Sonntag, 7. April 2013

Betriebssystem: Bibel - eine Konfirmationspredigt


Predigt zur Konfirmation am Sonntag Quasimodogeniti, 7. April 2013 über Jesaja 40,26-31:

Seht doch nur in die Höhe! Wer hat die Sterne da oben geschaffen? Gott lässt sie alle aufmarschieren, das ganze unermessliche Heer. Jeden Stern ruft er einzeln mit Namen, und keiner bleibt fern, wenn er, der Mächtige und Gewaltige, ruft.
Ihr Leute von Israel, ihr Nachkommen Jakobs, warum klagt ihr: "Gott kümmert sich nicht um uns; unser Gott lässt es zu, dass uns Unrecht geschieht"? Habt ihr denn nicht gehört? Habt ihr nicht begriffen? Der Herr ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, seine Macht reicht über die ganze Erde; er hat sie geschaffen! Er wird nicht müde, seine Kraft lässt nicht nach; seine Weisheit ist tief und unerschöpflich. Er gibt den Müden Kraft und die Schwachen macht er stark. Selbst junge Leute werden kraftlos, die Stärksten erlahmen. Aber alle, die auf Gott vertrauen, bekommen immer wieder neue Kraft, es wachsen ihnen Flügel wie dem Adler. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und brechen nicht zusammen.
(Gute Nachricht)

Liebe Gemeinde,
liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

heute werden Eure Eltern und Großeltern,
Eure Onkel und Tanten ab und zu ein bisschen wehmütig sein.
Denn heute, mit Eurer Konfirmation,
wird Ihnen - und vielleicht auch Euch - endgültig bewusst,
dass Ihr keine Kinder mehr seid.
Ihr seid nun endgültig und unwiderruflich dabei, "groß" zu werden.
Das sollt Ihr auch.
Das wollt nicht nur Ihr, das wollen auch Eure Eltern.
Aber sie erinnern sich vielleicht gerade heute daran,
wie es war, als Ihr noch klein wart und sie an Eurem Bett saßen
und Euch z.B. "Weißt du, wieiviel Sternlein stehen" vorsangen.
Ihr wisst das nicht mehr. Ist schon zu lange her.
Und doch könnt Ihr Euch vielleicht noch
an das Gefühl der Geborgenheit damals erinnern.
Daran, wie schön es war,
wenn Mama oder Papa an Eurem Bett saßen,
Euch eine Geschichte vorlasen oder Euch in den Schlaf sangen.
Und vielleicht seid auch Ihr ein kleines bisschen traurig,
dass Ihr keine Kinder mehr seid -
nicht mehr unbeschwert in den Tag hinein leben,
selbstvergessen spielen könnt -, sondern Pflichten habt:
Ihr müsst vieles tun.
Zur Schule gehen, lernen, üben;
den Müll rausbringen, den Rasen mähen,
die Spülmaschine ausräumen.
Ihr müsst zum Sport, zur Tanzstunde ...
- vorbei die Zeit, wo das alles nur Spaß war.
Jetzt ist das meiste sehr ernst, und es hängt viel davon ab,
dass Ihr gut in der Schule seid.
Dass Ihr intensiv lernt, übt, trainiert.
Dass Ihr Verantwortung für Euch und Euer Leben übernehmt.

I
"Weißt du, wieviel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?"
Diesen Satz aus dem alten Kinderlied
haben wir so ähnlich eben schon mal gehört.
In der Lesung heißt es:
"Seht doch nur in die Höhe! Wer hat die Sterne da oben geschaffen?"
Was hat der Blick in die Sterne mit der Konfirmation zu tun?
Oder, um Euch und Ihnen einen Tipp zu geben,
was hat das Firmament, ein altertümlicher Name für den Himmel,
mit der Kon-firma-tion zu tun?

"Seht doch nur in die Höhe!", fordert die Lesung auf,
die wir eben gehört haben.
Also gut - machen wir das doch einfach mal:
Schauen wir nach oben - was sehen wir?
Das Gewölbe der Klosterkirche.
Zur Zeit des Propheten Jesaja, zur Zeit Jesu,
aber auch noch im Mittelalter, als diese Kirche gebaut wurde,
stellte man sich den Himmel als Gewölbe vor,
als eine feste Schale, wie eine überdimensionierte Eierschale.
Vielleicht nicht gemauert, wie das Gewölbe der Klosterkirche,
aber jedenfalls fest: als Firmament,
an dem die Sterne sozusagen angeklebt sind.
In manchen alten Kirchen sind deshalb auf das Gewölbe Sterne gemalt.
In der Kirche in Rautheim gibt es sogar einen ganzen Sternenhimmel.
Firmament - in diesem Wort steckt das lateinische Wort firmus.
Es bedeutet "fest".
Dieses Wort steckt auch in Eurer Konfirmation.

