Samstag, 10. April 2021

Ein Picknick am Strand

Predigt für den Sonntag Quasimodogeniti, 11. April 2021, über Johannes 21,1-14

Wie wird man satt? Eine Frage, die wir uns - Gott sei Dank! - nicht stellen müssen. Für manche, die den Zweiten Weltkrieg miterlebten - vor allem für die, die geflohen oder aus ihrer Heimat vertrieben worden sind - war es während der Flucht und in den ersten Jahren nach dem Krieg eine sehr bedrängende Frage.
Wie wird man satt? Diese Frage wird heute noch gestellt. In vielen Teilen der Welt ist sie die drängendste Frage überhaupt. Auch wenn wir uns diese Frage nicht stellen müssen: Wir sind auch hungrig. Wenn der Hunger nach Brot gestillt ist, wenn die grundlegenden Bedürfnisse nach Wärme, Obdach, Sicherheit und Lebensunterhalt erfüllt sind, spürt man den anderen, den Lebenshunger. Er zeigt sich auf unterschiedliche Weise, als Hunger nach Anerkennung, nach Erfolg, nach Respekt, nach Liebe, nach Nähe, nach einem Sinn im Leben. Und er schmerzt ebenso wie der Hunger nach Brot, nur ist er viel schwerer zu stillen.

Jesus, der Auferstandene, dem seine Jünger am See Genezaret begegnen, hat Hunger: „Ihr habt nicht zufällig etwas zu essen?”, fragt er sie. Die Jünger, die ihn nicht erkennen, verneinen. Darum schickt sie Jesus zum Fischen hinaus, und als sie einen wunderbaren Fang tun, wird ihnen bewusst, wer sie da zum Fischen geschickt hat. Mit dem zum Bersten vollen Netz kommen sie zum Strand - und finden ein Feuer vor, auf dem Fische brutzeln und Brot röstet. Jesus war also gar nicht hungrig. Es war nur ein Test, wie bei der Speisung der 5.000, als Jesus seine Jünger fragte: „Wo kaufen wir Brot, damit diese zu Essen haben?” (Johannes 6,5). Und wie damals, geht es auch hier, am Strand, um das Wunder, dass der Lebenshunger gestillt wird.

Der Hunger nach Brot ist schnell gestillt, wenn es nur gelingt, Brot zu beschaffen. Wie man den Lebenshunger stillt - den Hunger nach Liebe, nach Respekt, nach Sinn - kann einem niemand sagen. „Verschaff dir Respekt!”, „Verliebe dich!”, „Such dir eine Aufgabe!” sind Ratschläge, die man dann hören kann. Aber sie helfen nicht. Wie soll man sich verlieben, wenn man nicht die* Richtige* findet oder sich selbst nicht lieben kann? Wie soll man Respekt erfahren, wenn man sich selbst für wertlos hält, oder wenn andere eine* wegen einer Äußerlichkeit wie der Hautfarbe oder der Herkunft ablehnen? Manche Menschen greifen beim Versuch, den Lebenshunger zu stillen, zu verzweifelten Mitteln - zu Alkohol oder Drogen, zu Gewalt gegen sich selbst oder andere. Aber damit stillen sie den Lebenshunger nicht, sie betäuben ihn nur.

Jesus macht einen Test mit seinen Jüngern, um ihnen zu zeigen, worin zukünftig ihre Aufgabe besteht, wenn er nicht mehr da ist: Sie sollen Menschen satt machen. Darum gibt er ihnen erst einmal zu essen, bei einem Picknick am Strand. Der Lebenshunger, der so schwer zu stillen ist: Jesus kann ihn stillen. Er stillt ihn mit seinem Wort, mit dem Brot des Lebens und mit seiner Gegenwart. Aber wie sollen die Jünger den Lebenshunger stillen? Indem sie das Wort weitersagen. Indem sie das Brot des Lebens austeilen. Und indem sie einen Raum schaffen, in dem man Jesus begegnen kann. Dieser Raum ist die Gemeinde. In der Gemeinde erlebt man, wenn es gut geht, dass man willkommen und angenommen ist. In der Gemeinde kann man, wenn es gut geht, erfahren, dass man gebraucht wird; dass man Gaben besitzt und diese auch einsetzen darf. Aber selbst, wenn es nicht gut geht - weil wir alle nur Menschen sind, und weil es in der christlichen Gemeinde nicht weniger „menschelt” als überall sonst auch - begegnet uns doch Jesus, wenn zwei oder drei sich in seinem Namen versammeln. Diese Begegnung ist sozusagen der erste Bissen, der den Lebenshunger stillen kann - wie damals, beim Strandpicknick am See Genezaret.