Sonntag, 26. November 2023

zweite Haut

Predigt am Ewigkeitssonntag, 26.11.2023, über 2.Petrus 3,8-13:


Dies eine aber soll euch nicht verborgen bleiben, ihr Geliebten:

Beim Herrn ist ein Tag wie tausend Jahre,

und tausend Jahre sind wie ein Tag.

Der Herr zögert nicht hinaus, die Verheißung zu erfüllen,

wie einige es für eine Verzögerung halten,

sondern ist geduldig mit euch, weil er nicht will,

dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen.


Der Tag des Herrn aber wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.

An diesem Tag wird der Himmel mit Geprassel verbrennen,

die Elemente werden in der Hitze zerschmelzen,

und die Erde und was auf ihr getan wurde wird aufgedeckt werden.

Wenn auf diese Weise alles vergehen wird,

was für einen heiligen Lebenswandel müsst ihr führen,

was für fromme Taten tun,

um die Ankunft des Tages Gottes zu erwarten und zu beschleunigen,

an dem der Himmel vergeht

und die Elemente in der Hitze zerschmelzen.

Nach seiner Verheißung erwarten wir einen neuen Himmel

und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.



Liebe Schwestern und Brüder,


der Tag des Herrn, der jüngste Tag ist ein schrecklicher Tag.

Alles wird vergehn im Feuer, heißt es.

Ein Weltenbrand, bei dem nur Asche zurückbleibt:


Dies irae dies illa,

Solvet saeclum in favilla.


Tag der Rache, Tag der Sünden,

Wird das Weltall sich entzünden.


Kann man ein solches Ende der Welt, wie wir sie kennen, herbeisehnen?

Kann man darauf hinarbeiten, dass es möglichst bald kommt?


Religiösen und politischen Fanatikern und Terroristen

scheint es nicht schnell genug gehen zu können mit dem Weltenbrand.

Sie tun alles, um ihn zu beschleunigen;

heizen die Stimmung auf, bis ein explosives Gemisch entsteht,

zündeln und legen Feuer.

Bilder der zerbombten und zerschossenen ukrainischen Frontstädte

geben eine düstere Vorstellung dessen,

was von der Welt bleiben würde nach dem großen Brand.


Muss alles erst so grausam untergehen,

bevor Himmel und Erde neu werden können?

Kommt der neue Himmel, kommt die neue Erde

nur durch das Feuer der Zerstörung hindurch?


Kommt sie denn überhaupt,

die neue Erde unter einem neuen Himmel?

Paulus war davon überzeugt, er würde den Tag noch erleben:

„Siehe, ich sage euch ein Geheimnis”, vertraut er den Korinthern an:

„Wir werden nicht alle entschlafen,

wir werden aber alle verwandelt werden;

und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune.”


Paulus hat den Jüngsten Tag nicht mehr erlebt.

Und der 2.Petrusbrief weiß bereits von Spöttern, die witzeln,

dass Gott seinen Tag des Gerichts wohl vergessen hat.

Gott spielt auf Zeit, sagen sie, warum wohl?

Er hat wohl nicht die Macht, diesen Tag herbeizuführen.

Am Ende ist die neue Erde nur eine Wunschvorstellung;

dann braucht man auch keine Angst vor dem Jüngsten Tag zu haben.


Nein, man braucht keine Angst vor dem Jüngsten Tag zu haben.

Durch seinen Tod am Kreuz hat Christus auf sich genommen,

was uns von Gott und unseren Mitmenschen trennt.

„Er hat den Schuldbrief getilgt,

der mit seinen Forderungen gegen uns war,

und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet”,

heißt es im Kolosserbrief (2:14).


Wenn die Bücher aufgetan werden,

wenn wir vor dem himmlischen Richter stehen,

wird Christus nicht fragen:

„Was hast du gemacht mit deinem Leben?”

Sondern er wird sagen:

„du gute und treue Magd, du guter und treuer Knecht,

du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen;

geh hinein zu deines Herrn Freude!”


Am Ende wartet neues Leben auf uns.

Am Ende wird alles gut.

Das dürfen wir jetzt schon wissen.

Darauf dürfen wir schon jetzt vertrauen.


Wie können wir da sicher sein?

Wie können wir sicher sein, dass wir beim Jüngsten Gericht

die zur Rechten Christi sein werden, die auf der guten Seite?

Und nicht die zur Linken, die Jesus wegschickt;

die törichten Jungfrauen, die man nicht mehr einlässt

und die der Bräutigam nicht mehr kennen will?


Der 2.Petrusbrief erklärt das Ausbleiben des Jüngsten Tages

nicht mit dem Unwillen oder der Unfähigkeit Gottes,

sondern mit seiner Barmherzigkeit:

Gott will, dass niemand verloren geht.

Alle sollen die Chance zur Umkehr bekommen.


Gott will die Welt nicht zerstören,

sondern, wie Paulus schreibt, verwandeln.

Wir werden alle verwandelt werden.

Und sind schon verwandelt.

Durch die Taufe haben wir Christus angezogen.

Christus umgibt uns wie eine zweite Haut.


Von Siegfried geht die Sage, dass er,

nachdem er den Drachen Fafnir erschlagen hatte,

in dessen Blut badete, das ihn wie eine zweite Haut überzog.

Dadurch wurde er unverwundbar -

bis auf die eine Stelle zwischen seinen Schultern,

auf die ein Lindenblatt gefallen war,

die ihm später zum Verhängnis wurde.


Christus, die zweite Haut, die uns seit der Taufe umgibt,

macht uns nicht unverwundbar, im Gegenteil:

Sie macht uns nahbar und mitfühlend,

macht uns empfänglich und empfindlich

für die Not und das Leid unserer Mitmenschen ebenso

wie für deren Freundlichkeit und Liebe.


Wir haben mit dieser zweiten Haut

etwas von dieser Liebe Christi an uns und in uns.

Sie macht uns dazu fähig und bereit,

über uns hinauszuwachsen und über unseren Schatten zu springen.

Zugunsten anderer auf etwas zu verzichten

und das, was wir im Überfluss haben, mit anderen zu teilen.

Uns auf die Zunge zu beißen, wenn wir eine Kränkung erwidern wollen,

fünfe gerade sein zu lassen, nachzugeben, großzügig zu sein.

Zu sehen, wo unsere Hilfe gebraucht wird,

und dann auch das Richtige zu tun.


Diese Liebe, die uns in Christus begegnet ist,

wurde ein Teil von uns, eine Möglichkeit, eine Fähigkeit,

ja, eine Superkraft,

die uns überall und jederzeit zur Verfügung steht.

Mit dieser Liebe wirken wir Wunder, kleine und große.

Mit dieser Liebe verändern wir die Welt, schon jetzt.


Weil wir lieben können, werden wir im Gericht bestehen.

Weil die Liebe uns leitet, sind wir auf der guten Seite.

Die Liebe hat uns verwandelt,

und sie wird die Welt verwandeln.


Schon jetzt steckt die Liebe andere Menschen an

und verwandelt sie,

macht aus Feinden Freundinnen und Freunde,

aus Fremden Geschwister.


Diese Liebe schließt auch die mit ein,

die uns vorausgegangen sind.

Unsere Liebe erreicht unsere Gestorbenen,

denn sie sind in Gottes Liebe geborgen,

mit der Gott uns beschenkt hat.

Sie verwandelt sie und uns:

heilt Verletzungen und schenkt Vergebung;

befreit von Zwängen und schenkt die Freiheit,

die zu sein, die wir sind

und die zu werden, in die Gottes Liebe uns verwandeln will.