Sonntag, 9. April 2023

leibliche Auferstehung

Predigt am Ostersonntag, 9.4.2023, über 1.Korinther 15,1-11:

Liebe Schwestern und Brüder,

ich gebe euch das Evangelium bekannt, das ich euch predigte,

das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,

durch das ihr auch gerettet werdet,

wenn ihr es in dem Wortlaut festhaltet, in dem ich es euch predigte,

es sei denn, ihr glaubtet ohne Sinn und Verstand.

Denn als Hauptsache habe ich euch überliefert,

was auch ich angenommen habe:

Dass Christus für unsere Sünden starb gemäß der Schrift,

dass er begraben wurde,

dass er am dritten Tag auferweckt wurde gemäß der Schrift,

und dass er Kephas erschien, darauf den Zwölfen.

Darauf erschien er mehr als 500 Schwestern und Brüdern auf einmal,

von denen die meisten noch leben, einige aber sind entschlafen.

Darauf erschien er Jakobus, dann allen Aposteln.

Als letztem von allem, quasi als einer Fehlgeburt, erschien er auch mir.

Ich bin ja der geringste der Apostel,

nicht einmal geeignet, Apostel genannt zu werden,

weil ich die Gemeinde Gottes verfolgte.

Durch Gottes Gnade aber bin ich, was ich bin,

und seine Gnade für mich blieb nicht ohne Erfolg,

sondern mehr als alle anderen habe ich mich gemüht.

Aber nicht ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.

Ob nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.



Liebe Schwestern und Brüder,


„Nicht wahr”, wurde der Theologieprofessor Karl Barth gefragt,

„im Himmel werden wir alle unsere Liebsten wiedersehen?”

Der antwortete: „Gewiss. Und die anderen auch.”


Das ist wohl das erste, woran man bei „Auferstehung” denkt:

Dass wir, wenn wir gestorben sind,

in einem neuen, unvergänglichen Leben erwachen werden,

wo wir den lieben Menschen begegnen,

die uns vorausgegangen sind.


Und, wie Karl Barth sagt, den anderen auch.


„Die anderen auch” - das klingt fast wie eine Drohung.

Es gibt Menschen, denen möchte man auf keinen Fall

noch einmal begegnen müssen.

Es würde uns das Paradies verderben,

wenn wir befürchten müssten, sie dort wiederzusehen.


Aber vielleicht werden sie im Himmel auch ganz anders sein.

Vielleicht werden wir sie gar nicht wiedererkennen.

Paulus schreibt, dass wir in der Auferstehung alle verwandelt werden.

Wir werden nach dem Tod nicht die bleiben, die wir waren.

Im Buch der Offenbarung heißt es,

dass Leid, Geschrei und Schmerz

auf der neuen Erde nicht mehr existieren werden.

Im Tod wird vergehen, was uns leiden ließ,

was uns vor Schmerz oder Empörung aufschreien ließ.

Auch das wird vergehen, wodurch wir andere leiden ließen,

was andere an uns verzweifeln ließ,

womit wir Menschen weh taten.


Die Auferstehung verwandelt alles.

Dazu passt, dass Maria Magdalena Jesus nicht erkennt,

als sie ihm nach seiner Auferstehung begegnet.

Sie hält ihn für den Gärtner.

Und auch die Jünger auf dem Weg nach Emmaus

gehen stundenlang mit Jesus, sprechen mit ihm,

ohne dass ihnen aufgeht, wer da mit ihnen wandert.

Erst beim Teilen des Brotes wird ihnen schlagartig klar,

dass Jesus mit ihnen am Tisch sitzt.


Wenn aber die Auferstehung die Menschen verwandelt

und selbst die engsten Freunde Jesus nicht wiedererkannten,

wie kann Paulus dann sagen, dass Jesus „gesehen wurde” -

und dann auch noch von so vielen unterschiedlichen Leuten?

Manche von ihnen, wie Petrus, standen ihm sehr nahe.

Aber Paulus, der die ersten Christen verfolgte,

hat Jesus nie persönlich kennen gelernt.

Wie konnte er wissen, dass es Jesus war,

der sich ihm vor Damaskus in den Weg stellte?


In allen Begegnungen mit dem Auferstandenen

ist es Jesus selbst, der sich seinen Freund:innen zu erkennen gibt.

Sie erkennen ihn nicht, können ihn nicht erkennen,

weil er verwandelt wurde:

Im Auferstandenen tritt ihnen Gott selbst gegenüber.


Gott war in Jesus Christus schon zu Lebzeiten,

das zeigen die Wunder, die Jesus tat.

Aber die Jünger und alle anderen Menschen,

die Jesus begegneten, sahen ihn „nur” als Menschen.

Als einen besonderen, einzigartigen,

aber eben als einen Menschen.

Selbst wenn Petrus bekennt: „Du bist der Christus”,

so erkannte er zwar, wozu Gottes Sohn in die Welt kam.

