Samstag, 4. Juni 2022

Das Spiel des Lebens

Predigt am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, über Römer 8,1-11:

Es gibt also keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.

Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus

befreite dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.


Was dem Gesetz unmöglich war

durch die Schwäche der leiblichen Existenz,

[das erfüllte] Gott, indem er seinen eigenen Sohn sandte,

gleichgestaltet der leiblichen Existenz der Sünde,

und indem er durch die Sünde das Urteil an der Sünde

in der leiblichen Existenz vollzog,

damit das Gebot des Gesetzes in uns erfüllt würde,

die wir nicht leiblich existieren, sondern geistlich.

Denn wer leiblich existiert, ist auf Leibliches bedacht,

wer aber geistlich existiert, auf Geistliches.

Denn das Streben der leiblichen Existenz ist der Tod,

das des Geistes Leben und Frieden.

Deshalb ist das Streben der leiblichen Existenz Gott feindlich,

denn sie gehorcht Gottes Gebot nicht;

sie ist dazu gar nicht in der Lage.


Ihr aber existiert nicht leiblich, sondern geistlich,

da euch Gottes Geist einwohnt.

Wer den Geist Christi nicht hat, gehört nicht zu ihm.

Ist Christus in euch, ist der Körper zwar tot wegen der Sünde,

aber der Geist lebt durch die Rechtfertigung.

Wohnt euch der Geist dessen,

der Jesus von den Toten auferweckte, ein,

dann wird der, der Christus von den Toten auferweckte,

auch eure sterblichen Körper lebendig machen

durch den Geist, der in euch wohnt.


Spielende beim Fallschirmspiel, ein Spiel der „New Games”, die gerade eine Kuppel mit dem Fallschirm bilden.

Fallschirmspiel, Foto aus: andrew fluegelman, shoshana tembeck, new games - die neuen spiele



Liebe Schwestern und Brüder,


für Paulus geht es um Leben und Tod.

Mit weniger, scheint es, gibt er sich nicht zufrieden.

Denn für ihn steht viel, steht alles auf dem Spiel:

Unsere Existenz steht auf dem Spiel.

Sie steht auf dem Spiel,

weil wir uns nicht an die Spielregeln halten.

Die Spielregeln, das sind für Paulus nicht

die Naturgesetze, denen wir unterworfen sind,

nicht die biologischen oder sozialen Bedingungen unseres Lebens.


Paulus geht es um die Regeln, die Gott aufgestellt hat.

Die Gebote - das „Gesetz”, wie Paulus es nennt.

Das Gesetz Gottes steht über den Naturgesetzen,

über den biologischen und sozialen Voraussetzungen,

die unser Leben bestimmen.

Denn diese setzen nur den Rahmen,

innerhalb dessen wir uns bewegen.

Sie sind, um im Bild zu bleiben, das Spielbrett,

auf dem wir, die Spielfiguren, unsere Züge machen.

Wir können über die Grenzen dieses Spielbretts,

über die Grenzen unserer Welt,

unseres Körpers, unseres Miteinanders nicht hinaus.

Wir müssen uns auf den Pfaden bewegen,

die die Natur uns vorschreibt.

Sie sind die Felder auf unserem Spielbrett.

Gottes Gesetz aber ist die Spielregel,

die das Spiel erst zum Spiel macht

und die darüber entscheidet,

ob und wie wir dieses Spiel gewinnen oder verlieren.


Warum sollten wir uns dann nicht an die Spielregeln halten?

Wir wollen doch gewinnen!


Paulus sagt: Wir können uns gar nicht daran halten.

Die Bedingungen unserer Existenz -

also die Art, wie das Spielbrett, unsere Welt,

und wie wir, die Spielfiguren, beschaffen sind -

machen es uns unmöglich, die Spielregeln einzuhalten.

Der berühmte, Lukas Podolski zugeschriebene Satz:

„Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel”

beschreibt dieses Dilemma genau:

Wir, die Spielfiguren, und die Welt, unser Spielbrett,

passen nicht zusammen.


Das erkennt man daran,

wie Natur, Umwelt und Mitgeschöpfe

von uns in Mitleidenschaft gezogen werden;

wie sie unter uns leiden,

von uns gestört, zerstört, ausgerottet werden.


Man erkennt es auch am Klimawandel,

der sich immer weiter verschärft,

weil wir darauf warten,

dass andere etwas dagegen unternehmen,

bevor wir selbst tätig werden.


Wir Spielfiguren tragen dieses Spiel des Lebens

auch nicht wie ein Spiel aus.

Ein Spiel, so ernsthaft und engagiert es auch gespielt wird,

macht allen Freude - sonst würde man es nicht spielen.

Ein Spiel kennt Gewinner und Verlierer,

aber es vernichtet den Gegner nicht.

Und die Grundlage eines jeden Spiels ist Fairness:

Alle Mitspieler haben die gleichen Chancen -

und sollen die gleiche Freude am Spiel haben.


Das „wahre Leben” sieht anders aus.

Das Leben ist kein Spiel, sondern ein Kampf,

in der jede:r versucht,

das meiste und beste für sich herauszuholen.

Ein Kampf, der nicht fair

und unter ungleichen Voraussetzungen gekämpft wird.