II
Heute wird etwas festgemacht.
Und heute macht Ihr etwas fest.

Festgemacht wird ein Einschnitt in Eurem Leben.
Gestern wart Ihr noch Kinder. Heute seid Ihr es nicht mehr.
Früher begann nach der Konfirmation die Lehre.
Schülerinnen und Schüler wurden gesiezt.
Jungs trugen zum ersten Mal Anzug und Krawatte,
und die Mädchen schnitten ihre langen Kinderzöpfe ab.
Erste Schritte hinein in eine andere Welt,
in die man als Kind nicht schnell genug kommen kann
und von der man später, wenn man älter ist, wünscht,
sie wäre nicht so schnell gekommen:
Die Welt der Erwachsenen.

Was Ihr heute fest macht, ist Euer Glaube.
Es ist Euch wahrscheinlich gar nicht bewusst,
und es ist Euch nicht so wichtig wie all das andere,
das mit der Konfirmation zusammenhängt.
Das ist in Ordnung so. Der Glaube hängt nicht an der Konfirmation,
sondern an der Tatsache, dass Ihr getauft seid.
Aber der Grund, warum wir überhaupt Konfirmation feiern,
ist, dass Ihr heute Euren Glauben festmacht:
Ihr sagt heute, dass Ihr Christinnen und Christen sein wollt.
Bei den meisten von Euch haben Eure Eltern das für Euch entschieden,
indem Ihr schon als kleine Kinder getauft wurdet.
Nun entscheidet Ihr Euch dafür.

Habt Ihr Euch das auch wirklich gut überlegt?

Christsein, das klingt ja erst einmal harmlos.
Das klingt sogar richtig gut, wenn man bedenkt,
dass Ihr jetzt Patinnen und Paten werden könnt,
Gemeindeglieder mit fast allen Rechten seid -
aber habt Ihr auch das Kleingedruckte gelesen?

III
Das am meisten nicht gelesene Kleingedruckte sind die EULAs,
die Endbenutzer-Lizenzverträge,
die man bei der Installation von Software abnicken muss.
Bei jedem Spiel, das man installiert, bei jedem Update muss man
"Ich stimme zu" anklicken.
Aber ich kenne kaum einen, der auf den Link darüber geklickt hätte,
der zum seitenlangen Lizenzvertrag führt.
Und ich kenne niemanden,
der sich das Ungetüm mal in Ruhe durchgelesen hätte.
Man nickt ihn ab, weil es alle so machen
und weil es sowieso keine Konsequenzen hat. Hofft man wenigstens.

Das Christentum ist gottseidank lizenzfrei.
Es ist "Public Domain", freie Software, sozusagen.
Jede und jeder kann mitmachen.
Man muss allerdings, wenn man Geld verdient,
eine Nutzungsgebühr zahlen: die Kirchensteuer.
Es ist also nicht völlig frei, sondern Shareware:
Wie die Shareware im Internet lebt das Christentum davon,
dass Menschen, die das können, es finanziell unterstützen,
damit es weiterentwickelt werden kann
und damit andere, die kein oder zu wenig Geld haben,
es kostenlos nutzen können.

Aber dennoch kennt auch das Christentum das Kleingedruckte.
Es hat sogar ziemlich viel davon,
und es ist manchmal so klein gedruckt,
dass manche es ohne Brille gar nicht mehr lesen können.
Gegen unser Kleingedrucktes sehen selbst die längsten Lizenzverträge aus dem Internet geradezu mickrig aus.
Ich spreche natürlich von der Bibel.
Da steht drin, worauf Ihr Euch einlasst.
Aber wie den EULAs, so geht es auch der Bibel:
Sobald man sich das Christentum heruntergeladen hat,
nickt man die Bibel ab,
aber kaum einer schaut mal wirklich nach,
was er da abgenickt hat.
Und ich kenne niemanden,
der sich das Ungetüm mal in Ruhe durchgelesen hätte.
Man nickt sie ab, weil es alle so machen
und weil es sowieso keine Konsequenzen hat. Hofft man wenigstens.

