Predigt am Ostersonntag, 4. April 2021, über Markus 16,8
Zum zweiten Mal ist das Osterfest still und verhalten. Keine fröhlichen Osterlieder, die den Tod auslachen: „Halleluja-ha-ha”, sondern nur die Musik der Orgel - aber immerhin die Musik der Orgel, und keine erdrückende Stille!
Zu Hause kein voll besetzter Esstisch, kein Treffen der Familie, kein Besuch von Verwandten oder Freunden, nur Telefonate mit Kindern, Patenkindern oder Enkeln, die man schon viel zu lange nicht mehr gesehen hat.
Auch das allererste Ostern war kein Freudenfest. Furcht herrschte da, statt Freude über die Botschaft der Auferstehung. „Die Frauen sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich”. Wenn es dabei geblieben wäre, würden wir heute kein Ostern feiern.
Irgendwann fassten sich die Frauen, die am leeren Grab gewesen waren, ein Herz und erzählten die unglaubliche Nachricht weiter: Christus ist auferstanden!
Für die, die es miterlebt hatten, die Christus am Kreuz hatten sterben sehen, eine tatsächlich unglaubliche Botschaft. „Jesus ist tot, wie sollte er noch fliehn?“ Auch deshalb war die Botschaft seiner Auferstehung so unglaublich, weil seine Jünger*innen nicht darauf eingestellt waren. Das hatten sie nicht erwartet. Sie hatten zwar erkannt, dass Jesus der damals schon lange ersehnte Messias war. Sie sahen, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen war, weil Blinde sehen, Lahme wieder gehen konnten und Armen das Evangelium verkündigt wurde. Doch der Tod Jesu am Kreuz stellte all das infrage. Also war er doch nicht der Messias, also war das Reich Gottes doch noch nicht gekommen. Mit dieser Enttäuschung hatten die Jünger*innen am Ostermorgen zu kämpfen, zusammen mit ihrer Trauer über den Tod des Freundes, Lehrers und Vorbildes.
Wir kennen solche Trauer, solche Enttäuschung. Wir erleben sie in diesen Tagen, wo die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie unser gewohntes Leben zum Stillstand gebracht haben.Wir befinden uns in einem Zustand, der der Grabesruhe gleicht: Noch ist nicht zu sehen, wann es wieder so werden wird wie früher. Für uns ist eigentlich noch gar nicht Ostern.
Als es für die Jünger*innen Ostern wurde, ging es für sie nicht so weiter wie zuvor. Damit es für sie Ostern werden konnte, mussten sie erst einmal erkennen, dass sich etwas, und was sich geändert hatte. Sie mussten im auferstandenen Christus den Jesus, den sie kannten, überhaupt erst wiedererkennen. Sie mussten erkennen, dass er trotzdem der Messias war, obwohl er den Menschen in die Hände gefallen und von ihnen ans Kreuz geschlagen worden war.
Ja, dass ihn das erst zum Messias, zum Christus, machte, dass er seinen Mund nicht auftat, sich nicht wehrte, sondern litt wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird. Sie mussten erst erkennen, dass dadurch tatsächlich das Reich Gottes angebrochen war, dass einer alles auf sich nahm, was uns von Gott trennt, damit wir Frieden mit Gott hätten und durch seine Wunden geheilt sind.
Es dauerte, bis die Frauen das erkannten und es den Jüngern erklären konnten. Und es dauerte, bis die Jünger es verstanden hatten und zu Pfingsten die Gute Nachricht aller Welt mitteilten.
Auch für uns wird es heute vielleicht noch nicht Ostern werden. Es wird dauern, bis unsere Illusionen über das Leben, die durch die Pandemie zerstört wurden, wirklich verflogen sind. Bis aus Resignation und Ernüchterung neuer Lebensmut, neue Hoffnung werden. Helfen kann uns dabei die Erkenntnis, dass Jesus so ganz anders war, als seine Jünger*innen dachten. dass er ganz anders ist, als auch wir denken, weil er uns in Hoffnungslosigkeit, in Ohnmacht und Resignation und sogar mitten im Tod mit dem Leben überrascht.