Aber Gott konnte er in ihm noch nicht erkennen.


Erst seine Auferstehung offenbarte,

dass Jesus, wie es im Glaubensbekenntnis von Nicäa heißt,

„Gott von Gott” ist, „Licht vom Licht,

wahrer Gott vom wahren Gott.”

Ohne die Auferstehung könnten wir das nicht wissen.

Wir würden Jesus für einen besonderen, vorbildlichen Menschen halten

wie Mutter Theresa oder Martin Luther King.

Aber tatsächlich hat Gott sich in ihm offenbart.

Deshalb sprechen wir Jesus auch als kyrios an, als „Herr”.

So wird Gott im Alten Testament angeredet: adonaj, Herr.


Die Menschen, denen Jesus nach seiner Auferstehung erschien,

sahen sich Gott gegenüber, sahen Gott von Angesicht zu Angesicht

und redeten mit ihm wie mit einem Freund,

wie es vorher nur Mose vergönnt gewesen war.

Diese Begegnung mit Gott entzündete in ihnen den Glauben

und machte sie zu Apostelinnen und Aposteln,

die es weitersagten: Christus ist auferstanden!


Glaube entsteht aus der Begegnung mit dem lebendigen Gott.

Wenn Paulus die vielen Jünger:innen aufzählt,

die den Auferstandenen sahen:

Petrus, die zwölf Jünger, dann 500 auf einmal,

dann Jakobus, der Bruder Jesu, und alle Apostel:innen,

und schließlich sogar Paulus selbst,

- dann will er keine Zeug:innen benennen,

als müsse er die Auferstehung beweisen.

Sondern er zählt die auf, die als erste das Licht verbreiteten,

das mit der Botschaft von der Auferstehung in die Welt kam:

So viele waren es.

Darum konnte sich das Evangelium über die ganze Welt ausbreiten.


Wie man eine Kerze an der anderen anzündet,

um das Osterlicht weiterzugeben,

haben die Apostel:innen den Glauben an andere weitergegeben,

der in ihnen durch die Begegnung

mit dem Auferstandenen entzündet wurde.


Auch wir begegnen ihm, wenn auch nicht von Angesicht zu Angesicht.

Als Auferstandener ist Jesus gegenwärtig

da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.

Und er begegnet uns, wie den Jüngern von Emmaus,

im Abendmahl, das er gestiftet hat.

Und wie sie fragen wir uns manchmal voller Staunen:

„brannte nicht unser Herz?”


Auferstehung bedeutet, dass noch Leben auf uns wartet.

Leben, das dem Tod nicht mehr unterworfen ist.

Leben, befreit von Leid und Schmerz.

Vor allem aber bedeutet sie,

dass Gott sich uns als der offenbart hat,

der uns vom Tod erretten will

und uns Anteil gibt an seiner Zeit: An der Ewigkeit.

So wird die Auferstehung zum Grund unserer Hoffnung:


Die Jünger erlebten Jesus nach Ostern,

sie lebten noch 40 Tage mit ihm zusammen.

Er war für sie jetzt durchsichtig geworden auf Gott hin

und blieb doch trotzdem Mensch,

ihr Meister und ihr Freund,

der berührbar war und berührbar blieb;

der mit ihnen gemeinsam aß, Brot und Fisch.


Jesus, in dem sich Gott zu erkennen gab,

blieb auch nach der Auferstehung Mensch, blieb leiblich.

Kein Geist oder gar Gespenst,

hatte Jesus Hand und Fuß und ließ zu,

dass Thomas den Finger in seine Wunde legte.


Unser Glaube hat Hand und Fuß.

Er entsprang nicht den Träumen der Jünger Jesu

oder einer Vision des Paulus.

Er wurde geweckt vom Auferstandenen,

der wirklich war, wirklich da war und der,

weil er leiblich auferstanden ist,

immer noch da ist, sitzend zur Rechten Gottes,

wie wir im Glaubensbekenntnis sagen.


Als Auferstandener ist Jesus gegenwärtig.

Er ist jetzt auch bei uns.

Die Zeit zwischen seiner Auferstehung und seiner Wiederkunft,

wenn das Reich Gottes anbricht

unter einem neuen Himmel auf einer neuen Erde,

sind für uns zwei verschiedene Zeitpunkte.

Für Jesus ist es einer: die Gegenwart.


Als Jesus mit seinen Jüngern wanderte,

predigte er, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen sei.

Mit seiner Auferstehung wurde es offenbart.

Mit ihr ist die neue Welt angebrochen,

in der Gott abwischen wird alle Tränen,

der Tod nicht mehr sein wird

und ewiges Leben uns erwartet.


So leben wir aus der Auferstehung

mit einer Hoffnung, die schon fast Gewissheit ist.

Die uns Kraft gibt, allem die Stirn zu bieten

und jeden Tag aufs neue aufzustehen,

bis wir in das Licht eines ewigen Tages gehen.