Sonntag, 1. September 2024

den Dom glänzen lassen

Predigt im Gottesdienst zur Einführung von Stefan Steinat als Küster der Domgemeinde am 14. Sonntag nach Trinitatis, 1.9.2024 über Psalm 26,8

Liebe Schwestern und Brüder,

da wir in diesem Gottesdienst Stefan Steinat als neuen Küster des Domes in sein Amt einführen, möchte ich mit Ihnen über dieses Gotteshaus nachdenken, in dem er ab heute zusammen mit unseren Küstern Birgit Kolenda und Stefan Grasmeyer seinen Dienst tun wird.

Wir wollen für unseren neuen Küster nicht nur den Heiligen Geist und Gottes Segen für seinen Dienst erbitten, sondern ihm auch einige gute Worte mit auf den Weg geben. Und, wer weiß, vielleicht ist auch  das eine oder andere gute Wort für uns mit dabei.

Über den Dom als Gotteshaus nachdenken heißt, über etwas nachdenken, was für die meisten von uns sehr vertraut ist, geradezu selbstverständlich. Lohnt das überhaupt? Kann dabei noch etwas für uns Neues herauskommen?

So vieles an unserem Glauben ist uns teilweise von frühester Kindheit an vertraut, ist lieb gewordene Gewohnheit, manchmal auch etwas lästige Pflicht. Alles in allem ist der Glaube etwas für uns Selbstverständliches. Wir denken nicht  darüber nach - wir brauchen nicht darüber nachzudenken, weil Vieles reflexhaft passiert, wie z.B. das Aufstehen zu den Lesungen.

Das muss so sein, wenn der Glaube nicht nur für besondere Momente im Leben reserviert sein, sondern unseren Alltag, unser Leben bestimmen soll. Aber wie das so ist mit Gewohnheiten und  Selbstverständlichkeiten - seien es in einer Beziehung Liebe und Nähe des Partners, der Partnerin, sei es das, was unseren Alltag erfüllt, unser Leben lebenswert macht: Man vergisst, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Sondern etwas Einmaliges, Wertvolles, sehr Besonderes, das man zumindest hin und wieder einmal bewusst wahrnehmen und würdigen sollte.

Wenn wir jetzt über den Dom nachdenken, geraten wir ins Staunen darüber, dass er schon 850 Jahre steht; wie schön er ist und wie gut erhalten. Und es ist auch erstaunlich, wie viele Menschen dieser Dom nach wie vor anzieht und in seinen Bann zieht.

Ich möchte dieses Nachdenken über unseren Dom  unter einen Vers aus dem 26. Psalm stellen, der uns später noch einmal begegnen wird:

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.“

In diesem Vers geschieht, was auch wir gerade tun: Nachdenken über das Haus Gottes, das für den Psalmbeter damals so selbstverständlich war, quasi immer schon da war, wie für uns Heutige dieser Dom. Indem der Psalmbeter darüber nachdenkt, wird ihm bewusst, was er am Haus Gottes hat, was es für ihn bedeutet: Es ist der Ort, wo Gottes Ehre wohnt.

Gott, der Schöpfer der Welt, kann in einem Haus keinen Platz finden, und sei es noch größer als der Dom. Was von Gott damals im Jerusalemer Tempel und heute im Dom begegnet, ist ein Abglanz Gottes: seine Ehre, sein קבוד (Kabod).

Einmal ist damit Gottes Herrlichkeit gemeint. Ihr Abglanz auf dem Angesicht Moses war so gewaltig, dass die Israeliten nicht einmal diese Reflexion ertragen konnten, als würden sie direkt in die Sonne blicken. Darum musste Mose sein Gesicht verhüllen, wenn er mit Gott gesprochen hatte (2.Mose 34,29-35).

Hier im Dom ist solcher Abglanz nicht zu finden, dessen Anblick wir nicht aushalten könnten. Doch die Schönheit des Domes, die Schönheit seiner Ausstattung darf man wohl als einen Abglanz von diesem Abglanz verstehen. Eine Reflexion und einen Reflex auf den schönen Glanz Gottes, den wir erst in einem anderen Leben sehen werden.

Die Schönheit des Domes und die Schönheit im Dom, sie sind ein Fingerzeig auf Glanz und Herrlichkeit Gottes, wie Erde und Himmel solche Fingerzeige sind:

„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes
und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.
Ohne Sprache, ohne Worte;
unhörbar ist ihre Stimme“,

heißt es im 19. Psalm.
Und von der Erde als Schemel seiner Füße und dem Himmel als Thron Gottes singen wir:

„Wenn am Schemel seiner Füße
und am Thron schon solcher Schein,
o was muss an seinem Herzen erst für Glanz und Wonne sein!”
 (EG 510)

Es ist der Schluss a minori ad maius, der Schluss vom Kleinen auf das Große, der diese Beziehung zwischen der Schönheit des Domes und Gottes Herrlichkeit nahelegt.

Wenn wir in diesem gar nicht mal so kleinen Dom über die Schönheit und Erhabenheit dieses Raumes staunen, werden wir ganz still und ehrfürchtig, kommen wir ins Beten, das uns in Gottes Nähe versetzt.

Die Herrlichkeit Gottes, das ist die eine Seite des קבוד. Die andere Seite ist die Ver-herrlichung, die Verehrung Gottes. Das Haus Gottes ist der Ort, an dem Gott verehrt wird, in dem Gottes Verehrung zuhause ist: Im Gottesdienst nämlich, den wir gerade miteinander feiern.

