Sonntag, 2. Juli 2023

über Schönheit

Predigt am 4. Sonntag nach Trinitatis, 2. Juli 2023, über 1.Petrus 3,8-17:

Seid alle gleichgesinnt, teilnahmsvoll,

geschwisterlich, barmherzig und demütig.

Vergeltet Böses nicht mit Bösem

oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung,

sondern wünscht einander Gutes,

denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erben.


Denn „wer möchte leben

und gute Tage sehen?

Der halte seine Zunge von Schlechtem zurück

und seine Lippen davor, zu betrügen,

wende sich ab vom Bösen und tue Gutes,

suche Frieden und jage ihm nach.

Denn die Augen des Herrn ruhen auf den Gerechten,

und seine Ohren lauschen auf ihre Bitten.

Das Antlitz Gottes aber richtet sich gegen die,

die Böses tun” (Psalm 34,13-17).


Und wer könnte euch quälen,

wenn ihr Eiferer für das Gute werdet?

Und wenn ihr auch leiden müsstet um der Gerechtigkeit willen,

selig seid ihr!

„Denn ihr Drohen fürchtet nicht,

noch lasst euch davon erschüttern,

liebt aber den Herrn” (Jesaja 8,12) Christus in euren Herzen,

allzeit bereit zur Rechtfertigung gegenüber jedem,

der euch um Auskunft bittet

über die Hoffnung, die in euch ist,

aber mit Sanftmut und Ehrfurcht.

Habt ein gutes Gewissen,

damit sie durch das beschämt werden,

womit sie euch schlecht machen wollen, wenn sie euch

wegen eures guten Lebenswandels als Christen verunglimpfen.

Denn es ist besser - wenn dies Gottes Wille ist -

als jemand zu leiden, der Gutes tut,

als der Schlechtes tut.



Liebe Schwestern und Brüder,


wenn man Gott beschreiben will,

gibt es seit dem Mittelalter drei Wege dazu.

Der erste ist der Weg positiver Aussagen,

die wir in der Bibel finden:

Gott ist der Schöpfer;

Gott ist die Liebe, der gute Hirte, der Herr der Heerscharen;

Gott ist Wahrheit, Licht und Leben.


Der zweite Weg ist der negativer Aussagen:

Gott ist un-sichtbar,

Gott ist un-endlich, un-begreiflich.


Der dritte Weg ist der der Überhöhung:

Gott ist die Vollendung, die Krönung von allem:

Gott ist allmächtig, allwissend, ewig.

Anselm von Canterbury, ein mittelalterlicher Theologe,

hat daraus sogar einen Gottesbeweis ableiten wollen:

Gott, sagt Anselm, sei etwas,

worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden könne

(aliquid quo nihil maius cogitari possit, Proslogion II).


Von allen Eigenschaften, die Gott hat,

kommt eine in unserem Denken und Reden über Gott nicht vor:

Die Schönheit.

Dabei wäre die Eigenschaft der Schönheit geradezu prädestiniert

für den Weg der Überhöhung:

Von allem Schönen auf der Welt

müsste Gott doch das Schönste sein.

So singt die Altistin im Weihnachtsoratorium:

„Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben

den Schönsten, den Liebsten bald bei dir zu sehn.”


Der Grund, warum im Zusammenhang mit Gott

nicht von Schönheit die Rede ist, liegt auf der Hand:

Gott kann man nicht sehen.

Andererseits wurde Gott Mensch in seinem Sohn,

„dem Schönsten, dem Liebsten”.

Und so wurde Jesus auch oft dargestellt:

Als schöner Mann mit langen, wallenden Haaren,

ebenmäßigem Gesicht und idealen Proportionen.


Bis eines Tages schöne Männer nicht mehr gefragt waren.

Männer mussten nun echte Kerle sein,

muskelbepackt und hart wie Kruppstahl.

Bei evangelikalen Christen in den USA

sind Darstellungen beliebt,

auf denen Jesus mit dem Körper von Rambo

ein Schnellfeuergewehr im Anschlag hält.


Was ist eigentlich Schönheit?

„Über Geschmack kann man nicht streiten”, sagt man,

und „Schönheit liegt im Auge des Betrachters”.

Entscheidet jede:r von uns selbst, was schön ist?

Wenn das so wäre - wie kommt es dann,

dass wir uns darauf einigen können, dass etwas schön ist?

Dass es Schönheitsideale gibt,

denen besonders Frauen unterworfen sind

und die großes körperliches und seelisches Leid verursachen.


Es gibt Dinge, die empfinden alle als schön:

Die Farbenpracht eines Sonnenuntergangs.

Das ätherische Wunder des Regenbogens.

Meisterwerke der Kunst aller Epochen.


Wir finden auch Kinderzeichnungen schön,

obwohl die nun wirklich nicht

die Normen eines Kunstwerkes erfüllen.