Ein Kampf, der oft bis zur Vernichtung des Gegners geführt wird

und Schwächere oft genug das Leben kostet.


Es stimmt, was Paulus sagt:

Wir können die Spielregeln, Gottes Gesetz, nicht einhalten.

Das bedeutet:

Wir können das Spiel des Lebens niemals gewinnen,

ja, wir können es nicht einmal spielen.

Daraus folgert Paulus:

Wenn wir allein von uns

und der Beschaffenheit unserer Welt ausgehen,

verfehlen wir unser Leben,

wie es nach Gottes gutem Willen für uns

sein könnte und sein sollte.

Für uns - und für alle anderen Menschen.


Unsere Art zu leben

fördert und verursacht den Tod auf tausendfache Weise.

Und wenn wir auch selbst in Frieden und Wohlstand leben,

lastet doch das Schicksal der anderen,

denen es nicht so gut geht wie uns,

auf unseren Gewissen.

Denn wir wissen ja, wie es nach Gottes Willen sein sollte.

Es ist uns gesagt, was gut ist und was Gott von uns fordert.

Aber genau das können wir nicht tun,

selbst, wenn wir wollen und uns anstrengen -

ein teuflischer Kreislauf.


Darum greift Gott selbst ein.

Gott ändert nicht die Regeln -

die sind ja gut.

Sie machen das Leben erst zu einem Spiel,

das allen Freude und Glück bereiten könnte.

Gott ermöglicht uns vielmehr,

dass wir uns an die Regeln halten können.

Das ist gar nicht so einfach, wie es klingt.

Denn die Spielfiguren - wir -

und das Spielbrett - unsere Welt -

sind ja schon vorhanden.

Und damit auch die Gesetze,

die für uns auf diesem Spielbrett gelten,

die Schwerkraft z.B.

Und auch der Neid, der Geiz, die Gier,

Gedankenlosigkeit, Missgunst oder Herzlosigkeit.

Das kann Gott nicht einfach ändern.

Denn dann müsste Gott neue Spielfiguren schaffen

und ein neues Spielbrett.

Das wäre dann aber nicht mehr unser Spiel -

wir wären ja auch gar nicht mehr da.


Gott kann nur etwas ändern,

indem er sich selbst ins Spiel bringt.

Sein Sohn Jesus Christus wird zu unserem Mitspieler.

Und erleidet, was unzählige Mitspieler

vor und nach ihm erlitten haben.

Aber Jesus lässt sich, um im Bild des Spiels zu bleiben,

nicht rauswerfen.

Er bleibt im Spiel.

Und holt alle die zurück ins Spiel,

die, wie er, unfair behandelt wurden,

denen man übel mitspielte, die man rauswarf.


Jesus bleibt im Spiel und gibt uns seinen Geist.

Daran erinnern wir uns heute, an Pfingsten.

Der Geist Jesu,

das ist der Geist, in dem die Regeln abgefasst wurden.

Der Geist Jesu,

das sind die Regeln in Person.

Wenn der Geist Jesu - Gottes Geist - in uns wohnt,

werden die Spielregeln,

werden Gottes Gebote ein Teil von uns.

Wir haben sie verinnerlicht.


Trotzdem können wir noch mogeln oder schummeln,

trotzdem unfair spielen, sogar andere rauswerfen.

Aber Gottes Geist bringt uns wieder und wieder

zu den Regeln zurück, die Gott aufgestellt hat.

Er erinnert uns daran,

dass das Leben kein Kampf ist jede:r gegen jede:n,

kein Krieg, sondern ein Spiel.

Ein Spiel, das Freude bereiten soll, glücklich machen.

Ein Spiel, das schön ist.

Ein Spiel, in dem alle mitspielen dürfen, mitspielen sollen.


Und wer gewinnt am Ende?

Wenn das Leben das Spiel ist,

das nach Gottes Regeln gespielt wird,

gibt es am Ende weder Gewinner noch Verlierer.

Denn der Reiz des Spiels, das unser Leben ist,

liegt nicht im Gewinnen,

nicht darin, auf der Seite der Stärkeren, der Gewinner zu stehen.

Der Reiz des Spiels -

seine Schönheit, seine Freude, sein Glück -

liegt im Spiel selbst.

Im Miteinander aller Mitspielenden,

die sich einbringen ins Spiel

in ihrer Einzigartigkeit,

mit ihren Eigenheiten und Gaben,

ihren Träumen und Sehnsüchten.


Heute, an Pfingsten, erinnert uns Gott daran,

dass das Leben ein Spiel ist -

auch, wenn es uns oft nicht so erscheinen will.

Gottes Geist begeistert uns für dieses Spiel des Lebens

und ermutigt uns, dass wir uns an die Regeln halten.

Sie sind sehr einfach.

In der Fassung der „New Games”,

die Mitte der 60er Jahre in den USA erfunden wurden,

lauten sie:

„play hard, play fair, nobody hurt” -

„spiel intensiv, spiel fair, tu niemandem weh”.

Oder, wie Jesus sie formulierte:

„Du sollst Gott lieben

von ganzem Herzen, von ganzer Seele

und mit aller deiner Kraft

und deine:n Nächste:n wie dich selbst.”

Wenn wir uns an diese einfachen Regeln halten,

haben alle Freude am Spiel.