Gedanken zum 2.Sonntag nach dem Christfest, 3.1.2021, über Lukas 2,41-52
Jesus sprach zu seinen Eltern: Warum habt ihr mich gesucht?
Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?
In einer Kirche fühle ich mich zuhause. Und das nicht, weil ich Pastor bin. Schon als Kind habe ich mich im Kirchengebäude wohl gefühlt, war die Kirche eine Seelenheimat für mich. Und ich habe von vielen Menschen gehört, denen es ähnlich geht. Menschen, die am Urlaubsort gern eine Kirche aufsuchen. Menschen, die nicht an einer Kirchentür vorbeigehen können, ohne zu prüfen, ob sie vielleicht offen ist. Menschen, für die eine Kirche ins Dorf und ins Zentrum der Stadt gehört, die sich ihren Heimatort nicht ohne Kirche vorstellen können und wollen.
Die Kirche ist das „Haus Gottes“, sagt man. Und wenn wir auch wissen, dass Gott nicht in einer Kirche wohnt, so fühlt man sich doch Gott dort ganz besonders nahe. Nicht, weil die Kirche „heilig“ ist. Die Kirche ist dieser besondere Ort, weil ihn über Generationen hinweg Menschen aufgesucht haben, um dort Gott zu begegnen und Gottesdienst zu feiern. An dem die Gebete und Lieder nachhallen, die Generationen vor uns darin gesungen und gesprochen haben. Und sie ist es, weil sie von unseren Vorfahren genau dafür gebaut wurde. Sie ist, wie eine Geige oder ein Klavier, ein Instrument für den Glauben, das wir zum Klingen bringen, wenn wir darin Gottesdienst feiern.
Jesus hat uns gezeigt, dass wir Gott „Vater“ nennen können, weil wir Gottes Kinder sind. Wir haben leibliche Eltern, und auch Gott ist für uns Vater und Mutter. Das Haus Gottes ist wie ein Elternhaus für uns. Für uns Kinder Gottes ist die Kirche ein zweites Zuhause. Sie ist unsere Seelenheimat. Ein Ort, an dem wir jederzeit willkommen sind. Ein Ort, der uns so selbstverständlich offen und zur Verfügung steht wie unser Elternhaus. Auch wenn wir in der Kirche kein eigenes Zimmer, nicht einmal einen eigenen Platz haben. Denn die Kirche bietet allen Menschen Platz, grenzt niemanden aus. Darum mag es vielleicht Stammplätze geben, aber niemand kann einen Platz für sich allein beanspruchen.
Man kann Gott auch anderswo begegnen als in der Kirche. Wo zwei oder drei in Jesu Namen zusammenkommen, da ist Gottesdienst - ob in einem Wohnzimmer, in einer Scheune oder unter freiem Himmel. Aber die Kirche ist der Ort, der eigens dafür geschaffen wurde, öffentliche, das heißt: für alle zugängliche Gottesdienste zu feiern.
Zur Zeit können wir in der Kirche nicht so zusammenkommen, wie wir es gewohnt sind. Und, so schmerzhaft es auch ist: Es zeigt uns, dass uns die Begegnung mit Gott wichtig ist, und wie sehr wir die Gemeinde vermissen und diesen Ort, der unsere Seelenheimat ist.
Für uns Christinnen und Christen ist die Kirche im Ort die Mitte, die uns immer bewusst ist. Wir sehen sie. Wir wissen, wo sie steht. Die Kirche richtet uns auf Gott aus, einfach, weil sie da ist. Vielen Menschen ist das Kirchengebäude auf diese Weise gegenwärtig - Menschen, denen wir sonntags im Gottesdienst begegnen. Darum sind wir mit ihnen verbunden, auch wenn wir sie an diesem Sonntag nicht treffen können. Wie die Speichen sich in der Nabe treffen, so laufen unsere Gedanken am Ort der Kirche zusammen, und so sind wir in Gedanken, und vielleicht auch im Gebet, untereinander und mit Gott verbunden, auch wenn wir uns im Moment nicht begegnen können.
Ihr
Pastor Güntzel Schmidt