Freitag, 7. April 2023

versöhnt

Predigt am Karfreitag, 7. April 2023, über Kolosser 1,13-20

Gott der Vater hat uns errettet

aus der Macht der Finsternis

und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes,

in dem wir die Erlösung haben,

nämlich die Vergebung der Sünden.

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,

der Erstgeborene vor aller Schöpfung.

Denn in ihm wurde alles geschaffen,

was im Himmel und auf Erden ist,

das Sichtbare und das Unsichtbare,

es seien Throne oder Herrschaften

oder Mächte oder Gewalten;

es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.

Und er ist vor allem,

und es besteht alles in ihm.

Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.

Er ist der Anfang,

der Erstgeborene von den Toten,

auf dass er in allem der Erste sei.

Denn es hat Gott gefallen,

alle Fülle in ihm wohnen zu lassen

und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,

es sei auf Erden oder im Himmel,

indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.


Liebe Schwestern und Brüder,


der Mensch sucht seinen Platz in der Welt.

Sucht, sich ins Verhältnis zu setzen zu dem, was ihn umgibt:

der Mikrokosmos seines Lebensumfeldes und seiner Beziehungen

und der Makrokosmos des Planeten Erde

mit seinen Pflanzen und Tieren,

seinem Klima, mit Wind, Schnee und Regen,

dem unendlichen Sternenhimmel über uns.

Er sucht seinen Platz in der Welt,

indem er fragt: Wie ist das alles entstanden,

und welchen Sinn hat das alles?


Eine Antwort auf diese Frage

gibt der Schöpfungsbericht der Bibel.

Er erzählt, dass Gott die Welt schuf, indem er unterschied:

Licht und Finsternis, Wasser und Land,

Firmament und Erdboden.

Gott ordnete die Welt:

setzte Mond und Sonne als Zeitgeber ein,

ließ Pflanzen wachsen, die Samen bringen

und Bäume, die Früchte tragen.

Er gab jedem Geschöpf seine Aufgabe und seinen Ort

und sorgte dafür, dass alle Nahrung bekamen.

Zuletzt erschuf er den Menschen

als Haushalter seiner Schöpfung.


Gott, der Schöpfer, gibt dem Menschen

seinen Platz in der Welt,

indem er ihm eine Aufgabe zuweist und einen Ort:

Nicht als Chef, sondern als Untergebener,

Geschöpf unter Mitgeschöpfen,

soll er in Gottes Auftrag die Erde bebauen und bewahren

und sich dabei an Gottes Willen orientieren.


Eine andere Antwort auf die Frage

nach dem Platz des Menschen in der Welt

gibt die Naturwissenschaft.

Von Urzeiten an hat der Mensch

in der Natur Regelmäßigkeiten, Wiederkehrendes beobachtet,

die er nach und nach als Naturgesetze erkannte.

entschlüsselte und für sich zu nutzen lernte.

Die Bewegung der Sterne,

die Entstehung des Weltalls,

das Erscheinen von Pflanzen, Tieren

und schließlich des Menschen auf dieser Erde

kommen ohne Gott aus.

Alles hat sich vom Urknall vor 13 Milliarden Jahren

durch die Naturgesetze folgerichtig entwickelt.

Die Arten der Pflanzen und Tiere

entstanden durch Versuch und Irrtum der Evolution,

bis die am besten angepassten sich durchsetzten.


Wer dieses Wissen erwirbt, kann die Natur beherrschen.

Kann die Gene verändern, die den Bauplan des Leben enthalten,

kann Atome spalten und so riesige Energiemengen freisetzen -

oder unvorstellbare Zerstörungen anrichten.

Der Mensch, der die Naturgesetze durchschaut

und anzuwenden gelernt hat, ist Herr über die Natur,

ist Herr der Welt und - solange keine Außerirdischen

ihm diesen Rang streitig machen - auch Herr des Weltalls.


Das wissenschaftliche Weltbild,

das ohne einen Schöpfer auskommt,

dem wir Menschen verantwortlich sind,

hat sich durchgesetzt:

Es kann die Tatsachen erklären,

die wir vorfinden und beobachten.

Aber dabei ist uns der Respekt vor der Natur abhanden gekommen.

Wenn es keinen Schöpfer gibt, dem wir verantwortlich sind,

dann sind wir die Herren dieser Welt,

die mit ihr machen, was sie wollen.

Die Konsequenzen dieses Denkens und Handels

holen uns gerade unerbittlich ein.


Der Kolosserbrief gibt eine dritte Antwort

auf die Frage nach der Entstehung der Welt

und unserem Ort darin.

Eine Antwort, die zwischen den anderen beiden vermittelt.

Denn hinter unser Wissen über die Naturgesetze

können wir nicht mehr zurück;

wir können nicht so tun, als lebten wir noch im Paradies.

Aus diesem Paradies haben wir uns selbst vertrieben.

Der Sündenfall der Menschheit

besteht in der Entschlüsselung ihrer Geheimnisse,

die nicht zu einer größeren Ehrfurcht

vor der Schöpfung und ihren Geschöpfen geführt hat,

sondern zu einem Ausverkauf der Natur.


