Samstag, 27. November 2021

Ein Fest der Gerechtigkeit

Predigt am 1.Advent, 28. November 2021, über Jeremia 23,5-8:

Kreuzdarstellung mit Maria auf der linken und Johannes auf der rechten Seite.


Siehe, es kommt der Tag, spricht der Herr,

da will ich David einen gerechten Nachkommen beschaffen.

Als verständiger König wird er herrschen,

Recht und Gerechtigkeit im Lande üben.

In seinen Tagen wird Juda Hilfe empfangen

und Israel in Sicherheit wohnen.

Und das ist sein Name, mit dem man ihn nennt:

„Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.”


Denn siehe, es kommt der Tag, spricht der Herr,

dass man nicht mehr sagen wird:

„So wahr der Herr lebt,

der die Kinder Israel aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat”,

sondern:

„So wahr der Herr lebt,

der heraufführte und brachte die Nachkommen des Hauses Israel

aus dem Land im Norden und aus allen Ländern,

in die sie verstoßen wurden.”

Und sie werden in ihr Land zurückkehren.


Liebe Schwestern und Brüder,


wir feiern Advent und freuen uns auf eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit. Dafür haben wir den Herrnhuter Stern vom Dachboden geholt, einen Adventskranz gebunden oder gekauft, Plätzchen gebacken. Adventliche Musik erklingt, Kerzen brennen, ein Duft nach Zimt, nach Tee oder Kaffee zieht durchs Haus.


Doch die adventliche Stimmung hat es dieses Jahr schwer, sich gegen die beunruhigenden Corona-Meldungen und die harten Corona-Maßnahmen durchzusetzen. Eine neue Virus-Variante ist auf dem Vormarsch, womöglich weitaus ansteckender als die ohnehin schon sehr ansteckende Delta-Variante. Tag für Tag brechen die Zahlen der Infizierten und des Inzidenzwertes neue, traurige Rekorde.


Trotz Corona sind auch in diesen Tagen Menschen auf der Flucht vor Krieg oder Unterdrückung, vor Hunger und Armut, oder werden aus ihrem Land, von Haus und Hof vertrieben.


So erging es schon Jeremias Zeitgenossen: Viele von ihnen wurden aus ihrer Heimat Israel nach Babylonien im heutigen Irak verschleppt. Sie waren damals in einer ähnlichen Situation wie die Flüchtlinge heute. Ein bisschen geht es uns auch so. Wir haben zwar keinen Grund zum Klagen, weil wir gut versorgt sind und alles haben, was man zu einem guten Leben braucht. Aber wir schränken uns nun schon das zweite Jahr in Folge ein, reduzieren unsere Kontake und wissen nicht, ob und wir wir Weihnachten werden feiern können.


Den ins Exil Verschleppten macht Jeremia Hoffnung auf einen neuen, gerechten Herrscher. Auch wir haben eine neue Regierung gewählt; gerade hat sie sich zur „Ampel” zusammengerauft. Eine neue Regierung weckt Hoffnung. Beim amerikanischen Präsidenten Barack Obama war das so. Bei den Parlamentswahlen in Russland, in der Ukraine und in vielen anderen Ländern, in denen autoritäre Machthaber regieren, gab es eine kleine Hoffnung auf Veränderung. Aber die Hoffnung wurde jedes Mal enttäuscht. Keine und keiner der Regierenden konnte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.


Wie sollte das auch möglich sein? Sie sind alle Menschen, und Menschen haben Grenzen, machen Fehler, irren sich. Wollen wiedergewählt werden, müssen Rücksicht auf ihre Partei nehmen, oder auf die Interessen wichtiger Persönlichkeiten. Müssen eine Familie ernähren und ihre Karriere planen. Da geraten Recht und Gerechtigkeit manchmal ins Hintertreffen.


Der Herrscher, den Jeremia verspricht, ist anders. Nicht, weil er ein Übermensch wäre. Ein Superheld, der keine menschlichen Schwächen und Grenzen kennt. Sondern weil er Gott machen lässt.


In der Prophezeiung Jeremias fällt auf, dass alles von Gott ausgeht: Gott sorgt für einen gerechten Herrscher, der Gottes Gerechtigkeit sogar im Namen trägt, und nicht im Namen seiner eigenen Gerechtigkeit oder seiner eigenen Rechtsauffassung handelt. Gott selbst bringt sein Volk aus der Verbannung zurück.


Weil der gerechte Herrscher Gott machen lässt, kann er wirklich gerecht sein. Er muss keine Rücksichten nehmen, weder auf Parteifreunde, noch auf einflussreiche Persönlichkeiten. Er verdankt sein Amt nicht ihnen, sondern Gott. Und er ist nicht auf ihr Wohlwollen, ihre Unterstützung angewiesen,

weil Gott ihn hält und weil Gott dafür sorgt, dass Recht und Gerechtigkeit sich durchsetzen und seinem Volk geholfen wird.


Menschen warten immer schon auf einen guten, gerechten Herrscher, und immer wieder werden sie enttäuscht. Unsere Erfahrungen mit einem „Führer”, der unser Land in den Untergang führte, der unsere Nachbarn mit Krieg überzog, der Andersgläubige, Andersdenkende, Andersleben- und liebende verfolgen und ermorden ließ, allen voran die Menschen jüdischen Glaubens - unsere Erfahrungen mit diesem „Führer” haben uns misstrauisch werden lassen, dass eine einzelne Person es richten kann. Wir vertrauen auf unser Parlament, auf demokratisch gefällte Entscheidungen.


Aber einen hat es gegeben, der war so, wie ihn Jeremia prophezeite. Der vertraute nicht auf eigene Kraft und Weisheit, sondern auf Gott. Der rechnete, was er tat, nicht dem eigenen Können, der eigenen Leistung zu, sondern verwies jedes Mal auf Gott als dem Geber aller Gaben.


Jesus ist für uns der von Jeremia verheißene gerechte Herrscher. Ein Herrscher, der seine Herrschaft ausübt, indem er Gott machen lässt.


Aber wie soll das gegen das Corona-Virus helfen?


Nun, sicher wird kein Wunder geschehen. Weder wird das Virus von einem Tag auf den andern verschwinden, noch werden die Infizierten von heute auf morgen gesund. Trotzdem würde sich etwas ändern, wenn wir Gott machen lassen könnten. Denn was ist Gottes Anliegen? Das Leben zu schützen und zu bewahren. Wenn wir also achtsam sind, uns und andere schützen durch Mundschutz, Impfung, Abstand und Hygiene, helfen wir Gott, das Leben zu bewahren. Und das ist auch eine Form von Gerechtigkeit.


Es wird auch dieses Jahr kein Advent und wohl auch kein Weihnachten werden wie früher. Aber es könnte immer noch ein Weihnachten werden, das möglichst viele gesund erleben: ein Weihnachten der Gerechtigkeit. Amen.