Samstag, 12. Juni 2021

Gemeinde bauen

Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis, 13.6.2021, über 1.Korinther 14,1-12

Strebt nach der Liebe! Bemüht euch auch um das Geistliche; viel lieber aber wäre es mir, ihr würdet verkündigen. Denn wer in fremder Sprache redet, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott. Es versteht ihn ja niemand. Für den Geist spricht er Geheimnisse aus. Wer verkündigt, spricht Menschen Erbauung, Zuspruch und Trost zu. Wer in fremder Sprache redet, erbaut sich selbst. Wer verkündigt, erbaut die Gemeinde. Ich wünschte mir, ihr würdet alle in fremden Sprachen reden, mehr aber, ihr würdet verkündigen. Größer ist, wer verkündigt, als wer in fremden Sprachen spricht - es sei denn, es werde übersetzt, damit die Gemeinde Erbauung empfängt.

Gesetzt den Fall, liebe Geschwister, ich käme zu euch und spräche in fremden Sprachen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch spreche durch Offenbarung, Erkenntnis, Verkündigung und Lehre?
Genauso ist es mit den Dingen, die eine Stimme haben, sei es eine Flöte oder eine Zither: Wenn es bei ihrem Klang keinen Unterschied gibt, wie soll man das Flötenspiel oder Zitherspiel auseinander halten? Und wenn die Posaune ein undeutliches Signal gibt, wer machte sich dann kampfbereit?
So auch ihr, wenn ihr wegen der Fremdsprache kein deutliches Wort übermittelt, wie soll man das Gesprochene verstehen? Ihr redet es in den Wind.
Es gibt doch so viele Arten von Sprachen in der Welt, und nichts ist Sprach-los. Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, bin ich für den, der spricht, unverständlich, und der Sprecher ist es für mich. So sollt auch ihr, da ihr euch ja um Geister bemüht, nach der Erbauung der Gemeinde  trachten, damit ihr reich seid.


Liebe Gemeinde,

vor drei Wochen war Pfingsten. Da haben wir die Geschichte vom Pfingstwunder gehört, das zur Folge hatte, dass die Jünger plötzlich Fremdsprachen beherrschten. Sie, einfache Leute aus Galiläa, die nur aramäisch konnten, sprachen plötzlich Lateinisch, Griechisch, Arabisch, Persisch, und was es damals sonst an Sprachen und Dialekten gab. Die Beherrschung einer Fremdsprache - damals galt sie als Gabe des Heiligen Geistes.
Was zu Pfingsten für Klarheit und Verständigung sorgt und der Weitergabe der guten Nachricht von  Jesus dient, würde an einem normalen Sonntag, in der Gemeinde vor Ort, zu Verwirrung und Unverständnis führen.
If, for example, I suddenly talked to you in English, some of you might understand what I am saying. Others would probably recognize the language, but would be unable to understand what I am talking about.
Wenn ich z.B. plötzlich auf Englisch zu ihnen sprechen würde, könnten einige mich verstehen. Andere würden wohl merken, dass ich Englisch spreche, wüssten aber nicht, was ich gerade gesagt habe.
So ähnlich wird es damals in Korinth gewesen sein. Manche beherrschten eine Fremdsprache, sangen Lieder, sprachen Gebete in dieser Sprache, die nur wenige verstanden, wenn ihnen nicht jemand übersetzte, was das Gesagte bedeutete. Diese Fremdsprachenkenntnis wurde trotzdem bewundert, denn die Kenntnis einer Fremdsprache galt als Gabe des Hl. Geistes. Wer eine Fremdsprache konnte, musste also besonders begabt sein. Und es tut ja auch gut, wenn man für etwas bewundert wird. Manche*r bekommt davon gar nicht genug. Aber die Gemeinde hat nichts davon. Wenn ich den ganzen Gottesdienst auf Englisch hielte, würden Sie sich das aus Höflichkeit einmal gefallen lassen. Aber wenn ich das jeden Sonntag tun würde, würden Sie nicht mehr kommen - zu recht. Sie hätten nichts davon, mir zuzuhören, ohne etwas zu verstehen.

Deshalb zieht Paulus die Verkündigung der Fremdsprachenkenntnis vor, weil sie die Gemeinde erbaut. Die Gemeinde wird nicht dadurch erbaut, dass eine* zeigt, wie toll sie* ist, was sie Besonderes kann. Sondern dass einer* im Gottesdienst ein Licht aufgeht, dass man etwas verstanden hat, dass man Gottes Wort hört oder etwas Neues lernt. Das man etwas mitnimmt, das einer* zu denken gibt, und dass man Trost und Zuspruch erfährt. Das nennt Paulus „Erbauung” der Gemeinde. Bei dieser Erbauung kommt es aber nicht nur darauf an, dass ich aus dem Gottesdienst etwas für mich mitnehme. Das wäre wieder nur die Selbst-Erbauung, die Selbst-Bestätigung, die der Selbstdarsteller sucht.
Paulus unterscheidet zwischen der Kenntnis der Fremdsprachen, die nur die* erbauen, die* sie spechen, und der Verkündigung, die die Gemeinde erbaut. Mit dieser Unterscheidung will Paulus erreichen, dass wir uns nicht nur fragen: Was habe ich davon? Sondern dass wir lernen, die Gemeinde in den Mittelpunkt zu stellen.
Wenn wir zum Gottesdienst zusammenkommen, verkündigt nicht nur der Pastor, der seine Predigt hält. Sie alle verkündigen durch die Art, wie Sie Ihre Banknachbarin, Ihren Banknachbarn ansehen. Wie Sie andere beim Eingang begrüßen, beim Ausgang verabschieden. Ob sich eine* Fremde* eingeladen fühlt. Ob jemand, die* traurig ist, Zuspruch erfährt. Ob jemand, die* stolz oder fröhlich ist,  ihre* Freude mit uns teilen kann. Da kommt es auf jede und jeden Einzelnen von uns an. Es kommt darauf an, dass wir den Gottesdienst nicht nur als eine Stunde persönlicher Erbauung oder Unterhaltung erleben, sondern auch als ein gemeinsames Bauen der Gemeinde.

Eine Gemeinde bauen ist Arbeit, richtige Arbeit. Gottesdienst als Bauen an der Gemeinde ist keine Unterhaltungssendung, bei der man sich so schön entspannen und geistlich berieseln lassen kann. Alle sind dabei gefordert, alle sind einbezogen, auf sich und auf einander zu achten.
Der Lohn der Mühe ist eine Gemeinde, die jede und jedem eine Heimat bietet. In einer solchen Gemeinde lädt man seinen geistlichen Akku allein dadurch auf, dass man ein Teil von ihr ist. In einer solchen Gemeinde weht und begeistert, trägt und tröstet Gottes Geist auch ohne begnadeten Prediger, auch ohne mitreißende Predigt.
Eine solche Gemeinde sind Sie! All das, was ich aufgezählt habe, kann man bei Ihnen entdecken. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Freude am Bau der Gemeinde behalten, und dass Menschen sich anstecken lassen, Teil dieses Baus zu werden und daran mitzubauen.