Seit 850 Jahren beten, singen und musizieren Menschen hier, wird hier Gottes Wort gelesen und gepredigt, Abendmahl gefeiert und getauft. Der ganze Dom ist erfüllt und gesättigt von den Klängen zur Ehre Gottes, von Bitte und Dank oder, wo die Worte fehlten, von Weinen und Lachen. Wir bewegen uns darin wie Fische im Wasser. Wie in einer Atmosphäre, die auf uns abstrahlt und auf alle, die den Dom besuchen. Sie ist es, die uns in Wahrheit ergreift und ergriffen sein lässt.

Diese Atmosphäre bewegt uns dazu, selbst Gott die Ehre zu geben mit unseren Stimmen, unserem Musizieren, unserem Beten. Damit erfüllen auch wir diesen Raum des Domes, erhalten, bereichern und erneuern die Atmosphäre des Glaubens, auf dass auch künftige Generationen davon ergriffen werden mögen.

Der קבוד, die Ehre Gottes, hat also zwei Seiten: Eine passive, der Glanz und die Herrlichkeit Gottes, von der die Schönheit unserer Welt und dieses Domes ein Abglanz ist. Und eine aktive: die Ver-herrlichung Gottes durch unsere Verehrung. Die Verehrung ist aber zugleich auch etwas Passives, wenn sie uns als Glaubensatmosphäre im Dom ergreift. Und die Herrlichkeit Gottes hat auch etwas Aktives, denn die Schönheit des Domes, der Abglanz vom Abglanz dieser Herrlichkeit, muss ja erhalten werden.

Womit wir endlich beim Amt der Küsterin, des Küsters wären. Denn sie sind es - und nicht nur sie allein, aber herausgehoben vor uns allen durch ihr Amt -, die die Schönheit des Domes und seine Glaubensatmosphäre erhalten. Für eine Küsterin, einen Küster gilt das Psalmwort in besonderem Maße:

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.“

Wäre das nicht so, wäre ein Küster nur ein Hausmeister - wobei ich diese wichtige Arbeit nicht schmälern will. Aber eine Kirche braucht mehr als eine Hausmeisterin. Sie braucht die Küsterin, den Küster, der die für uns so selbstverständlichen  und wichtigen Traditionen des Glaubens kennt, weil er, weil sie selbst darin lebt. Darum ist Küster nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Ein Amt der Kirche, zu dem man berufen und für das man mit dem Heiligen Geist und dem Segen Gottes ausgerüstet wird.

Doch eine Küsterin, ein Küster allein kann es niemals schaffen, den Dom als Gotteshaus zu erhalten. Und wenn wir auch für ein Vierteljahr den Luxus von einer Küsterin und zwei Küstern im Dom genießen können, sind auch diese drei zu viel wenig für unseren großen Dom.

Darum sind wir alle mit dafür verantwortlich, diesen Dom als den Ort zu erhalten, an dem Gottes Ehre wohnt. Sei es, dass wir mit unseren Stimmen und Gebeten, unserem Musizieren zu der Atmosphäre des Glaubens beitragen; sei es, dass wir mithelfen beim Kirchenputz oder einfach dadurch, dass wir am Ende des Gottesdienstes unser Gesangbuch zurückbringen.

Die Mitarbeitenden bei der Domaufsicht und die Domführergilde gehören dazu, die es ermöglichen, dass Menschen diesen Dom erleben und von seiner Atmosphäre des Glaubens ergriffen werden können.

Die Mitglieder des Fördervereins, die mit Spenden und Mitteln, die sie beantragen, die Ausstattung des Domes erhalten und Kunstwerke erwerben, die heutigen Menschen in der Bildsprache unserer Zeit einen Abglanz vom Abglanz der Herrlichkeit Gottes vermitteln.

Last, but not least gehören auch die Kirchenältesten dazu, und da besonders die Mitglieder des  Bauausschusses, die zusammen mit Fachleuten und den Mitarbeitern der Kirchenkreisverwaltung so viel für die Erhaltung dieses Bauwerks getan haben und tun.

Wir alle bemühen uns nach Kräften, nach unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten darum, dieses Gotteshaus zu erhalten und mit Glauben zu erfüllen. Ich möchte das heute einmal ausdrücklich feststellen, weil es alles andere als selbstverständlich ist - und weil es gleichzeitig so wunderbar ist, dass es geschieht:

    Wir alle bemühen uns nach Kräften, nach unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten darum, 
    dieses Gotteshaus zu erhalten und mit Glauben zu erfüllen.

Heute möchte ich und hoffe ich, dass Sie sich bewusst machen,  was Sie alles für den Dom getan haben und tun. Dass Sie stolz darauf sind - stolz auf Ihre Leistung sind. Und dass Sie sich diesen Psalmvers  wie eine Auszeichnung an die Brust heften:

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.“

Wenn Sie sich auf diese Weise die Worte des Psalms zu eigen machen, wird dieser Dom zu Ihrem Dom, zu Ihrem Zuhause oder, wie man früher sagte, zu Ihrer „guten Stube“. Denn er gehört ja niemandem von uns allein. Zur Ehre und Verherrlichung Gottes wurde er vor fast 30 Generation  von Leuten errichtet, die sich nie im Traum ausgemalt hätten, dass auch heute noch Menschen  die Arbeit ihrer Hände bewundern und erhalten würden.
Gebe Gott, dass es nach uns noch genauso viele Generationen sein werden.

Der Dom gehört Ihnen, er gehört uns allen. Er steht allen Menschen dieser Stadt offen, die in ihm Gottes Ehre und Herrlichkeit begegnen und Gott die Ehre geben wollen. Er ist ein Zuhause für alle, denen die Worte des Psalms aus dem Herzen sprechen:

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.“