Wir finden sie schön,

weil wir nicht die Zeichnung an sich sehen,

sondern die Zeichnung in ihrem Zusammenhang:

Wir sehen sie mit dem Wissen,

dass sie von einem Kind stammt -

vielleicht unserem Kind oder Enkelkind.

Dieses Wissen fließt in die Betrachtung mit ein.

Und weil ein Kind jedes Herz erweicht,

das nicht aus Stein ist,

darum berührt uns auch ein Bild,

das ein Kind gemalt hat.


Etwas ist nicht an sich schön;

Schönheit existiert immer in einem Zusammenhang.

Gold und Diamanten sind nicht an sich schön,

sondern weil sie selten und wertvoll sind.

Ein Mensch, den wir lieben, ist schön,

auch wenn er oder sie nicht dem Schönheitsideal entspricht.

Sie, er ist schön, weil wir ihn lieben:

Wir sehen etwas, das flüchtige Betrachter nicht sehen können.

Wir sehen, was dieser Mensch ist.

Was andere an ihr, an ihm nicht schön finden,

kann für uns gerade das Besondere sein:

Weil es uns etwas bedeutet.

Weil wir diese Stelle tausendmal berührt,

diese Hand gehalten, diese Haare gerochen haben,

in diesen Augen versunken sind.


Die Liebe macht einen Menschen schön.

Umgekehrt gilt auch:

Schönheit ist Liebe.

Damit kommen wir zum Predigttext,

zu den Ermahnungen des 1.Petrusbriefes.

Es sind liebevolle Ermahnungen,

die zu einer liebevollen Haltung ermutigen sollen.

Dort heißt es nicht:

Seid anständig.

Gehorcht euren Eltern und der Obrigkeit.

Haltet Ohren und Fingernägel sauber

und nachts die Hände über der Bettdecke.

Die Mahnungen des 1.Petrusbriefes schränken nicht ein,

erlegen keine Last auf,

beschneiden nicht die Lebensfreude.


Der 1.Petrusbrief ist an eine Gemeinde geschrieben,

die als Minderheit in einer unchristlichen Gesellschaft lebt,

die misstrauisch beäugt und verfolgt wird.

Der Brief will in dieser Situation Mut machen,

indem er die christliche Lebensweise als die schönere darstellt.


Man hat nichts davon, wenn man Gutes tut -

vor allem nicht, wenn man denen Gutes tut,

die eine:n sowieso nicht leiden können.

Man hat nichts davon, wenn man ehrlich bleibt,

während andere betrügen und ihren Vorteil ausnutzen.

Man hat nichts davon, Beleidigungen, Kränkungen hinzunehmen -

im Gegenteil: Der Ruf wird dadurch ruiniert.


Dennoch, man spürt: Es ist die schönere Art zu leben.

Es ist schön, weil es liebevoll ist.

Auch, wenn andere nicht liebevoll sein wollen

oder sein können.

Wenn andere Angst verbreiten,

Kälte, Selbstsucht, Zwang und Gewalt - also: Hässlichkeit,

kann ich mit meiner Liebe etwas dagegen setzen.

Ich kann etwas Schönes entstehen lassen.

Und damit einen anderen Weg,

eine andere Lebensweise zeigen als die,

die zu etwas Hässlichem, zu Hässlichkeit führt

und diese Welt hässlich macht.


In diesem Sinne ist Gott schön.

Denn Gott ist die Liebe.

Gott wünscht sich von uns Liebe

zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst.

Gott wünscht sich, dass wir die Schönheit seiner Welt

erhalten und strahlen lassen,

indem wir Schönheit in ihr verbreiten.

Und Gott wünscht sich,

dass wir unsere eigene Schönheit erkennen

und schätzen lernen.

Dass wir nicht anders sein wollen,

als er uns geschaffen hat,

sondern lieben, was wir sind und wie wir sind.


Wenn man etwas Schönes erlebt:

von einem Konzert ganz erfüllt ist,

von einer Aufführung im Theater gerührt oder aufgerüttelt,

in einem Film im Kino ganz versunken,

von einem Gemälde bezaubert,

von einem Panorama, einem Sonnenuntergang überwältigt,

wird man gestärkt, ermutigt,

ist man fröhlich, sogar glücklich.

Schönheit, auch im Kleinen -

als winzige Blüte am Wegesrand,

als Lächeln, das ein:er geschenkt wird -

macht glücklich.

Dieses Glück verbreitet, wer Schönes tut.

Dadurch wird das Leben lebenswert.

Und dadurch kann Menschen,

die von Gott noch nichts wissen

oder die ihn vergessen haben,

Gott begegnen.


Wenn wir liebevoll sind,

liebevoll handeln,

entsteht etwas Schönes

und gibt Zeugnis von der Hoffnung,

die in uns ist.