IV
Mit Eurer Konfirmation schließt Ihr keinen Vertrag.
Der Vergleich zwischen Christentum und Software hinkt natürlich:
Die Bibel ist keine EULA, kein Lizenzvertrag.
Man muss auch nicht alles, was in ihr steht,
wörtlich befolgen - auch wenn manche das meinen -
und dann doch wieder Ausnahmen machen,
weil die Bibel eben so nicht funktioniert.
Die Bibel ist selbst eine Art Software, ein Betriebssystem,
das in seinen alten Teilen weit über 2.000 Jahren auf dem Buckel hat
und immer noch läuft und, so Gott will,
auch in den nächsten 2.000 Jahren noch laufen wird.

Die Bibel ist ein freies Betriebssystem wie LINUX,
nur, dass es keine Updates mehr gibt.
Der Code liegt seit langer, langer Zeit schon fest.
Die Kirche ist der Computer,
der mit diesem Betriebssystem Bibel läuft.
Man kann damit nicht zocken, keine Mails verschicken.
Aber Musik gibt's hier zu hören.
Vor allem ist Kirche eine Art Facebook, das man live erleben kann.
Die Kirche ist das Soziale Medium schlechthin.
Und Ihr seid dabei.
Wie gut dieser Computer "Kirche" funktioniert
und wie schick er aussieht,
das liegt jetzt auch in Eurer Hand.
Ihr gestaltet ihn mit.

Dazu hilft es,
wenn man ab und zu mal in das Betriebssystem "Bibel" schaut.
Aber vor allem hilft es, wenn man hinkommt und mitmacht.
Denn der Computer Kirche ist kein Gebäude wie diese Klosterkirche,
er ist nichts Festes, sondern besteht aus Menschen.
Aus den Menschen, die eine Gemeinde bilden
und darin versuchen, zusammen zu leben,
Gottesdienste zu feiern und das Leben zu gestalten und zu begleiten,
von der Taufe bis zur Beerdigung.

V
Über uns wölbt sich der Himmel.
Früher dachten die Menschen, die es nicht besser wussten,
er sei fest, wie ein gemauertes Gewölbe: das Firmament.
Heute wissen wir: da ist weitgehend nichts,
jedenfalls nichts Festes, abgesehen von den paar Planeten und Sternen.

Die Bibel spricht noch einmal ganz anders vom Himmel:
"Seht doch nur in die Höhe!", sagt sie.
"Wer hat die Sterne da oben geschaffen? 
Gott lässt sie alle aufmarschieren, das ganze unermessliche Heer. 
Jeden Stern ruft er einzeln mit Namen."

Das ist natürlich nicht wirklich so.
Aber Ihr habt durch die Konfirmandenzeit
vielleicht eine Ahnung davon bekommen,
oder werdet sie eines Tages bekommen,
dass es nicht nur eine Wirklichkeit gibt.
Die Bibel lässt uns die Dinge anders sehen, als wir es gewohnt sind.
Dabei geht es, wie gesagt, nicht darum,
was wir tun oder lassen sollen.
Die Bibel will uns nicht die Welt erklären.
Aber sie hilft uns, unser Leben noch einmal anders zu verstehen:
Ihr seid bei Eurem Schritt in die Welt der Erwachsenen nicht allein.
Eure Eltern, Eure Familien begleiten Euch dabei.
Und es geht auch der mit, von dem die Bibel sagt,
er habe die Sterne geschaffen.

Gott, der jeden Stern beim Namen kennt,
der kennt vor allem Eure Namen: Sie sind in seine Hand geschrieben.
Gott ist auf Eurer Seite, seit Eurer Taufe schon.
Seit Eurer Taufe ist er mindestens so stolz auf Euch,
wie Eure Eltern es heute sind.
Und er wird es immer sein, komme, was wolle.

Die Konfirmation soll und wird euch vor allem daran erinnern:
dass man die Dinge, dass man diese Welt auch anders sehen kann.
Dass man beim Blick in den Himmel nicht nur in unendliche Weiten schaut, in denen weitgehend nichts ist.
Sondern dass man in ein freundliches Gesicht schaut:
in Gottes Gesicht.
Man kann es zwar nicht sehen, aber man kann wissen.
Es leuchtet über mir, wie ein Stern.
Es leuchtet vor Freude, dass es mich gibt,
dass ich der Mensch bin, der ich bin.
Es leuchtet vor Freude, dass es Euch gibt
und dass Ihr so seid, wie Ihr seid.
Darin soll Euch die Konfirmation fest machen:
Dass Gott für Euch ist und an Eurer Seite steht
heute, morgen und an allen Tagen, die kommen.

Amen.