Gedanken zum Predigttext für den 2. Sonntag nach Epiphanias, 17.1.2021, Johannes 2,1-11
„Als der Wein ausging, spricht Maria, seine Mutter, zu Jesus: Sie haben keinen Wein mehr.”
Ein typischer Mutter-Satz, der das Offensichtliche feststellt und damit, ohne es auszusprechen, einen Auftrag verbindet. Eine Mutter sagt nicht: Bring doch bitte mal den Müll raus! Sie sagt: Der Mülleimer quillt schon wieder über. Sie sagt nicht: Räum bitte dein Zimmer auf!, sondern: Hier sieht's aus wie in einem Schweinestall. Oder sie sagt eben: Sie haben keinen Wein mehr, meint aber: Kümmere dich um den Wein.
Warum machen Mütter so etwas? Warum können sie nicht gerade heraus sagen, was sie von einem wollen? Wenn ich eine Vermutung anstellen sollte, würde ich sagen: Sie tun es, damit wir lernen, Verantwortung zu übernehmen. Das können Mütter nämlich von Natur aus, spätestens mit der Geburt ihres Kindes. Als würde ein Schalter umgelegt, übernehmen sie Verantwortung für dieses Menschenkind und fühlen sich auch dann noch verantwortlich, wenn aus dem Kind eine Frau oder ein Mann geworden ist. Zu diesem Verantwortungsgefühl gehört, zu sehen, was getan werden muss, und das Nötige zu tun.
Es kann Mütter zur Verzweiflung treiben, dass ihre Töchter und Söhne nicht sehen, wie schmutzig der Fußboden und wie voll die Spülmaschine ist, dass die Wäsche zusammengelegt oder das Waschbecken geputzt werden muss. Weil wir Töchter und Söhne es nicht von selbst bemerken, bringen unsere Mütter uns bei, hinzusehen, indem sie uns auf das Offensichtliche hinweisen: Die Milch ist alle. Der Papierkorb ist voll. Oder: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus reagiert auf diesen Hinweis seiner Mutter wie alle Söhne und Töchter, die genau wissen, was ihre Mutter meint und vor allem, wen sie meint: Er wird patzig. Aber er tut, worum ihn seine Mutter bittet: Er übernimmt die Verantwortung dafür, dass die Hochzeitsfeier weitergehen kann. Und schießt dabei sogar über das Ziel hinaus: Der Wein, den er beschafft, ist viel besser.
Das Übernehmen von Verantwortung wird sein Markenzeichen werden. Er übernimmt Verantwortung für Kranke, indem er sie heilt, und für Menschen am Rand der Gesellschaft, indem er sich ihnen zuwendet. Bei seiner Verhaftung sorgt er dafür, dass seinen Jüngern nichts geschieht: „Sucht ihr mich, so lasst diese gehen”, sagt er (Johannes 18,8). und mit seinem Tod am Kreuz übernimmt er die Verantwortung für uns alle. Er nimmt unser Versagen, unser Nichtstun, unsere Schuld auf sich, damit sie uns und unser Verhältnis zu anderen nicht mehr belasten. Wir werden frei von Schuld. Wir werden von Jesus davon befreit, ständig um uns selbst zu kreisen, weil wir uns Sorgen machen um unser Ansehen, unser Auskommen, unseren Ruf. Jesus übernimmt für uns die Verantwortung. Wie es unsere Mütter für uns taten, gibt er uns damit ein Fundament, auf dem man stehen und aufbauen kann: So viel Liebe, dass sie ein Leben lang reicht. Und das Zutrauen, dass wir es schaffen können. Verantwortung ist uns zumutbar. So können wir von uns selbst absehen und hinsehen. Sehen, was getan werden muss, und das Nötige tun. Verantwortung übernehmen. Verantwortung für die Menschen, die wir lieben. Verantwortung für Menschen, die oft und gern übersehen werden. Verantwortung für das Wohlergehen dieser Erde und derer, die darauf leben.