Auch der Kolosserbrief spricht von einer Ordnung,

wie der Schöpfungsbericht der Bibel.

Diese Ordnung besteht in einer Person, Jesus Christus.

Jesus, Gottes geliebter Sohn, ist die Liebe selbst.

Diese Liebe ist die Ordnung,

die die ganze Natur durchzieht.

Das bedeutet nicht, dass Fressen und Gefressenwerden

aus Liebe geschehen,

Naturkatastrophen ein Zeichen von Gottes Liebe wären.


Vielmehr ist diese Liebe Christi

in jedem Lebewesen enthalten, und sei es noch so klein,

in jedem Tautropfen, jeder Wolke,

jedem Sonnenstrahl und jedem Windhauch.

Diese Liebe gibt allem in der Schöpfung

seinen Wert und seine Würde.

In dieser Liebe entdecken wir einen Abglanz

des Reiches, das Jesus anbrechen sah.

Jede unscheinbare Blume, jeder kleine Käfer,

der Gesang der Vögel am Morgen,

das Abendrot oder das Rauschen des Windes in den Bäumen

erzählen davon.


Doch es gibt weiterhin Vergänglichkeit und Tod in der Welt.

Es gibt die Schrecken von Sturm, Waldbränden oder Erdbeben.

Wir Menschen überziehen die Erde mit Krieg und Gewalt.

Wir beuten Gottes Schöpfung aus

ohne Rücksicht auf unsere Mitgeschöpfe

und auch ohne Rücksicht auf die Generationen,

die nach uns kommen.

Wir setzen immer neue Kreisläufe von Tod und Gewalt in Gang,

Kreisläufe der Vernichtung,

die anscheinend niemand mehr aufhalten kann.


Unsere Erde ist offenbar dem Untergang geweiht,

weil wir es einfach nicht hinbekommen.

Die Menschheit ist dabei, sich selbst auszurotten.

Aber einer durchkreuzt die Kreisläufe von Tod und Vernichtung.

Setzt nicht Gewalt gegen Gewalt,

sondern setzt sein Leben ein.

Setzt auf die Liebe zu allem, was lebt.

Jesus trägt diese Liebe durch,

trägt sie bis ans Kreuz.

Nach menschlichem Ermessen ist der Weg der Liebe damit zuende.

Die Liebe ist durch die Bösartigkeit und Gemeinheit

der Menschen gescheitert und gestorben.

Aber Gott stellt sich hinter Christus und seine Liebe.

Er gibt Christus und seine Liebe nicht dem Tod,

nicht der Vernichtung preis,

sondern schafft neues, ewiges Leben,

wo alles verloren schien.


Die Liebe lebt.

Dadurch geschieht etwas Wunderbares:

Gott hat durch Christus alles versöhnt,

heißt es im Kolosserbrief.

Diese Versöhnung hebt alle Herrschaftsverhältnisse unter uns auf.

Wir sind alle Geschöpfe, das bedeutet:

Wir beziehen uns alle in gleicher Weise auf Gott.

Alles Leben lebt aus Gottes Liebe.

Wir sind alle in gleicher Weise abhängig von Gott.

Keine:r ist unabhängiger,

keine:r ist größer, mächtiger, wichtiger oder besser.

Das macht uns zu Kindern Gottes

und untereinander zu Geschwistern.

Umfangen von der Liebe Gottes erkennen wir,

dass wir alle Geschöpfe sind,

durch seine Liebe ins Leben gerufen,

durch seine Liebe im Leben erhalten,

durch seine Liebe zu neuem Leben bestimmt.


Als Geschwister können wir miteinander in Frieden leben.

Wir sind Brüder und Schwestern

aller Menschen auf dieser Erde.

Und nicht nur der Menschen.

Weil durch Christus alles geschaffen wurde,

ist die ganze Schöpfung von ihm beseelt.

Wir sind Geschwister auch der kleinsten Mücke,

des unscheinbarsten Grashalms.

So schafft Gott Versöhnung,

so macht Gott Frieden durch sein Blut am Kreuz.


Die Welt ist durch Christus geschaffen.

In ihm ist sie auch erlöst.

Sie ist nicht zum Untergang verdammt.

Wir sind nicht dazu verdammt, uns selbst auszulöschen.

Als Gottes Geschöpfe können wir mitwirken

an der Erlösung der Schöpfung,

die in Christus schon geschehen ist.

Wir können umkehren

und in der wunderbaren Fülle der Natur

die Fülle Gottes erkennen, die in Christus ist.

Wir können wieder staunen lernen

und den Respekt vor jedem Lebewesen,

sei es noch so unscheinbar und klein.


Wir entdecken die Fülle Gottes

in der Vielfalt der Natur.

Wir entdecken sie in jedem Menschen.

Wir gewinnen Respekt vor allen Menschen,

seien sie Freund:in oder Feind:in,

Einheimische oder Fremde.

So wird Frieden unter uns Wirklichkeit.

Der Friede, den Christus macht durch sein Blut am Kreuz.

So sind wir versöhnt

miteinander und mit unserer lieben Erde.

„Denn es hat Gott gefallen,

alle Fülle in Christus wohnen zu lassen

und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,

es sei auf Erden oder im Himmel,

indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.”