Samstag, 3. Juli 2021

eine Schachtel Pralinen

Predigt am 4. Sonntag nach Trinitatis, 27. Juni 2021, über Genesis 50,15-21

Liebe Schwestern und Brüder,

im Film „Forrest Gump” heißt es:
„Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel - man weiß nie, was man bekommt.”
Selten mag man alle Parlinensorten. Wenn man blind in die Schachtel greift, erwischt man auch schon mal eine, die man nicht mag. Manche haben sogar das Gefühl, sie würden immer nur die Pralinen abbekommen, die keiner haben will. Aber das Schöne an diesem Bild von der Pralinenschachtel ist doch, dass es immer Pralinen sind.

Kann man das so von seinem Leben sagen, dass man immer Pralinen gezogen hat - auch wenn manchmal welche dabei waren, die man nicht mochte?
Will man allen Ernstes einen Unfall als „Praline” bezeichnen, das Zerbrechen einer Partnerschaft, den Verlust eines lieben Menschen, eine schwere Erkrankung?

Die Josefsgeschichte jedenfalls tut es, wenn auch mit anderen Worten:
„Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.”
Das Böse, um das es dabei geht, ist der Neid der Brüder auf Josef, weil er Papis Liebling ist. Ein Neid, der schließlich in blanken Hass umschlägt. Ein Hass, so groß, dass die Brüder Josef ermorden wollen. Dem Ältesten von ihnen gelingt es, die Josef zugedachte Todesstrafe in Lebenslänglich umzuwandeln, indem er die anderen überredet, Josef als Sklaven nach Ägypten zu verkaufen. Dem Vater machen die Brüder weis, Josef sei von einem wilden Tier gerissen worden.

In Ägypten wird Josef weiter vom Pech verfolgt. Er wird verleumdet und landet im Gefängnis. Erst dort werden seine erstaunlichen Fähigkeiten entdeckt, die ihn schließlich an die Spitze des ägyptischen Staates befördern. In dieser Position kann er seiner Familie helfen, als eine Hungersnot ausbricht, und sie schließlich sogar zu sich nach Ägypten holen. Im Rückblick deutet Josef sein Schicksal als Gottes Plan:
„Gott gedachte es gut zu machen, um am Leben zu erhalten ein großes Volk.”

Josef versteht seinen leidvollen Weg als Teil eines größeren göttlichen Planes. Dadurch kann er sein Leiden als sinnvoll annehmen und seinen Brüdern vergeben. Aus dem Schicksalsschlag, der sein Leben völlig veränderte, wird eine Praline. Eine von denen, die man erwischt, wenn man nicht aufpasst, oder wenn alle guten schon weg sind. Aber eine Praline.

Könnten wir das auch, aus leidvollen und schweren Phasen unseres Lebens Pralinen werden lassen? Oder ist das nur Josef vorbehalten, weil er es zu etwas Außergewöhnlichem und Großem gebracht hat und mit seiner Familie ein ganzes Volk am Leben erhält: das künftige Volk Israel?

„Gott gedachte es gut zu machen.”
Die schwierigste Frage, die es für den Glauben gibt, ist wohl die, ob Gott unser Leben lenkt, und wenn ja, wie? Denn wenn Gott unser Leben lenkt, woher kommen dann das Leid und das Böse? Ist Gott böse, wenn er uns leiden lässt? Das Hiobbuch antwortet: Nein. Gott ist nicht böse. Gott steht über Gut und Böse. Der Mensch kann das nur nicht verstehen. - Aber warum hat Gott uns dann den Verstand gegeben, die Fähigkeit, zu fragen und zu hinter-fragen, wenn wir Gott doch nicht verstehen können? Sie merken: Man kommt von einer Frage zur nächsten. Trotzdem scheint mir die Josefsgeschichte eine Antwort zu geben. Sie liegt in dem Satz:
„Gott gedachte es gut zu machen.”

Die Voraussetzung für alles Nachdenken, woher das Böse und das Leid in der Welt kommen, ist dieser Satz: Dass Gott es gut machen will. Gott meint es gut mit uns. Wenn das die Voraussetzung ist, dann können das Leid und das Böse nicht von Gott kommen. Weder als Strafe für etwas Böses, das wir taten. Noch als Lehre, dass wir unser Leben ändern müssen. Noch als Geheimnis, das wir eines Tages verstehen werden. Wer einen Menschen liebt, tut ihm nichts Böses. Wer Gutes für einen Menschen will, tut ihr oder ihm nicht weh. Gott würde uns niemals weh tun.

Woher aber kommen dann das Leid und das Böse? Sie gehören zum Leben dazu. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht, dass Krankheit, Sterben und Tod ein Teil des Lebens sind. Unfälle, Naturkatastrophen passieren, weil die Natur so funktioniert. Das bedeutet nicht, dass sie nicht schrecklich sind. Aber es steht kein böser Wille dahinter. Es steht überhaupt kein Wille dahinter, sondern die Naturgesetze, biologische und physikalische Abläufe, die zu unserem Leben gehören und es ausmachen. Wenn wir Leid erfahren, dann ist das meist mehr oder weniger Zufall - mehr oder weniger, weil unser Verhalten und das unserer Mitmenschen manchmal doch eine Rolle spielen.

Aber wie ist es mit dem Leid, das Menschen uns zufügen? Das ist kein Zufall. Dahinter steht ein Wille, ein böser Wille. Ja, es gibt einen bösen Willen. Menschen können unglaublich freundlich, liebevoll und hilfsbereit sein. Und Menschen können unglaublich grausam, gemein und böse sein - manchmal von einem Augenblick zum nächsten.
„Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen”,
stellt Josef fest. Josef erfährt am eigenen Leib die Gemeinheit seiner Brüder, die aus dem Neid entsteht. Er hätte allen Grund und alles Recht, ihnen ihre Gemeinheit heimzuzahlen. Aber er fährt fort:
„Aber Gott gedachte es gut zu machen.”
Der menschlichen Gemeinheit und Bosheit setzt Gott das Gute entgegen. Das Gute, das er in uns weckt. Das Gute, das sich nicht mit Gewalt durchsetzt, sondern durch die Liebe. Das darum mit Füßen getreten, verächtlich gemacht, verhindert werden kann. Aber weil Gott das Gute gibt, müssen wir nicht beim Bösen stehen bleiben, das Menschen uns antaten. Mit dem Guten zeigt Gott uns einen Ausweg, eine andere Möglichkeit zu sein.

Gott will Gutes für uns, zu jeder Zeit und unter allen Umständen. Dieses Wissen hilft uns, selbst im Bösen und im Leid noch Möglichkeiten und Auswege zu entdecken.

Gott gedenkt, es gut mit uns zu machen. Wer das annehmen kann, für die oder für den kann das Leben eine Schachtel Pralinen werden. Und man bleibt gespannt, welche man als nächstes bekommt.