sehr wenige.
Paulus meint jedoch mit den „Gaben” nicht das, was wir gemeinhin unter einer „Begabung” verstehen. Gaben sind für Paulus Tätigkeiten, die wir nicht so ohne weiteres als „Gabe” bezeichnen würden, wie die Fähigkeit zu predigen, die Arbeit in einer diakonischen Einrichtung, die Betreuung von Kindern oder der Konfirmandenunterricht, Seelsorge, Gemeindeleitung, Küsterdienst, Krankenpflege … Alles Dinge, die sich in einer Gemeinde finden, die für eine Gemeinde wichtig und unentbehrlich sind. Sehr gewöhnliche, alltägliche Fähigkeiten, die weit verbreitet sind. Jede*r von uns könnte etwas davon tun, tut es, oder hat es schon einmal getan. Wie können wir durch sie zu besonderen, einzigartigen Menschen werden?
Die Antwort liegt darin, was diese Gaben miteinander verbindet: Es ist die Verkündigung. Bei Predigt oder Unterricht leuchtet das sofort ein. Aber sind Krankenpflege oder Küsterdienst Verkündigung? Wir verkündigen, erzählen von Gott nicht nur mit Worten. Im Grunde machen Worte den geringsten Teil unserer Verkündigung aus. Wer Gott ist, was Gott uns bedeutet, davon erzählen wir mit unserem Leben. Gottes Liebesbotschaft, wie die Jahreslosung „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist” (Lukas 6,36), die erfahren Menschen nicht so sehr durch Worte, sondern durch die Art, wie wir ihnen begegnen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten. Und genau das macht jede*r auf ihre und seine ganz eigene und unverwechselbare Weise. Darum muss man die Liste des Paulus auch noch verlängern: Das Musizieren zum Beispiel ist nicht nur eine Begabung, sondern auch eine Gabe der Verkündigung, die ohne Worte die Herzen erreicht. Gott hat jede und jeden von uns mit einer Gabe beschenkt. Einer Gabe, die nicht für uns selbst bestimmt ist, sondern dafür, anderen damit von Gott zu erzählen. Wie wir aus dieser Gabe Gottes leben, und wie wir Gottes Gabe an andere weitergeben: Das macht uns einzigartig, besonders und unverwechselbar.